Im Interview

Mike Kerr & Royal Blood: AC/DC meets Disco

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Royal Blood(Bild: Dean Martindale)

Mike Kerr ist alles andere als ein Bassist der klassischen Schule. Gemeinsam mit seinem Partner Ben Thatcher bringt er als Royal Blood eine ganz eigene Form des Alternative Rock auf die Bühne – und das mit einem sehr speziellen Instrumentarium, über das der Frontmann der Band nur begrenzt Auskunft gibt. Anlässlich des neuen Albums ‚Typhoons‘ gelang es uns, ihm zumindest einige seiner Vorlieben zu entlocken.

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Mike, als ich dieses Interview erstmals anfragte, sagte man mir, dass du normalerweise nicht mit Musikermagazinen redest, weil du keine Details zu deinem Equipment preisgeben möchtest.

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Ich spreche schon ganz gerne darüber, aber ich will nicht all meine Geheimnisse verraten, denn ich habe lange gebraucht, mein Setup zu entwickeln. Als die Band populär wurde, war das die einzige Frage, die mir alle gestellt haben. Ich habe es genossen, dieses Mysterium zu bewahren – und beschloss, niemandem davon zu erzählen.

Hat sich das mittlerweile geändert?

Es ist mir inzwischen deutlich egaler – auch, weil es seit den Anfangstagen der Band verschiedene Varianten gegeben hat. Die Antwort wäre also komplex und würde einiges an Zeit brauchen. Dazu kommt, dass meine Liebe zu Pedalen noch lange nicht vorbei ist, ich finde sie noch immer inspirierend. Ich bin also niemals fertig. Verschiedene Teile zusammenzustellen und daraus ein Setup zu bauen, macht mir nach wie vor großen Spaß. Am Anfang wollte ich nicht, dass irgendjemand wusste, was ich da genau gemacht habe. Alle Details will ich aber bis heute nicht erklären.

Dann starten wir mit dem Offensichtlichen – den Bässen. Man sieht dich meist mit Fenders. Welcher ist dein Hauptbass und warum hast du ihn ausgewählt?

Meine Hauptbässe heutzutage sind Fender Jaguars. Ich habe so viel auf ihnen geschrieben, dass sie fast ein Teil von mir geworden sind. Der Orangefarbene ist mein Lieblingsbass. Ich hatte früher nie eine enge Beziehung zu meinem Equipment, ich habe Instrumente immer als Werkzeuge gesehen. Heutzutage hingegen gibt es diese Verbindung zu ihnen.

Royal Blood
Mike Kerr mit Fender Jaguar Bass (Bild: Forest Of Black)

Hast du dich nie für konventionellere Precision- oder Jazz-Bass-Modelle interessiert?

Ich habe immer Short-Scale-Bässe gespielt. Das kommt wohl daher, dass ich eher denke wie ein Gitarrist. Ich wollte, dass der Bass sich mehr wie eine Gitarre anfühlt. Am nächsten kam ich dem, indem ich Bässe mit einer kürzeren Mensur spiele.

Auch bei Amps gehst du ganz eigene Wege. In deiner Backline finden sich mehrere Fender-Super-Sonic-Gitarrencombos.

Stimmt. Ich habe drei 60-Watt-Modelle in meinem Setup.

Darunter steht eine große Box. Was ist das für eine?

Eine 8x10er.

Wie kamst du zu deiner Wahl?

Mir gefällt, wie schnell alles reagiert. Dazu kommt, dass die Speaker und das Gehäuse wesentlich zum Klang beitragen. Die Super-Sonics klingen recht topfig, wenn du sie aufreißt. Ich mag diese starke Mittenprägung, diesen gitarrenartigen Sound sehr. Warum auch immer, aber wenn du direkt, also ohne Pedale, reingehst, ist der Drive-Channel für den Bass ziemlich cool.

Das heißt, du verwendest die Lautsprecher der Super-Sonics?

Korrekt.

Nutzt du auch normale Bass-Amps in deinem Rig?

Hauptsächlich Gitarren-Amps. Ich habe ein Fender-Bassman-Topteil. Von da geht das Signal in die 8x10er-Box. Aber das ist auch mein einziger Bass-Amp.

Du hast in einem Video gesagt, dass es für dich wichtig ist, einzelne Amps zu- und wegschalten zu können. Geht es da um Lautstärke-Differenzen oder eher um verschiedene Zerrgrade?

Beides eigentlich. Manchmal schalte ich gern von clean nach verzerrt, manchmal ist es ein Volume Boost. Da wir nur zu zweit sind, betrachte ich jeden Amp als Mitglied der Band. Ich sehe meinen Bass-Amp als den Bassisten, Gitarren-Amp 1 als den Gitarristen, Amp 2 als den zweiten Gitarristen und so weiter. Das heißt aber auch, dass ich nicht will, dass alle ständig an sind. Bei den fetten Parts schon, aber sonst nicht. Ich mag es, die Möglichkeit zu haben, den Sound kleiner zu machen – nicht nur leiser.

Royal Blood
Mike spielt live drei Fender- Super-Sonic-Amps mit unterschiedlichen Einstellungen (Bild: Forest Of Black)

Die Amps sind also in Sachen Gain unterschiedlich eingestellt.

Ja. Das ändert sich zwar andauernd, aber generell ist es so.

Schaltest du auf der Bühne selber um?

Ja, das mache ich. Dazu kommt einiges an Muting, wo ich den Bass-Amp an- und ausschalte. Dieses Element verwenden wir oft. Bei einigen Songs passiert das auf jedem Beat.

Ein weiterer zentraler Baustein eures Sounds sind Oktav-Pedale, unter anderem ein Electro-Harmonix POG.

Ich bin ein großer Fan von Oktav-Pedalen. Was ich allerdings nicht preisgeben werde, ist, wie ich sie verwende. Die POGs finde ich großartig. Aber es gibt noch ein paar andere, von denen die Leute nichts wissen. Die habe ich lange für mich behalten und werde es weiterhin tun. Aber ich denke, wenn man in einem Duo spielt, liegt es nahe, Oktav-Pedale zu verwenden. Das haben die meisten so gemacht und machen es noch immer.

Gibt es sonst irgendwelche Pedale, über die du sprechen magst?

Es gibt eins, über das ich sprechen kann, denn man sieht es eh. Es steht immer vorne bei mir: mein Divebomb-Pedal.

Ein Whammy?

Es ist kein Whammy, es ist von Boss – ein PS-2, glaube ich (andere Quellen sprechen von einem PS-6, Anm. d. Autors). Ich brauche nur draufzutreten und bekomme diesen Divebomb-Effekt. Das ist für mich viel einfacher zu benutzen als ein Whammy. Es ist wohl mein Lieblingspedal. Ich glaube, ich habe drei davon. Sie sind unterschiedlich eingestellt. Manche gehen hoch, manche runter …

Du bist auf der Bühne ein sehr beschäftigter Mann.

Ja, es gibt einiges zu tun.

Dabei ist es schon kompliziert genug, als Bassist auch der Leadsänger zu sein. Wie lange hast du gebraucht, um das alles vereinen zu können?

Ich muss bis heute jeden Tag trainieren, gleichzeitig zu singen und zu spielen, denn zuerst schreibe ich immer die Basslinie und singe dann die Parts separat ein. Ich habe sie nie zusammen aufgenommen. Es gibt immer diesen Moment nach den Aufnahmen, wo ich lernen muss, beides zu vereinen.

Als du den Bass erstmals in die Hand genommen hast, was waren da deine Haupteinflüsse – eher Bassisten oder Gitarristen?

Meine Haupteinflüsse waren stets Gitarristen: Jimmy Page, Tom Morello, Jack White und Josh Homme waren immer meine Favoriten. Sie alle haben ihren ganz eigenen Stil, Sound und Ansatz. Und sie alle schreiben Riffs auf sehr unterschiedliche Art. Am Anfang wollte ich mich irgendwo dazwischen ansiedeln – zumindest wollte ich auf der gleichen Straße wie sie unterwegs sein.

Spielst du mit den Fingern oder mit Plektrum?

Ausschließlich mit Pick.

Du schreibst auf dem Bass, aber du spielst auch Keyboard. Wenn du komponierst, welches Instrument nimmst du da tendenziell als erstes in die Hand?

Normalerweise zunächst den Bass. Sobald ich einen Stapel Riffs geschrieben habe, übertrage ich sie auf das Klavier und fange an, die Melodien dazu zu entwickeln. Es gibt einen steten Wechsel zwischen beiden Instrumenten. Schließlich soll am Ende ein Song rauskommen. Es geht darum, eine Melodie und einen Text zu finden, und ich finde, dass das eine Instrument das andere inspiriert.

Wie sieht es mit Tunings aus?

Ich habe sechs oder sieben Stimmungen, meist Standard-Tunings in verschiedenen Tonhöhen. Wenn ich am Klavier sitze und feststelle, dass ich meine Melodie, als Beispiel, in C# haben will, und alle Riffs enthalten normalerweise Leersaiten, dann greife ich zu meinem auf C# gestimmten Bass und spiele sie auf ihm.

Das neue Album ‚Typhoons‘ unterscheidet sich sehr zum Vorgänger ‚How Did We Get So Dark?‘.

Es ist völlig anders – sowohl in Sachen Texte als auch hinsichtlich der Musik. ‚Typhoons‘ ist sehr viel stärker von Dance-Einflüssen geprägt. Man könnte sagen, es hat mehr Roll als Rock. Es fühlt sich eher wie ein „AC/DC meets Disco“-Album an. Der Umstand, dass wir es selbst produziert und Keyboards und solche Dinge hinzugefügt haben, führt dazu, dass man zum ersten Mal Royal Blood in Farbe hört.

Die Plattenfirma schreibt, dass ihr diesen Sound durch Zufall gefunden habt. Stimmt das?

Ja. Ich denke, das Meiste, das wir entdecken, geschieht per Zufall. Als wir anfingen, in diesem bestimmten Tempo zu spielen, weckte das etwas in uns auf. Es fühlte sich auf einmal tanzbar an. Das erinnerte mich an meine Wurzeln und meine Leidenschaft für französische Tanzmusik, an Bands wie Daft Punk, Justice und Cassius.

Dein Vorbild Josh Homme hat den Song ‚Boilermaker‘ produziert. Was brachte er ein, was habt ihr von ihm gelernt?

Sehr viel. In Sachen Produktion ist er ein Meister. Speziell bei diesem Song habe ich gelernt, wie viel das Arrangement ausmacht. Wir hatten diese ziemlich komische Nummer – eigentlich waren es verschiedene Puzzleteile, von denen wir nicht recht wussten, wie wir sie zusammensetzen sollen. Josh half uns sehr beim Arrangement. Er machte daraus diesen aufregenden, spannenden Song.

Ich habe sehr viel von ihm gelernt – auch, dass man man selbst sein sollte, und das kompromisslos und ohne sich dafür zu rechtfertigen. Was immer du tust, mache es mit voller Überzeugung. Sei mutig und glaube an dich. Um dieses Album so zu machen, brauchten wir diese Einstellung. Denn es ist eine Abkehr von unserem alten Sound und etwas völlig Neues für uns. Wir mussten dafür den Stier bei den Hörnern packen.

Royal Blood sind nicht nur kommerziell erfolgreich, ihr habt auch zahlreiche berühmte Fans, etwa Dave Grohl. Im Info zu dem Album wird erwähnt, dass Popularität neben all ihren angenehmen Seiten auch eine Bürde sein kann – der ihr entfliehen wolltet.

Wenn unsere Helden unsere Musik toll finden, ist das riesig. Da habe ich nun wirklich kein Problem mit. Es war mehr mein Lebensstil, der nicht mehr zu beherrschen war. Ich habe jeden Tag Party gemacht. Das hat mich irgendwann eingeholt. Ich musste damit aufhören.

War das bevor ihr mit dem Album angefangen habt oder währenddessen?

Ich hörte auf, nachdem wir ‚Boilermaker‘ gemacht hatten. Es gibt also nur einen Song auf dem Album, auf dem ich betrunken bin.

Vielleicht hat diese neue Nüchternheit und der damit verbundene Wechsel im Denken zum anderen Sound beigetragen.

Absolut.


equipment

● Bässe: verschiedene Fender-Jaguar-Modelle

● Amps & Boxen: Fender-Super-Sonic-60-Watt-Combos, Fender-Bassman-Bass-Topteil, 8×10“-Box

● Effekte: diverse Oktav-Pedale, darunter Electro-Harmonix POG, mehrere Boss PS-2 oder PS-6 Pitch-Shifter/Harmonist-Pedale

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2021)

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