Es gibt vermutlich nur sehr wenige Musiker, die von sich behaupten können, maßgeblich an der Entstehung und Entwicklung des Progressive Metals beteiligt gewesen zu sein. Ron Jarzombek von WatchTower darf dieses Urteil für sich in Anspruch nehmen, ebenso Chris DeGarmo und Michael Wilton von Queensrÿche, natürlich auch John Petrucci von Dream Theater. Und auch Fates-Warning-Gitarrist Jim Matheos gehört wohl zu den drei oder vier wichtigsten Kräften dieses Genres, die auch im gesetzteren Alter (Matheos ist 58) nichts von ihrer Bedeutung für die internationale Prog-Szenerie eingebüßt haben.
Seit 1984, seit der Veröffentlichung ihres Debütalbums ‚Night On Bröcken‘, sind Fates Warning fester Bestandteil der zeitgenössischen Metal-Szene. Nach dem 85er-Opus ‚The Spectre Within‘ gelang der Gruppe im Jahre 1986 mit ‚Awaken The Guardian‘ ein Meisterwerk des Prog Metals.
Bis heute hat die Band weit mehr als ein Dutzend Alben veröffentlicht, ihr Hauptideengeber Matheos darüber hinaus einige vielbeachtete Werke mit seinem Prog-Rock-Projekt OSI (feat. Keyboarder Kevin Moore, Ex-Dream-Theater) an den Start gebracht und vor vier Jahren sein Soloprojekt Tuesday The Sky installiert.
Womit wir beim Thema sind: Tuesday The Sky zeigt Matheos von einer anderen musikalischen Seite, mit Querverweisen an den Post Rock und bildhaften Ambient-Klängen. 2017 erschien das Debüt ‚Drift‘, ein mit Ausnahme der zwei Gastbeiträge von Anna Lynne Williams, einer aus Seattle stammenden Sängerin/Songschreiberin, reines Instrumentalalbum. Ähnliches gilt auch für die neue Scheibe ‚The Blurred Horizon‘, bei der lediglich in einem Song der Engländer Tim Bowness als Sänger, und bei fünf Nummern sein Landsmann Gavin Harrison (The Pineapple Thief, King Crimson, Porcupine Tree) am Schlagzeug zu hören sind. Matheos erklärt den künstlerischen Twist von den deutlich härteren Fates Warning zu den eher sphärischen Klängen von Tuesday The Sky:
„Es dauert immer ein wenig, bis ich wieder in der richtigen Stimmung bin. Ich hatte gerade ein komplettes Jahr damit verbracht, ‚Long Day Good Night‘ für Fates Warning zu schreiben und zu produzieren. Daher brauchte ich ein paar Wochen, um einen Gang zurückzuschalten und mich auf diesen völlig anderen Ansatz einzulassen. Doch als mir das gelungen war, ging es relativ schnell.“
Matheos gesteht, dass ihm die Kreativpause zwischen der bis dato letzten Fates-Warning-Produktion im Winter 2019/2020 und dem Songwriting für Tuesday The Sky ab Herbst 2020 dabei geholfen habe, ausreichend Abstand zu bekommen und einen vergleichsweise ruhigeren Ansatz zu finden:
„Bei all meinen Projekten lässt es sich natürlich nie ganz vermeiden, dass es auch schon mal die eine oder andere Ähnlichkeit gibt. Ich hoffe nur, dass dies nicht allzu häufig geschieht, denn ich versuche natürlich, sie bewusst getrennt voneinander zu halten.“
Einzige Ausnahme bildet die Covernummer ‚Everything Is Free‘ des Country/Americana-Duos Gillian Welch & David Rawlings aus dem Jahr 2001, einem Überbleibsel der ‚Long Day Good Night‘-Produktion, das ursprünglich als Bonustrack für Fates Warning geplant war.
„Eigentlich sollten gleich mehrere Coversongs für eine Bonus-Disc eingespielt werden“, blickt Matheos zurück. „Für ‚Everything Is Free‘ hatte ich sogar bereits sämtliche Gitarren aufgenommen. Doch dann wurde der Plan verworfen und ich beschloss, den Song für ‚The Blurred Horizon‘ zu verwenden. Alle andere Stücke wurden von mir jedoch speziell für die neue Scheibe komponiert.“
Über sein derzeit bevorzugtes Equipment erzählt Matheos:
PRS CUSTOM 24:
„Ich besitze diese ganz spezielle Gitarre seit etwa 1992 und habe sie seitdem bei jeder Aufnahme und auf den meisten Tourneen gespielt. Während einige andere meiner Gitarren für spezifische Dinge besser sind, ist die PRS Custom 24 ein großartiges und wunderbar ausgewogenes Instrument, das viele Dinge gut kann. Es ist die Gitarre, nach der ich im Studio am häufigsten greife.“
„Die Godin benutze ich oft für cleane Sounds. Sie hat aber auch einen tollen Piezo-Klang. Eine für mich typische Arbeitsweise ist, den Piezo direkt und die Gitarren-Tonabnehmer für zwei Stereospuren zu verwenden. Der Effekt ist ein breiter, wohldosierter cleaner Sound links und rechts und ein akustischer Ton in der Mitte. Die Godin habe ich unzählige Male bei Fates Warning, OSI und auch bei meinem Arch/Matheos-Projekt eingesetzt.“
MESA BOOGIE MK IV:
„Der Mesa Boogie ist mein kürzester Draht zu einem „echten“ Verstärker. Ich benutze ihn seit etwa 1994, seitdem war der MK IV auf jeder Fates-Warning-Scheibe und auf vielen Tourneen zu hören. Er hat einen einzigartigen Klang, ist aber auch sehr vielseitig. Ich benutze ihn hauptsächlich für heavy Rhythmusgitarren. Es dauert zwar eine Weile, bis man genau weiß, wie man ihn am besten einstellt, aber sobald man sich damit zurechtfindet, wird man reich belohnt.“
KEMPER PROFILING AMP:
„So sehr ich meinen MK IV und andere echte Verstärker auch liebe: Man kann nicht leugnen, dass der Kemper großartig klingt, zumal auch die Benutzerfreundlichkeit ein wichtiger Pluspunkt ist. Ein Zeichen der Zeit, dass ich heutzutage oft lieber einen Profiling Amp nehme, anstatt unzählige Stunden mit einem Topteil und einer Box zu verbringen, um die richtige Mikrofonposition zu finden. Die letzte Fates-Warning-Scheibe war meistens eine Kombination aus dem Kemper und meinem MK IV.“
„Die Leute wären sicherlich überrascht, wie häufig ich das POD XT Pro einsetze. Die verzerrten Sounds sind zwar nur okay, deshalb benutze ich sie meistens für Demos. Aber das POD XT Pro hat einige erstaunlich gute Clean-Sounds, deshalb nehme ich das Gerät gerne für abgefahrenere Lo-Fi-Sounds, wie man sie bei OSI und auf dem neuen Album von Tuesday The Sky hören kann.“
TC ELECTRONIC G-MAJOR:
„Das G Major gehörte immer schon zur Grundausstattung meines Live-Racks. Es hat wirklich sehr schöne Chorus- und Delay-Sounds. Ein großartiges Gerät, wenn man nach einer All-In-One-Lösung für Effekte sucht.“
DIAMOND PEDALS TREMOLO / DIAMOND PEDALS VIBRATO:
„Ich liebe beide Pedale! Sie sind extrem vielseitig und klingen wunderbar warm. Das Tremolo-Pedal, auf dem man alle Standard-BPMs eintippen kann, verfügt auch über eine Modus-Taste, mit der sich einige wirklich coole und ausgefallene Rhythmen erzeugen lassen. Ich hatte bereits zahlreiche andere Vibrato-/Chorus-Pedale, aber keines klang so gut wie dieses. Beide Pedale wurden auf beiden Tuesday-The-Sky-Scheiben ausgiebig eingesetzt.“
ACCESS MUSIC VIRUS B:
„Ich bin kein sonderlich versierter Keyboarder (kann mir mal jemand zeigen, wo das mittlere C ist?), aber ich benutze diesen speziellen Synthesizer seit 2000 ausgiebig. Kevin Moore hat ihn auf der ‚Disconnected‘-Scheibe von Fates Warnings gespielt, und nachdem ich es gehört hatte, musste ich unbedingt ein eigenes Exemplar besitzen. Ich habe es auf allen Fates-Warning-Alben seit ‚Disconnected‘ und auf sämtlichen OSI-Veröffentlichungen eingesetzt. Einzigartiger Sound, einige großartige Bass-Patches und Sequences. Es ist das einzige physische Synth-Modul, das ich derzeit besitze.“