Vor etwas über 20 Jahren beschloss Aleš Vychodil, sich einen Bass zu bauen, da ihm von der Stange keiner so recht zusagte. Der Rest, wie man so schön sagt, ist Geschichte. Spätestens seit seine Instrumente in den Händen von Bassisten wie Keith Duffy von The Corrs und Paul Turner von Jamiroquai auf den großen Bühnen auftauchten, sind sie nicht mehr wirklich Geheimtipps.
Bei Gitarre & Bass war bislang kein Test zu finden. Um das zu ändern, war Aleš so freundlich, mir eine seiner jüngsten Kreationen zu überlassen. Was der tschechische Bassbauer aus der Nähe von Zlin zu bieten hat – lest selbst!
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IN EDLEM ZWIRN
Der geschraubte Hals ist aus einem Stück herrlich gleichmäßig gemasertem Riegelahorn mit stehenden Jahresringen, das aufgeleimte Griffbrett ebenfalls aus Ahorn mit leichten Vogelaugen. 21 Medium-Jumbo-Bünde sind hier eingesetzt, der Orientierung dienen Perlmutt-Dots vorne und in der Flanke. Die gesamte Vorderseite des Halses inklusive des Matching-Headstocks mit dem schicken Logo- und Namens-Inlay wurde mit UV-Lack hochglanzlackiert, die Halsrückseite dagegen ist matt.
Unverkennbar sind die ultraleichten Mechniken von Hipshot mit Lollipop-Flügeln, die das „Gesicht“ der Kopfplatte mitprägen. Um Kopfplatte und Korpus perfekt abzustimmen, wurden beide mit der gleichen Maserpappel belegt, Furnier beim Headstock, eine ordentlich dicke Lage beim Body. Die kirschrote Lackierung präsentiert die tolle Maserung fast dreidimensional und ist dabei so dünn, dass man bei entsprechendem Lichteinfall die Beschaffenheit des Holzes erkennt.
(Bild: Dieter Stork)
Die Basis des Korpus besteht aus asymmetrisch zweiteiliger Sumpfesche, von der Decke abgesetzt mit einer Zwischenlage Palisander, die an den Abrundungen als natürliche Einfassung zur Geltung kommt. Die solide Brücke kommt ebenfalls von Hipshot, wie die gesamte Hardware in Schwarz, was dem Bass ein schönes Understatement verleiht. Sie bietet Einstellmöglichkeiten für Oktave und Saitenlage, ohne dass etwas verrutschen oder rappeln könnte.
Der Saitenabstand ist auf 18 mm festgelegt, die Saiten werden mit den Ballends einfach eingehangen – wie ich finde, immer eine super Lösung, weil der Saitenwechsel schnell vonstattengeht und die Saiten intakt bleiben, wenn man z. B. mal zwischen Flats und Rounds wechseln möchte. Dagegen ist der durchgehende Niederhalter, den man zum Wechsel am besten komplett abschraubt, etwas lästig.
Bei den Pickups hat sich Aleš für Bartolinis entschieden, die schon seit einigen Jahrzehnten für den guten Ton (nicht nur) bei Edelbässen sorgen. Die X5-Candybars sind im Prinzip Jazz Bass-Abnehmer ohne die Befestigungsohren und als doppelspulige Humbucker gebaut. Der eigene AV-Bass-Dreiband-EQ sorgt für die Regelmöglichkeiten mit Volume, Balance, Bass sowie Mitten und Höhen als Doppelpoti. Ein Zug am Volume-Regler schaltet den Bass passiv, womit das Basspoti zur passiven Höhenblende wird.
Im E-Fach sieht es sehr aufgeräumt und sauber abgeschirmt aus, die Elektronik bietet intern noch ein Trimpoti zum Abgleich des aktiven Signals. Nettes Detail: Der E-Fach-Deckel ist aus Holz. Praktisches Detail: Das Batteriefach ist im Deckel eingelassen, leicht zu öffnen und ermöglicht ohne Batterieclip einen schnellen und sicheren Tausch des 9-Volt-Blocks.
MIT FEINEM CHARAKTER
An einem Nylongurt hängt der AVJM5 tendenziell waagerecht, was sich aber problemlos beherrschen lässt. Ein vielversprechender Anfang, der in der mühelosen Bespielbarkeit seine Fortsetzung findet. Das flache C-Profil des Halses liegt wie selbstverständlich in der Hand. Der Korpus, der Jazz-Bass-ähnliche Züge, aber eigene Linien und Shapings hat, liegt bequem am Körper an. Der Bass spielt sich wie von selbst und das Phrasenschwein füllt sich. Wenn gewünscht, ist eine fantastisch niedrige Saitenlage möglich, bei der dennoch jeder einzelne Ton mit sauberem Attack steht und mit Substanz ausklingt.
Stützt man den Daumen auf den Pickups ab, ist der Abstand zur tiefsten Saite etwas größer als gewohnt, darauf habe ich mich aber schnell eingestellt. Die beiden Bartolinis sitzen in der 60s-Position, und so klingt es am Amp dann auch. Warme Mitten und präsente, aber unaufdringliche Höhen prägen den edlen Ton. Da die passive Höhenblende nur auf einem halben Potiweg beim Bassregler stattfindet, ist eine präzise Dosierung minimal schwieriger, wie fast immer bei dieser Lösung, aber mit sehr guten klanglichen Ergebnissen.
Ich bin leicht irritiert über die Ausrichtung der eigentlich gut abzulesenden Markierungen der Potiknöpfe, die außer beim Volume-Regler konsequent unablesbar von mir weg zeigen, aber das ist ja mit einem Schraubendreher schnell geändert. Genauso leicht zu ändern wäre der Lautstärkesprung, der mit dem Umschalten auf aktiv einhergeht. Da die Pickups parallel verdrahtet sind, geben sie zwar einen sehr feinen, klaren Klang mit den für Bartolini-Pickups typisch samtigen Mitten von sich, sind aber auch recht leise.
Im Aktivmodus ist die Elektronik so geboostet, dass das Signal normal laut ist, nur ein nahtloses Umschalten von aktiv auf passiv geht so nicht. Also muss man sich überlegen, ob das möglich sein soll. Dann müsste der aktive Output entsprechend reduziert werden und der Bass wird insgesamt leise, oder man lässt es wie es ist. Wie auch immer die Entscheidung ausfällt – auch der breitbandige aktive Sound überzeugt. Am Anfang muss ich mich etwas konzentrieren, ich erwarte instinktiv immer Bässe und Höhen in einem Poti statt Höhen und Mitten.
Der AV-eigene Equalizer arbeitet dafür sehr schön musikalisch und übertreibt es mit den Regelmöglichkeiten nicht. Runtergedrehte Höhen lassen den Ton trotzdem definiert, angehobene Bässe werden nicht schwammig, und die Mitten sorgen für deutliche Ortbarkeit oder elegante, cleane Absenkungen.
Beeindruckend und quasi die Definition eines Edelbasses ist dabei die gleichmäßige Ansprache aller Töne, auch auf der H-Saite. Die ist nicht nur, wie Tester gerne schreiben, gut eingebunden, sondern steht so vollwertig neben der E-Saite, wie es physikalisch möglich ist.
(Bild: Dieter Stork)
RESÜMEE
Der AVJM5 ist in einer Liga mit den üblichen Verdächtigen aus Übersee anzusiedeln, sei es New York oder Ontario, oder auch heimischen Gewächsen. Auf der Basis des guten alten Fender Jazz Basses wird hier eine moderne Interpretation ausformuliert, die gehobenen Ansprüchen problemlos standhalten kann – und dabei individuell anpassbar ist, da Aleš überwiegend auf Bestellung baut. Außer dem einen Wermutstropfen, dass der Bass passiv sehr leise ist, gibt es nichts an diesem Prachtbass auszusetzen. Für das Gebotene ist der Vychodil sogar günstig, Fertigungs- wie Soundniveau sind schlicht beeindruckend!
PLUS
● Pickups und Elektronik
● Bespielbarkeit
● Verarbeitung
● tiefe H-Saite
● Werkseinstellung
● Gigbag