(Bild: Jogi Sweers)
Dank Corona fiel das Jubiläum im Jahr 2020 aus, dann wird jetzt eben 30 + 1 nachgefeiert! Eine Harzer Erfolgsgeschichte …
Wenn das Kind Bass spielen möchte, aber kein Geld hat, um sich einen zu kaufen, können die Eltern ihm das Geld geben – oder ihm einen Werkzeugkasten schenken. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Das ist es auch. Den Werkzeugkasten bekam Gerald Marleaux schon mit neun, mit zwölf baute er sich seinen ersten Bass, einen viersaitigen Fretless mit durchgehendem Hals aus Mahagoni und Eiche vom örtlichen Tischler, dem nach einem knappen Jahr die untere Korpushälfte abfiel.
Das sollte sich natürlich nicht wiederholen. Die Grundlagen des Zupfinstrumentenbaus lernte Gerald über mehrere Jahre beim Gambenbaumeister Emmo Koch, der aber offiziell nicht ausbilden durfte. Zusätzlich absolvierte er also eine Ausbildung zum Kunsttischler in einer Manufaktur für Stilmöbelbau und Bildhauerei, wo unter anderem Barockmöbel restauriert und nachgebaut wurden. Interesse an Formenlehre und Design führte ihn nach der Lehre an die Fachoberschule für Gestaltung in Hildesheim.
Neben der Mitarbeit in Werkstätten anderer Instrumentengattungen, war vor allem die Arbeit in der Werkstatt von Bassbauer Andy Schack prägend, aus der eine langjährige Freundschaft entstand.
1988 starb Emmo Koch, und Gerald führte den Betrieb fort, um dann zwei Jahre später in diesen Räumlichkeiten auf die tiefe Seite der Macht zu wechseln und offiziell Marleaux BassGuitars ins Leben zu rufen. 2002 folgte dann der Umzug in ein uriges Fachwerkhaus in Clausthal-Zellerfeld, das vorher einen Eisenwarenladen beherbergt hatte. Dessen ehemalige Verkaufsräume sind nun der Wohnbereich, in dem die Familie lebt, das Lager wurde zur Werkstatt.
(Bild: Jogi Sweers)
Hier entstehen im Jahr ca. 160 Bässe, die zu gut einem Drittel ins Ausland verkauft werden. Diese Zahl ist nun schon seit einigen Jahren konstant. Mehr Bässe sollen es nicht werden, um jedem entstehenden Instrument die nötige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Dazu gehört auch der Verzicht auf CNC-Fräsen, nicht aus einer Ideologie heraus, sondern weil die Prozesse schon so optimiert sind, dass CNC es nicht schneller oder leichter machen würde. Neben Gerald arbeiten in der Firma aktuell zwei Gesellen und ein Auszubildender, seine Frau Heike führt das Büro und organisiert die Logistik.
Das erste Serienmodell, der Consat Bass, erfreut sich nach wie vor größter Beliebtheit und ist ein moderner Klassiker. So klassisch, dass Mitte der 90er die Firma Jackson eine ziemlich exakte Kopie herausbrachte … Die meisten Bassmodelle entspringen Geralds eigenen Ideen, immer nach dem Motto „form follows function“. Ausnahmen sind die beiden extremeren Instrumente im Portfolio, der Diva Fretless, der auf dem Pagelli-Bass aufbaut, und der Contra, der auf einer Idee von Jürgen Attig beruht. Der neueste Streich kommt aus der Votan-Familie, mit der Marleaux klassisch Fenderähnliche Eigenschaften in ein ganz eigenständiges Gewand kleidet.
Ein Indiz für den Erfolg der Marke ist, dass so gut wie nie Instrumente vorrätig sind. Fast alles, was gebaut wird, ist auch schon verkauft. Eine wichtige Lehre aus der Arbeit mit Emmo Koch war, nichts auf eine Art zu machen, „weil es schon immer so gemacht wurde“, oder „weil es alle machen“, sondern jeden Arbeitsschritt zu hinterfragen. Das geht bei Gerald Marleaux in jedes Detail: Lacke, Leime, Holzkombinationen, Passgenauigkeit von Pickup- und Halsfräsungen, alles kommt auf den Prüfstand.
REGIO TONE WOODS
Das ist teilweise durchaus wörtlich zu nehmen, denn Marleaux arbeitet seit 2005 mit der Technischen Universität Clausthal zusammen, um Schwingungsverhalten exakt zu messen und zu analysieren, woraus sich Kooperationen mit weiteren Unis in Göttingen und Kassel entwickelt haben. Da geht es vorrangig um ein Thema, das Marleaux besonders am Herzen liegt: Regio Tone Woods – wie kann man lokale Hölzer einsetzen und optimieren? Schon in den Anfängen gab es die Idee dazu, aber die Logistik, Rundholz, also komplette Stämme, zu kaufen und zu verarbeiten, überforderte die Firma damals noch. Mittlerweile ist das alles eingerichtet und das große Lager gut gefüllt mit Material für gut tausend Bässe.
(Bild: Jogi Sweers)
Ca. 60 bis 70% aller verarbeiteten Hölzer kommen aus der Region, so wird der gesamte verwendete Ahorn im Harz geschlagen, dazu kommen Esche, Kastanie, Erle, Birke, Linde, Hainbuche, Nußbaum, Platane, Elsbeere und Mooreiche.
(Bild: Jogi Sweers)
Neben der konstanten Neugier und dem Bestreben, die beste Lösung zu finden – die vor einigen Jahren zum Beispiel dazu führte, dass Marleaux anfing, eigene Halsstäbe lokal fertigen zu lassen, die die üblichen zugekauften ersetzten – ist eine hervorstechende Eigenschaft von Gerald als Person, dass er unglaublich ausgeglichen und freundlich ist. Kein Wunder, dass der Marleaux-Stand in den guten, alten Musikmesse-Zeiten immer Anlaufpunkt der gesamten Szene war. Davon konnte man sich auch beim Tiefgang Bass Camp überzeugen, das zum 25-jährigen Firmenjubiläum ins Leben gerufen wurde, letztes Jahr und auch dieses leider nochmal Corona-bedingt ausfallen muss.
Wir drücken die Daumen, dass das Camp nächstes Jahr wieder in gewohnter Manier stattfinden kann, gratulieren noch einmal herzlich zum Jubiläum und wünschen alles Gute für noch viel weitere Jahre!
(erschienen in Gitarre & Bass 08/2021)