Master-Class beinhart

Friedman SS-100 Steve Stevens Amp im Test

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Der Friedman SS-100 Steve Stevens Signature Amp basiert auf der gleichen Grundlage wie der Brown Eye Amp von Friedman. Ein hochstabiles, oberflächenveredeltes Stahlblechchassis, stehend montiert in einem traditionell konstruierten Schichtholzgehäuse, innen freie Verdrahtung der Bauelemente auf einem Lötösen-Board, die Technik im Kern ein Derivat von Marshalls Modell 1959. Wie sich das Konzept Tonal anhört, zeigt dir der Videotest des Friedman SS-100 Steve Stevens Signature Amps.

Friedmann Amp im test

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Dave Friedman ist ganz nahe dran an den VIPs der US-Gitarrenszene. Seit 25 Jahren macht er schon Reparaturen und Modifikationen, woraus letztlich ja auch das Projekt eigene Verstärker zu entwickeln entstanden ist. Auch der Kontakt zu Steve Stevens besteht schon längere Zeit. Er spielte schon eine Weile zwei Friedman Marsha (derzeit nicht im regulären Sortiment), bevor der Startschuss zum Signature-Topteil fiel. Verwundern darf es nicht, dass Steve und Dave zusammen kamen: der eine favorisiert schon seit den Frühzeiten seiner Karriere (alte) Marshalls, der andere ist renommierter Fachmann im Tuning derselben. Womit schon vorgezeichnet ist, wohin beim SS- 100 die Reise geht.

Konstruktion des Friedman SS-100 Steve Stevens Amp

Unser erster Kontakt mit einem FriedmanAmp ist gut ein Jahr her. Dank der Initiative von Musik-Produktiv in Ibbenbüren, wo man sich gerade des Vertriebs der Edelmarke angenommen hatte, konnten wir in G&B-Ausgabe 01/2013 das Modell Brown Eye ausführlich in einem Test vorstellen. Was für ein Erlebnis, glorreicher kann man sich den klassischen Marshall-Sound kaum vorstellen. Konstruktiv basiert der SS-100 auf denselben Grundlagen. Ein hochstabiles, oberflächenveredeltes Stahlblechchassis, stehend montiert in einem traditionell konstruierten Schichtholzgehäuse, innen freie Verdrahtung der Bauelemente auf einem Lötösen-Board, die Technik im Kern ein Derivat von Marshalls Modell 1959.

Die 100-Watt-Gegentaktendstufe mit vier 4 EL34/JJ stimmt sogar 1:1 überein, wie mehr oder weniger auch das Netzteil. Der ganze Mojo spielt sich also hauptsächlich in der Vorstufe ab, bzw. er ergibt sich aus der geschickten Wahl qualitativ „idealer“ Bauelemente und einer spezifischen Abstimmung der Spannungsverhältnisse. Abgefahrene, besonders exotisch-erlesene, audiophile Kondensatoren und Widerstände sucht man vergeblich. Nein, auch Dave Friedman greift zu den in der Boutique-Szene allgemein üblichen Produkten, wie zum Beispiel Mallory-150 und Silver-Micas als Kondensatoren im Signalweg.

Ein unübersehbarer Unterschied zum einkanaligen Brown Eye ist, dass Steve Stevens’ Signature-Modell zwei eigenständige, vollwertige Kanäle zu bieten hat. Im althergebrachten Muster, Clean und Lead/Distortion, hier SS genannt. Natürlich ist die Clean-Sektion die zusätzliche Funktionsgruppe. Dave nennt sie einen California-Style-CleanChannel; alles klar, da stand also vermutlich eine Blackface-Fender-Schaltung Pate (für die technisch interessierten: Tone-Stack mit zweimal 22 nF und 250 pF). Der BrightSwitch hat drei Positionen, womit zwei unterschiedliche Höhen-Bypass-Kondensatoren auf das Volume-Poti geschaltet, oder eben deaktiviert werden können. Das ist die traditionelle Bauart, bei der die Wirkung der Bright-Anhebung weniger wird je weiter man den Volume-Regler aufdreht.

Anders als auf der (wohl etwas hinterherhinkenden) Webseite angegeben, hat der SS- 100 an der Rückseite keinen Schalter für zusätzliches Gain, sprich mehr Verstärkung, mehr Verzerrung. Zum Glück wurde der aber nicht wegrationalisiert. Der aktuelle Stand ist, dass die Funktion in den Kanalwahlschalter an der Front integriert ist. Statt zwei, hat er nun drei Positionen: Clean-SSSS+. Die Modi können aus der Ferne angewählt werden. Ein Zweifach-Fußschaltpedal mit Status-LEDs gehört zum Lieferumfang. Schön, dass das Anschlusskabel mehr als sieben Meter lang ist. Ob aber in der Preislage so eine billige Qualität mit angeschweißten Steckern angemessen ist, bleibt doch fraglich. Die Schaltvorgänge werden intern über Relais umgesetzt. Einziger Luxus in dem gradlinigen Konzept ist ein serieller Effektweg. Die zwei Trioden einer 12AX7 sorgen für die elektrische Anpassung. Die Signalstärke ist hinter dem Return-Input regelbar, aber eine Nachverstärkung über das 1:1-Verhältnis hinaus ist nicht möglich.

Der SS-100 besitzt ansonsten noch einen regelbaren Line-Ausgang, der das Lautsprechersignal mit abgeschwächtem Pegel anbietet. Dass die Verarbeitung auf höchstem Niveau liegt, versteht sich von selbst. Alles andere wäre bei dem Preis inakzeptabel. Man braucht sich im Übrigen auch keine Sorgen darüber zu machen, dass die Röhren sämtlich frei, ohne Halterungen in ihren Fassungen stehen. Die Kontakte packen derart fest zu, dass Halteklammern o. ä. schlichtweg überflüssig sind. Das stabile Chassis überzeugt mit perfektem Finish. Das Gehäuse steht dem in nichts nach. Edle Anmutung. Der Pfennigfuchser in mir hat dann aber doch ein Haar, nein zwei, in der Suppe gefunden: Eine der Rückwandschrauben wurde schräg ins Holz gedengelt und das Plexi-Panel an der Rückseite war locker.

Friedman SS-100 Steve Stevens Amp in der Praxis

Aber hallo, das ist eine andere Nummer als der fett und durchaus tragend aufspielende Brown Eye. Mit Schmeicheleinheiten hält sich der SS-100 weitgehend zurück. Im Vordergrund steht bei der Sound-Formung Durchsetzungskraft und energiereiche Dynamik. Aber das war ja zu erwarten, für den, der Steve Stevens’ Ton und Spielweise kennt. So ist die Bezeichnung California Style Clean Channel mit Vorsicht zu genießen. Sonnig und lieblich ist an dem Kanal wenig, weil den frischen, transparenten Höhen eine gewisse Strenge innewohnt.

Nein, sie sind nicht unangenehm hart, nur resolut, durchsetzungswillig. Auf den ersten Ton mag die Wiedergabe wenig spektakulär sein bzw. ungeübte Ohren nehmen vielleicht seine besonderen Qualitäten gar nicht wahr. Ihn zeichnet ein feiner Detailreichtum aus, der zum Beispiel im Ausklang die Facetten des Instruments lebendig darstellt. Auch ist das Mittenspektrum nicht überfrachtet. Selbst relativ kräftige HumbuckerTonabnehmer gewinnen dadurch klare Konturen. Im Gegenzug wirken VintageStrats/-Teles u. ä. betont schlank.

Sie fülliger zu machen, ist nur begrenzt möglich, denn die Klangregelung arbeitet zwar nachhaltig, kann aber (nicht vorhandenes) Volumen nicht ausgleichen. Der Clean-Kanal ist nicht auf absolute Übersteuerungsfestigkeit ausgelegt. Je nach Leistung der Tonabnehmer beginnt er bei ca. 50 bis 60 Prozent des Volume-Pegels in Overdrive umzukippen. Das macht er wesentlich subtiler als man es gemeinhin von einem klassischen MarshallAmp erwartet. Hier manifestiert sich dann doch der California-Style. Zumal sich im Attack eine freundliche Nachgiebigkeit einstellt. An dem Punkt grenzt sich der SS 100 von reinen Metal-Verstärkern ab. Die setzen nämlich im CleanKanal eher auf kristallklare Stabilität bei hoher Lautstärke.

Im Distortion-Kanal steht der SS-100 dem klassischen Plexi-Sound näher als den getunten High-Gain-Konzepten der Spezies – ich habe es oben ja schon angedeutet. Klar, es steht viel mehr Gain und Verzerrungsintensität zur Verfügung als beim Urahn aus den späten Sechzigern, dies mündet jedoch nicht in vordergründige Kompression. Zwar ist der Distortion-Charakter viel feiner in der Auflösung, doch im Höreindruck und dem Spielgefühl ist die Klangformung so kernig wie ehedem.

Nein, der SS-Kanal macht es einem wirklich nicht leicht. Präzises Hinlangen ist Pflicht, sonst wird man abgewatscht. Steve Steven ist das gerade recht. Abgesehen davon, ob er den persönlichen Geschmack trifft: Mal genau hinsehen/hinhören, bei dem Herrn kann man lernen was eine meisterlich gekonnte, überzeugende Tonformung ist. Obwohl der Distortion-Kanal grundsätzlich präzise und transparent mit dem Gitarrensignal umgeht, „schmiert“ die Wiedergabe zuweilen ein wenig. Gerade in komplexeren Akkorden bindet der Amp ab und an die einzelnen Saiten zu einem Klangblock zusammen. Kleine Umspielungen müssen daher technisch entschlossen ausgeführt werden, sonst gehen sie leicht unter. Richtig, das Rezept lautet wie so oft „weniger ist mehr“, sprich man sollte in der Tendenz eher wenig Gain einstellen. Wie auch immer, für Riffs und Akkord-Comping ist die erste Gain-Ebene des SS-Kanals mehr als ausreichend. Mr. Stevens ist damit angeblich auch schon voll bedient. Demnach ist der SS+-Modus lediglich eine Zugabe (Zitat aus dem Infomaterial: „… er (Steve) dachte, es wäre für die Gain-Heads da draußen eine gute Idee um leiser in Schlafzimmerlautstärke zu jammen.“).

Eine sehr willkommene, in der Tat, weil sicher für viele Spieler dieser Nachbrenner die bessere, wenn nicht notwendige Alternative darstellt. Abgesehen davon, dass der Distortion-Sound dank deutlich dichterer Mitten in sich komplexer und voluminöser wird, spielt sich der SS+-Modus um einiges bequemer. Zusätzlich intensiviert sich der Biss in den Höhen, womit das Obertonspektrum sensibler und extrovertierter dargestellt wird. Da schreit er, die Flageolett-Noten platzen in den hohen Tonlagen förmlich aus den Lautsprechern. Scharfe Anschläge über die Plektrumkante auf den tiefen Saiten werden in der Hinsicht ebenfalls sehr lebendig umgesetzt. Ich möchte die Aufmerksamkeit potentieller Interessenten noch auf zwei andere Aspekte richten. Erstens, es ist bezeichnend für die Klasse des SS-100, dass er bei lang ausklingenden Tönen detailliert bleibt, sie luftdicht und transparent abebben lässt. Der zweite Hinweis bezieht noch einmal auf die Mitten.

Man achte beim Anchecken des Amps einmal darauf, wie die sich im SS- Kanal beim Herunterregeln des Guitar-Volumes verhalten. Es geht nicht einfach Verzerrungsintensität zurück, sondern das Mittenspektrum dünnt sich gezielt aus. Solche Feinheiten können für den anspruchsvollen Spieler von entscheidender Bedeutung sein. Jedenfalls, um es allgemeingültig zu sagen, reagiert der Amp in der Hinsicht ausgesprochen günstig. Um richtig in Gang zu kommen, braucht der SS-100 Lautstärke, typisch für die Verstärker dieser Kategorie. Man muss sogar sagen, dass für den optimalen Sound mindestens ein Quäntchen Endstufenverzerrung sein muss. Also ist der Verstärker kein Leisetreter. Ihn sollte nur in Betracht ziehen, wer wirklich in einer entsprechenden Umgebung arbeitet. Womit wir abschließend zum einzigen Extra kommen, dem seriellen Einschleifweg. Er bewegt sich im Pegel nominal bei ca. 0 dBV/775 mV. Wie verhält er sich qualitativ? Die Antwort lautet erfreulicherweise kurz und bündig, dass er perfekt funktioniert. Schade ist allerdings, dass man den Status nicht fernbedienen kann. Aber gut, was darf man meckern, wenn Steve das so will.

Alternativen

Obwohl die Familie der am Marschall-1959- Plexi orientierten Verstärker nicht gerade klein ist, halte ich die Qualitäten des SS-100 letztlich für so spezifisch, dass ich keinen direkten Gegenspieler auf dem Markt sehe.

Resümee

Vergleichsweise moderat im Gain angehoben, steht der SS-100 noch relativ nahe am Vorbild. Tonal ist das Konzept maximal ausgereizt. Die Distortion-Sektion bildet den begehrten traditionellen Charakter mit äußerster Eleganz ab und ist obendrein ausgesprochen variabel. Erst durch den stramm ansprechenden, aber durchaus charismatischen Clean-Kanal wird der SS-100 ein universell einsetzbarer Verstärker. Aber Achtung, der ist nichts für Weicheier. Nur wer sauber spielt, wird von ihm belohnt. Dass man für die Crème de la Crème teuer bezahlen muss, ist nichts Neues. Da die Performance und die Substanz des SS-100 schlichtweg zur absoluten Spitzenklasse gehört, sollte man den hohen Preis aber ohne zu große Bedenken verdauen können.

 

Plus

• markante Sounds, hohe Variabilität

• hohe Dynamik, hohe Gain-Reserven

•sensible, direkte Ansprache

• Zerrverhalten

• Transparenz: Darstellung von Details

• geringe Nebengeräusche

• exzellente Verarbeitung Qualität der Bauteile

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