Die Tom Robinson Band, ganz rechts Danny Kustow
“Er war das Herz der Band“, sagt Bandboss Tom Robinson über seinen Gitarristen. Mit unbändiger Energie und beseeltem Blues-Feel war Danny Kustow ein Held des Post-Punk der Siebzigerjahre.
„Danny war ein Rätsel: unsicher, aber selbstbewusst, leichtgläubig, liebevoll. Er hatte seine Dämonen, aber auf der Bühne war er frei: großartig, elektrisierend, mächtig, wild. Die Bühne war Dannys Zuhause“, erinnert sich Mark Sikora, Ende der Siebzigerjahre Roadie der Tom Robinson Band.
Robinson, Bassist und Sänger, spielt im Sommer 1977 in London Support-Gigs für The American Housewives und gibt mit ‚Up Against The Wall‘ einen Vorgeschmack darauf, einer der heißesten Acts der kommenden Jahre zu werden. Großen Anteil daran haben die fulminanten Riffs und die furiose Performance seines Gitarristen Danny Kustow. Der meldet sich auf eine Anzeige für den Job als zweiter Gitarrist der TRB und erscheint zur Audition im Hope And Anchor in Islington. Kustow zeigt ein paar Blues-Riffs, steigt dann zu ‚Up Against The Wall‘ ein und hinterlässt einen bleibenden Eindruck: Gitarrist Anton Mauve verlässt daraufhin die Band.
Kustow erlebt den Senkrechtstart des Quartetts mit Schlagzeuger Brian „Dolphin“ Taylor, Keyboarder Mark Amber und Boss Robinson. EMI Records, die gerade die Sex Pistols wegen diverser Skandale gefeuert haben, nehmen die Newcomer unter Vertrag. Angeblich unterschreibt die Band den Deal mit den Worten: „We, the Tom Robinson Band agree to make you, EMI Records, a lot of fucking money.”
Dafür hat die EMI den nächsten Unruheherd im Portfolio. Denn Robinson wettert in seinen Songs gegen die Regierung Margaret Thatcher (‚Man You Never Saw‘), ist Sprachrohr der „Anti Nazi League“ (‚Bully For You‘), kämpft gegen Rassismus und Diskriminierung (‚Power In The Darkness‘) und bekennt sich mit ‚Glad To Be Gay‘ offen zu seiner Homosexualität – eine brisante Mischung, damals im konservativen Königreich Ender der 70er-Jahre.
Die Plattenfirma hat Bedenken. Mitunter selbst die Band. Denn in den Arbeiter-Pubs im Osten Londons wartet bei jedem Gig Ärger. „Manchmal gab es Streit“, erinnert sich Robinson, „aber die meisten Leute sagten uns: Richtig so!“ „Wir alle standen hinter Toms Ansichten“, erklärt Kustow später, „aber alles, was ich wirklich wollte, war in einer erfolgreichen Rock-Band zu spielen!“
Mit ‚2-4-6-8 Motorway‘ gelingt dem Quartett aus dem Stand ein #5 Hit. Der Longplayer ‚Power In The Darkness‘ chartet sogar bis auf Platz 4. Die Songs werden von Kustows griffigen Riffs befeuert, die er seiner 1959er Gibson Les Paul Sunburst (als Ersatz spielt er eine LP Custom) über ein 100-W-Marshall-Head plus 4×12-Cabinet entlockt – ein schlanker, mittenbetonter, rauchiger Sound. Seine Kombination von Riffs mit Singlenote-Licks und einem sehr harten Anschlag ist beeinflusst vom Blues-Rock Paul Kossoffs und Rory Gallaghers. Vor allem von der Spielweise seines Mentors, der Blues-Rock-Legende Alexis Corner.
Und dann ist da Kustows Solospiel mit wütenden, nahezu unkontrollierten, dann wieder gefühlvollen Bendings. Kustow kultiviert einen expressiven Stil aus rotzfrecher Punk-Attitude wie in ‚Man You Never Saw‘ und zärtlichem Blues-Feel wie in ‚To Good To Be True‘. „Dannys Les Paul war das Sprachrohr seiner Seele“, erinnert sich Sikora. „Danny war ein Grenzgänger, unberechenbar, es war spannend zuzuschauen.“
Im Herbst 1978 spielte die Band zwei ausverkaufte Shows im Londoner Hammersmith Odeon. TRB sind in der Oberliga angekommen. Der im März 1979 hastig nachgelegte Nachfolger ‚TRB Two‘ bleibt jedoch hinter den Erwartungen zurück. Die Band, erschöpft vom permanenten Touren, zerbricht. „Danny stieg aus weil er das ständige Touren hasste“, erinnert sich Robinson. Kustow, der wie Robinson seine Jugend in Finchden Manor, einer Therapieeinrichtung für „unangepasste Jugendliche“ verbracht hatte, hatte zunehmend mit sich zu kämpfen.
Im Oktober 1979 gastierte Kustow auf Generation X’s ‚Kiss Me Deadly‘. Anfang der Achtziger taucht er kurz bei Jimmy Norton‘s Explosion und The Spectres auf. Eine Reunion der TRB scheitert 1983 bereits bei der Single ‚War Baby‘. Danach wird es ruhig um Kustow. Er zieht sich nach Bath aufs Land zurück.
Am 11. März 2019 stirbt Kustow an den Folgen einer Leberinfektion. Er wird nur 63 Jahre alt. Tom Robinson organisiert für seinen Freund ein Tribute-Konzert im Londoner Scala Club. „Dannys feuriges Gitarrenspiel war das Herz des TRB-Sounds“, sagt Robinson im Nachruf. Zur Erinnerung stellt er dessen Studiogitarrenspur von ‚2-4-6-8 Motorway‘ bei YouTube online. Dort hört man Kustow mit seiner „Burst“ ein letztes Mal. Ein unvergleichlicher Gitarrist. Ein Verlust.
(erschienen in Gitarre & Bass 07/2021)