Es gibt legendäre Gitarren, es gibt legendäre Amps. Und es gibt legendäre Effektgeräte. Manche haben wirklich Musikgeschichte geschrieben. Dazu gehört mit Sicherheit das Mu-Tron III. Es war einzigartig bei seinem Erscheinen, betörte Stevie Wonder und den Rest der Rhythm-‘n‘-Blues- und Soul-Szene und gilt seither unter den VCF-Wahs als die Referenz schlechthin.
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Mu-Tron reloaded, was eigentlich schon das Gehäuse und die Bedienungselemente verraten, es handelt sich um eine Neuentwicklung, basierend auf dem ursprünglichen Modell des Vaters und Entwicklers der Mu-Tron Produkte. So gesehen bewirbt der deutsche Vertrieb das Produkt mit dem Titel von Mike Beigel’s Facebook-Seite: „The Mu is back“. Mike sagt selbst: „Wenn du den originalen Sound und Schaltkreis des Mu-Tron III willst, kaufe bitte ein originales altes gebraucht, oder noch besser eines meiner neuen Produkte, das Q-Tron, oder Q-tron+ von Electro-Harmonix“. Sieh an, mit dieser Company ist er also auch verbandelt. Einen Schluck Historie gefällig? Mike Beigel hat 1971 begonnen als Entwickler von Prototypen für Musikprodukte zu arbeiten. Schon damals hieß die Firma „Beigel Sound Lab“. Sie arbeitete für Guild an einem Synthesizer. Durch den tragischen Tod des Guild-Präsidenten Al Dronge fand das Projekt ein jähes Ende.
Aus Teilen davon entwarf Beigel Sound Lab einen Envelope Controlled Filter, woraufhin die Firma Musitronics gegründet wurde, und neben anderen das Mu-Tron III entstand. Die Phaser aus der Zeit, u. a. der Bi-Phase, haben ebenfalls Kultstatus erreicht. Ja, Musitronics war damals eine echte High-End-Marke. Sie wurde 1978 an Arp-Instruments verkauft und Mike Beigel arbeitete in der Folgezeit als technischer Berater. Die Zusammenarbeit mit Mike Matthews bei Electro-Harmonix begann 1996. Das neue Beigel Sound Lab Mu-Tron 3X wurde von Mike Beigel in den USA entwickelt und es wird auch dort hergestellt.
Konstruktion
„X“ = extended? So ist es vermutlich gemeint. Das originale Mu-Tron III verfügt über einen Mode-Dreiwegschalter zur Bestimmung des Klangs des Wah-Effekts (LP/Low Pass, BP/Band Pass, HP/High Pass), zum Einstellen der Ansatzschwelle den Level Regler. Das Peak-Poti bestimmt die Intensität des Effekts. Neben dem Power Switch bestimmt der Schalter Drive, ob das Wah beim Attack im übertragenen Sinne nach vorne oder hinten durchgetreten wird, bzw. aufmacht oder schließt. Der Schalter Range entscheidet, ob das Wah in einem tieferen oder höheren Frequenzbereich arbeitet.
Diese Parameter finden sich auch bei dem neuen Modell wieder. Mode hat sogar eine zusätzliche Position namens Mix, in der das Originalsignal mit Mode LP gemischt wird Ergänzend zum Mu-Poti kann der Peak-Regler aktiviert werden, der einen Preamp steuert. Nicht nur dadurch wurde der Funktionsbereich ausgedehnt, sondern auch die Filterintensität an sich hat Mike Beigel ausgeweitet. Die eine LED zeigt an, ob das Signal in die Verzerrung geht, die andere verdeutlicht optisch, ob/dass die Obergrenze der Wah-Hüllkurve erreicht ist. Die Elektronik ist in einem dickwandigen Aluminiumgehäuse untergebracht. Bis auf den Fußschalter befinden sich alle Bauteile, überwiegend in SMD-Bauform, auf einer engen bedruckten Leiterbahnenplatine. Professionelle Verarbeitung, solide und zuverlässig in der Anmutung.
Praxis
Was ist denn eigentlich so toll am Mu-Tron III? Nun, einerseits waren damals bei seinem Erscheinen die Einstellmöglichkeiten revolutionär und sind – man glaubt es kaum – in dem Umfang auch heute noch, zumindest an analogen Auto-Wahs, selten bis nicht zu finden. Davon abgesehen ist der gleichzeitig warme und intensive Sound des Effektes eine Größe für sich – es quackt ausgesprochen vokal. Daran muss sich das neue MuTron bis zu einem gewissen Grad messen lassen, auch wenn Mister Beigel versucht, diesbezüglich den Ball flach zu halten.
In einem Nebensatz spricht er aber dann doch selbst davon, dass man in gewissen Einstellungen den alten Wah-Sound mit dem neuen Pedal reproduzieren kann. Prüfen wir es doch einfach: Ich bin seit vielen Jahren erklärter Fan des Mu-Tron und setze meine inzwischen ziemlich abgerockte Kiste nach wie vor immer wieder gerne ein. Klares Ergebnis des Vergleichs: Ja, Unterschiede im Klang sind zu hören. Das alte quackt in subtiler Weise etwas mehr von unten, aus tieferen Frequenzen heraus, wobei man natürlich nicht weiß, inwieweit in ihren Werten gedriftete Bauteile dafür verantwortlich sind.
Davon abgesehen ist die grundsätzliche und entscheidende Erkenntnis aber, dass die typischen Anlagen nahezu deckungsgleich getroffen sind. Wozu insbesondere gehört, dass der Filter mit einer gewissen Explosivität öffnet/schließt, sozusagen die Klappe weit aufreißt und schließt. Das neue Mu-Tron 3X wirkt indes eleganter, im positiven Sinne Hi-Fi-mäßig transparenter und geschmeidiger in der Wiedergabe. Die hintergründig auftretenden typischen kehligen „Verzerrungen“, die bei extremeren Einstellungen einen besonderen, markanten Charme ausmachen, sind aber nach wie vor da.
Die diversen Einstellmöglichkeiten sorgen für noch breiter gefächerte Fähigkeiten. Das ist schlichtweg ein Auto-Wah für jede Gelegenheit – hoher Kreativitätsfaktor inbegriffen. Zwei Dinge stellen ein entscheidendes Plus dar: 1. Im (True-) Bypass-Modus ist der MuRegler inaktiv, weil das Pedal dann nicht mehr im Signalweg liegt; anders als im alten Mu-Tron III, wo das Pendant, der Gain-Regler, stets den Pegel bestimmt. Punkt 2: Dank des zusätzlichen Pre-Potis kann die Effektlautstärke verändert werden, auch das kann/konnte das alte Mu-Tron III nicht.
Resümee
Wer in Sachen Auto-Wah die finale Lö- sung sucht, ist beim Mu-Tron 3X an der richtigen Adresse. Es verbreitet in der Klangkultur maximal musikalischen Charme und glänzt darüber hinaus mit sehr großer Variabilität. Dass man für ein Gerät dieser Qualität etwas mehr Geld auf den Tisch legen muss, versteht sich wohl von selbst. Tja, es war schon immer etwas kostspieliger, einen anspruchsvollen Geschmack zu haben. Allerdings, wenn man bedenkt, wie viel schon manches „schnöde“ Distortion-Pedal kostet, ist das Mu-Tron 3X nicht einmal wirklich teuer. Sehr empfehlenswert.