Das Alvarez-Team scheint auch einiges vorzuhaben auf dem deutschen Markt, denn wo andere sich rar machten, präsentierte sich Alvarez auf der Frankfurter Musikmesse mit einem attraktiven großen Stand – und neuem Vertrieb. St. Louis spielt auf Angriff. In vier Linien unterteilt sich die umfangreiche Modellpalette mit einer Range von grob gesagt € 200 bis € 3000. Wir haben es hier mit den Dreadnoughts aus der Elite Masterworks Serie zu tun. Das Label im Korpus verrät uns: Designed in St. Louis, U.S.A. Handcrafted in Japan.
Obwohl die beiden Gitarren, die bis auf Cutaway und Pickup bei der CE identisch sind, „ganz normale“ Dreadnoughts sind, verströmen sie eine Aura von Eleganz, Qualität und Eigenständigkeit. Und das auf ganz ehrliche Art – mit guten Materialien und stimmigem Design. Die Decken sind aus massiver, sehr ebenmäßiger AA-SitkaFichte, Zargen und Böden aus Indian Rosewood. Voneinander abgesetzt werden diese Korpuselemente durch Bindings aus geflammtem Ahorn. Das Schallloch ist dezent aber schick mit einer schmalen Holz- und einer Abalone-Umrandung verziert.
Großen Wiedererkennungswert hat der Steg aus Ebenholz mit seiner unaufgeregten aber speziellen Form. Die hochwertigen Saitenpins (ebenfalls Ebony) sitzen auf einer tiefergelegten Ebene und gehen so einerseits dem Handballen aus dem Weg und sorgen andererseits für guten Saitendruck und somit Schwingungsübertragung auf die Stegeinlage. Die ist im Übrigen, genau wie der perfekt gefeilte Sattel, aus Knochen gefertigt. Die Distanz zwischen diesen beiden Bauteilen (die Mensur also) beträgt 648 mm. Der im Gegensatz zum perfekt hochglanzlackierten Body seidenmatt gehaltene Hals ist aus einem Stück Mahagoni gearbeitet. Er trägt ein Griffbrett aus schö- nem dunklen Ebenholz mit 20 kräftigen, tadellos eingesetzten und polierten Bünden und nur einer geschwungenen MoP-Einlage im 12. Bund. Mehr Orientierungshilfe findet man auf der Griffbrettkante in Gestalt kleiner weißer Dot-Inlays.
Die Kopfplatte hat zwar einen schlichten Umriss, zeigt aber doch eine Menge Eleganz, erzeugt durch die Auflage aus Palisander, die das Korpusholz zitiert, die Pearl-Einlagen für Firmenname und -logo und die hochwertigen, güldenen Mechaniken von Gotoh. Sie sorgen mit ihrer großen Übersetzung für präzises Tuning und mit ihren Stimmwirbeln aus Ebenholz für tolle Optik. Überhaupt sind diese beiden Alvarez-Modelle Aushängeschilder japanischer Gitarrenbau-Kunst. Die Makellosigkeit der Lackierung, die handwerkliche Präzision, die werkseitige Abstimmung – das macht schon Eindruck. Und dann ist da ja noch das Pickup/Preamp-System der D70CE, die ja darüber hinaus auch mit ihrem Cutaway Punkte bei den Solisten unter uns sammeln kann.
Das System wurde von B-Band für Alvarez gebaut und basiert auf zwei Tonabnehmern. Zum einen ist da ein üblicher PiezoPU unter der Stegeinlage, zum anderen ist da noch ein Transducer innen auf der Decke. Die Regeleinheit hat – dafür, dass sie innen am Schalllochrand sitzt – eine ganze Menge zu bieten. Mittels zweier Rädchen lassen sich Volume und Mischverhältnis der Pickups regeln. Letzteres ist von zentraler Bedeutung – je mehr Transducer man dem Piezo beimischt, desto mehr Luft und Natürlichkeit bekommt der Sound, das Ganze wird dann aber auch zunehmend rückkopplungsempfindlicher und Touchsensibler. Das muss jeder für sich ausreizen. Auf dem Preamp sind auch noch ein Batterie-Lämpchen, ein Phase-Taster und zwei Gain-Regler für die Empfindlichkeit der beiden Pickups. Diese lassen sich am besten mit einem kleinen Kreuzschlitz-Schraubendreher justieren. Signalausgabe ist am hinteren Gurtpin – fertig.
https://www.youtube.com/watch?v=X2NeQr6OMSo&feature=youtu.be
https://www.youtube.com/watch?v=X2NeQr6OMSo&feature=youtu.be
Die mattlackierten Hälse liegen prächtig in der Hand, man ist sofort zu Hause auf diesen D70s. Die Werkseinstellung von Intonation und Saitenlage ist perfekt – das erwarte ich aber auch von Gitarren dieser Preisliga. Hier bietet sich jetzt die seltene Gelegenheit, im direkten Vergleich zu erforschen, ob und wenn welcher Sound-Unterschied zwischen einer Dreadnought mit und einer ohne Cutaway besteht. Spielt dieser Korpusausschnitt überhaupt eine Rolle beim unverstärkten Klangbild? Yes, it does! Und dass über alle Frequenzbereiche. Das Modell ohne Cutaway hat ein Quäntchen mehr sonoren Groll in den Bässen, einen Tick mehr Durchsetzung in den Mitten und etwas mehr Kraft in den Höhen.
Wobei wir hier über Nuancen im Highend-Bereich sprechen, denn die beiden Ladies aus St. Louis machen eindeutig klar, wie Dreadnoughts mit Referenz-Niveau zu klingen haben: voluminös, holzig-trocken, perkussiv, laut und strahlend. Und diese Messerspitze „Weniger“ von allem kann letztendlich für die CE sogar eher von Nutzen sein, wenn es um Feedback-Vermeidung und Durchsetzung in einer Band geht. Toll klingen tun sie beide, und die Bespielbarkeit macht sie zu Oberklasse-Allroundern für Fingerstyler, Singer/Song-Begleitung, Bottleneck-Blueser oder Bluegrass-Speedfreaks gleichermaßen.
Der verstärkte Sound der D70CE lässt sich mittels Blend-Regler wunderbar feinjustieren und bekommt idealerweise so viel Atem vom Unter-Decken-Transducer, wie die jeweilige Spielsituation zulässt.
Resümee
Feine Gitarren, diese beiden Vorzeige-Alvarez. Da liegen Sachverstand, Erfahrung, Sorgfalt, Qualität und Geschmack in der Waagschale und lassen die nicht geringen Preise doch völlig angemessen erscheinen. Ein Koffer müsste allerdings eindeutig enthalten sein.
Plus
• tolle Hölzer
• feine Mechaniken
• Verarbeitung, Einstellung, Lackierung extrem lecker
• Dreadnought-Sound vom Feinsten
• beste Allround-Qualitäten bei Bespielbarkeit und Handling
Minus
• kein Koffer inklusive