Build and tune

Repair Talk: Das eigene Set-Neck-Projekt

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Wie schon im letzten Repair Talk angekündigt, ist es an der Zeit, mal über den Tuning-Tellerrand hinauszugucken und sich an einem kompletten Projekt zu versuchen, das Bauen und Tunen vereint.

Da hat der Repair Talk in zurückliegenden Ausgaben schon mal ein Schraubhalsprojekt begleitet. Sieht man die zahllosen Selbstbau-Projekte, die der Gitarre-&-Bass-Redaktion als Bilder zugeschickt werden, scheint mindestens in jedem dritten Bundesbürger ein verkappter Gitarrenbauer zu schlummern. Da ist ggf. schon mal eine Strato oder Telly erfolgreich aufgebaut worden aber der im Inneren ruhende Gitarrenbauer scheint noch nicht befriedigt – zeigen zumindest die Bilder. Nicht jeder Schöpfer einer vorgestellten Gitarre wird unterstützende Info benötigen, aber vielleicht schafft es ein informativer Repair Talk, den einen oder anderen Kreativen dazu zu bewegen, nicht bei einer schnöden Schraubhalsinterpretation stehenzubleiben.

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Da muss jetzt auch nicht gleich mit dem Fällen eines Baumes begonnen und ganz von vorne angefangen werden. Oftmals schießt man mit seinen Visionen über die eigenen zum Planungszeitpunkt vorhandenen Fähigkeiten hinaus, und so manches Projekt landet dann aus Frust recht schnell als Teileträger im Regal. Besser ist es da für Material und Mensch, wenn man durch einen Bausatz auf das nächste „Level“ der handwerklichen Fähigkeiten geführt wird und dieses dann erfolgsversprechend erreicht.

AM ANFANG STEHT DAS SHOPPEN

Das Internet hat eine umfassende Auswahl an Bausätzen aller erdenklichen Instrumententypen im Angebot. Teilweise direkt aus China, teilweise über Zwischenhändler mehr oder weniger lokal. Für unter € 100 gibt es komplette Gitarren in Einzelteilen fertig für die Endmontage. Eine gewisse Skepsis in puncto Qualität kommt schon auf, wenn man bedenkt, dass diverse Mechaniksätze mehr Geld verschlingen als der Komplettpreis inkl. Porto. Aber wer weiß – vielleicht kann man durch Eigenleistung aus günstigen Bauteilen ein brauchbares Instrument zusammensetzen? Nach kurzer Suche habe ich mich für einen Bausatz entschieden, der hier in der BRD von einem Händler angeboten wurde. Das hat im Fall der Fälle den Vorteil, dass man vom umfangreichen Verbraucherschutz Gebrauch machen könnte und bei schadhaften Bauteilen oder auch nur bei Nichtgefallen die Ware nach Absprache zur Gutschrift zurückschicken könnte.

Der Bausatz war mit ca. € 250 kein Schnäppchen (im Vergleich zu den oben erwähnten Alternativen), gefällt aber von der Form und hat noch keine Bohrung für den Steg. Dadurch hat der Bausatz eine gewisse Flexibilität, auf die in späteren Repair Talks eingegangen wird.

Abb.1: Gitarrenkarton oder Wundertüte?

Geklickt, gekauft, und superschnell war der Überraschungskarton da (Abb. 1). Versteckt unter Verpackungsmaterial und teilweise in Tüten gehüllt soll der Inhalt irgendwie eine Gitarre ergeben.

ERSTE SICHTUNG

Angefangen mit den großen Teilen zeigt sich nach dem Auspacken ein Junior-Style-Korpus (laut Herstellerinfo aus Mahagoni) und ein passender Hals (laut Herstellerinfo beim Kauf ebenfalls aus Mahagoni mit einem Palisandergriffbrett) (Abb. 2). Hals und Korpus sind für eine Set-Neck-Konstruktion (eingeleimter Hals) vorbereitet.

Abb.2: Die „Holzzutaten“ für eine Junior-Style-Gitarre

Etliche kleine Tüten weiter liegen dann auch die restlichen Bauteile parat (Abb. 3).

Abb.3: Übersichtlich: die komplette Hardware für das Projekt

Alles da – selbst ein Satz Saiten und ein Anschlusskabel. Der Body ist mehrteilig und unsymmetrisch verleimt (Abb. 4).

Abb.4: Handlich und leicht: Der Korpus wird begutachtet

Das geht in Ordnung. Könnte ich wählen, würde ich einen dreiteiligen Korpus bevorzugen, bei dem dann Halstasche und Stegeinheit auf demselben Stück Holz sitzen.

Die symmetrische Verleimung mit mittiger Fuge ist zwar weitestgehend als Standard vorgegeben und akzeptiert, bringt aber nach meinem Verständnis keine Vorteile gegenüber einer symmetrischen dreiteiligen Konstruktion mit genügend breitem Mittelteil. Der Bausatz-Body liegt irgendwo dazwischen, wird aber anstandslos liefern. Er ist nur knapp 40 mm stark und wirkt dadurch etwas schmächtiger als historische Vorbilder. Unterstützt wird der „handliche“ Eindruck durch das geringe Gewicht von etwa 1,2 kg an der Hängewaage.

Farbe, Gewicht, Geruch und auch Haptik des verwendeten Holzes lassen Fragen nach dem Rohmaterial zu. Swietenia und Khaya (traditionelle Mahagonisorten zur Instrumentenherstellung) schließe ich aus. Der Anbieter konnte auf Nachfrage auch keine genaue Angabe machen. Das sehe ich eher sportlich und nicht unbedingt als Nachteil bei so einem Projekt. In Zeiten, in denen häufig versucht wird, traditionelle Materialien durch leichtere Alternativen zu ersetzen, kann im Mix auch etwas Interessantes und durchaus Brauchbares entstehen.

DIE UNGEDULD SIEGT

Mittlerweile etwas neugierig auf die sich aufbauende Kreation geworden, stecke ich schon mal probehalber Hals und Korpus zusammen (Abb. 5).

Abb.5: Provisorisches Zusammenstecken für den ersten Eindruck

Der Haarspalter wird monieren, dass die Fugen nicht ganz sauber gearbeitet sind, aber da habe ich schon viel Gröberes gesehen. Im Großen und Ganzen sitzt der Hals recht gut (Abb. 6).

Abb.6: Nicht perfekt aber brauchbar: die Hals/Korpus-Verbindung

Ich würde jetzt hier nicht probieren, mit feinem Knochenleim zu arbeiten. Der Bausatz kommt aus industrieller Fertigung mit entsprechenden Toleranzen und verlangt auch nach einem „industriellen“ Fertigungsansatz. Bei der ersten Sichtung sehe ich hier als Lösung einen spaltfüllenden Epoxydharzkleber für die Korpus/Hals-Verbindung. Oder ich arbeite die Verbindung nach – das soll erst einmal sacken und jetzt noch nicht endgültig entschieden werden. Die Substanz ist da.

ANGST VOR DER BANANE

Ich zerlege das Provisorium wieder und begutachte den Hals etwas genauer. Ein Peilen entlang der Griffbrettkante zeigt einen beängstigend deutlichen Durchhang. Um Gewissheit zu bekommen, spanne ich den Hals ein und überprüfe die Flucht mit dem Lineal (Abb. 7).

Abb.7: Überprüfen der Griffbrettflucht

Das Gepeilte bestätigt sich. Der Hals gleicht im Verlauf einer Banane. Da kommt immer etwas Unruhe auf, da ein verzogener Hals, der sich nicht korrigieren lässt, dem Projekt schlagartig den Sinn entzieht. Sinn und Ruhe bringt der T-Rod wieder zurück (Abb. 8).

Abb.8: Hat alles sauber im Griff: der T-Rod

Die Mutter nimmt einen 4er-Inbuss sauber auf und der Halseinstellstab (2-Way) hat den Hals effektiv unter Kontrolle. Suboptimal, um nicht zu sagen grottenschlecht, ist jedoch die Lage am Sattel (Abb. 9).

Abb.9: Sitzt nicht gut: schlecht angepasster Kunststoffsattel

Das vorgefertigte Plastikbauteil sitzt nur teilweise auf dem dafür ausgearbeiteten Plateau. Irgendwie durch Klebstoff fixiert, sitzt es halb in der Luft, halb schräg auf dem Unterbau. Das geht besser und ist in der sich aufbauenden Tuning-Liste vorgemerkt.

Weiter geht es mit prüfendem Blick zum Griffbrett und den Bünden. Der erste Eindruck ist gar nicht mal so schlecht. Da könnte man was draus machen. Für meinen Geschmack sind jedoch die Bundkanten etwas zu stark abgeschrägt, was die nutzbare Bundlänge des ohnehin schon schmächtig wirkenden Halses noch etwas verkürzt. Darüber hinaus ist der Bunddraht recht flach (Abb. 10).

Abb.10: Erfolgsversprechende Tuningkandidaten: die Bünde

Das finden manche Spieler klasse – ich hätte gerne etwas mehr Höhe. Lange Rede – kurzer Prozess: Dem Projekthals verordne ich eine komplette Neubundierung mit Knochelsattel. Da habe ich die Wahl des Bundmaterials und ich glaube, dass dieser Eingriff das Instrument insgesamt qualitativ weit nach vorne bringt. Im gleichen Zuge werde ich auch die Side Dots überarbeiten. Diese wirken recht klein und verschwommen (Abb. 11).

Abb.11: Etwas zart: die unscharfen Side Dots

Neue Dots werden besser sichtbar sein und geben dann der Neubundierung noch mehr Spielspaß mit auf den Weg.

DER SCHEIN TRÜGT

Jetzt wurde recht viel am Griffbrett gefühlt und geprüft, und irgendetwas ist ungewohnt. Das Griffbrett sollte laut Artikelbeschreibung aus Palisander sein. Palisander gibt es in vielen Arten, von denen ich auch nicht alle kenne. Aber Struktur und Haptik sind doch schon sehr ungewöhnlich – kaum holzartig. Auf Anfrage verweist der Anbieter auf die 2017 geänderten Cites-Bestimmungen, wodurch bei den Bausätzen kein Palisander, sondern „künsticher Palisander“ (Zitat) verbaut wird. Den Bausatz habe ich 2021 bestellt. Da hätte eine aktualisierte Artikelbeschreibung mit den simplen sechs Buchstaben „künstl.“ als Zusatz mehr Klarheit geschaffen und wäre auch ehrlicher gewesen.

Da braucht man sich aber nicht aufzuregen. Wenn der sich aufzeichnende Bauteilemix nicht gefällt, kann man ja – solange die Parts noch im Neuzustand sind – in der Regel und bei einem seriösen Anbieter von seinen Verbraucherrechten Gebrauch machen (s.o.). Man wird nicht gezwungen oben Beschriebenes kommentarlos zu akzeptieren. Bevor man lange diskutiert und sich unnötig aufregt: Ab in den Karton und zurück.

Für mich stellt der Mix kein Problem dar. Mit etwas Tuning (und die Liste ist wohl noch nicht zu Ende geschrieben) lässt sich auch ohne großen Werkzeugpark eine interessante Gitarre im Junior/ P90-Style aufbauen – weniger eine 1:1-Kopie bekannter Originale.

UND ES GIBT NOCH MEHR ZU TUN

Es würde den Rahmen sprengen, im Zuge einer ersten Sichtung jedes Teil des gemäß Abb. 3 ausgebreiteten Hardwaresortimentes zu durchleuchten. Die Lupe wird angesetzt, sobald das entsprechende Bauteil an der Reihe ist. Für die Einschätzung der Lage am Hals sind demzufolge die Mechaniken bzw. deren Sitz auf dem Prüfstand (Abb. 12).

Abb.12: Anprobe der Mechaniken

Die Presshülsen (Kopfplatten-Oberseite) sitzen sehr locker. Einfach so eingesetzt, werden sie später den Mechanikachsen keine gute Führung liefern. Das sollte nachgearbeitet werden. Alles stimmig hingegen auf der Kopfplattenrückseite. Die notwendigen Löcher sind vorgebohrt und die Schrauben greifen gut – wenig zu tunen.

Die Tuning-Liste wird in der Summe trotzdem immer länger. Das ist auch so gewollt, denn bei so einem Projekt ist der Weg das Ziel. Neben einigen feinen Tuningarbeiten bietet so ein Projekt auch die Basis für eine veredelnde Holzbearbeitung. Viele Kanten sind eher grob vorgearbeitet (Abb. 13) und die Pickup-Fräsung hat keine Verbindung zur Außenwelt.

Abb.13: Auch der feine Holzwurm bekommt seine Aufgabe

Da gibt es einiges zu tun. Bevor nun aber planlos in treibender Vorfreude mit dem Aufbau des Projekts begonnen wird, ist es ratsam, eine kurze Pause einzulegen, in der Gesichtetes geordnet wird. Eine zielführende Vorgehensweise wird festgelegt und im nächsten Repair Talk geht es ans Werkzeug und ans Material. Bis dahin, der Doc.

(erschienen in Gitarre & Bass 07/2021)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Moin,
    für mein Projekt einer selbstgebauten E-Gitarre würde ich diese gerne mit einem Tronical PowerTune System ausrüsten. Um aus deren Programm ein passendes System zu finden, ist Kenntnis zu den Bohrungen des Kopfbrettes erforderlich – z.B. eine Maßzeichnung.
    Bislang habe ich nur Bausätze mit gebohrter Kopfplatte gesehen, da ist eine Maßzeichnung in der Regel schwer zu bekommen. Welchen Bausatz mit ungebohrter Kopfplatte habt ihr verwendet?

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