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Vintage Guitar Stories: 1964 Epiphone FT-45N Cortez

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In einer Label-orientierten Welt haben es Gitarren schwer, mit denen sich kein populärer Name verbinden lässt. Wer aber unabhängig davon auf instrumentale Klasse aus ist, der findet unter diesen Schläfern gelegentlich großartige Instrumente.

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Nach der Übernahme 1957 durch die Gibson Company kam ein Großteil der Epiphone-Modelle in starker Analogie zu den Gibson-Designs an den Markt. Ted McCarty erhielt zwar den ehrenwerten Markennamen, unterwarf das erneuerte Epiphone-Programm aber im Wesentlichen der bereits eingeführten Design-Struktur und konnte schon ab 1958 mit diesen den Gibson Electrics und Acoustics in Form und Struktur stark verwandten Modellen ganz gezielt einen großen, von Gibson-Produkten wegen damaliger Vertragshändlerbindungen bisher ausgeschlossenen Kundenkreis bedienen. Eine höchst erfolgreiche Strategie, denn in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre stellten Musikinstrumente der Marke Epiphone bereits etwa ein Drittel von Gibsons Gesamtproduktion.

Die FT-45 Cortez kam als Pendant zur Gibson LG-2 heraus, verfügt auch über deren „Concert Size“, was ziemlich genau der Korpusgröße einer modernen Konzertgitarre entspricht und wurde wie die LG-Modelle auch in Kalamazoo von den Gibson-Luthiers aus vergleichbaren Materialien gebaut. Zum Einsatz kamen feines Honduras-Mahagoni für den Korpus und mittig gefügte massive Sitkafichte als Deckenmaterial, unterbaut von einem X-Bracing.

Ein Tortoise Pickguard mit Slashed-E-Logo schützt das Top. Dazu gesellt sich ein eingeleimter einteiliger Hals aus Mahagoni mit Rio-Palisandergriffbrett. Lediglich die Kopfplatte machte einen leicht erkennbaren konstruktiven Unterschied: anfangs noch nach alter Epiphone-Art Paddel-breit mit ‚Bikini-Logo‘, später konisch angeschnitten schmal und lang herausgeführt. Ausgestattet ist sie mit 3+3 closed-back Kluson Strip Tuners. Spätere Gibson-Dummheiten wie die Einführung des ‚Adjustable Saddle‘ bzw. der ‚Adjustable Bridge with White Ceramic Insert‘, oder noch schlimmer, die 1962 bis 1966 eingebaute Plastic Bridge, mussten auch die Epis über sich ergehen lassen.

„ … MAN SIEHET DIE IM LICHTE, DIE IM DUNKELN SIEHT MAN NICHT.“ (B. Brecht)

Das vorliegende FT-45N-Cortez-Modell ist, abgesehen von zwei perfekt reparierten Rissen auf der Decke hinter der erneuerten Bridge aus Palisander (ersetzt die unsägliche Plastic Bridge, was in diesem, den Klang deutlich aufwertenden Fall sogar von Sammlern akzeptiert wird) und einem sauber geschlossenen Riss im Boden, in einem sehr schönen Erhaltungszustand. Vor allem aber klingt es auf eine ganz spezielle Art absolut göttlich. Diese Gitarre besitze ich selbst und sie wird wohl mit das Letzte sein, was ich von meinen Instrumenten aus der Hand geben werde. Da an ihr die vorgenannten Reparaturen vorgenommen wurden, ist sie ja sowieso raus aus dem Beuteschema der Sammler, die bekanntlich nach möglichst geleckten ‚Case Queens‘ gieren. Was natürlich ziemlicher Unsinn ist, macht man Klang zum Inhalt der Betrachtungen, denn viel gespielte Gitarren mit dementsprechend kaum zu vermeidenden Spuren des Gebrauchs klingen meistens besser.

Vielleicht ist aber dieses Verlangen nach Mint-Zuständen auch irgendwann einmal wieder passé. Grundsätzlich haben wir es in unserem Bereich ja nicht einmal annähernd mit einem Stradivari-Ansatz zu tun, also mit über Jahrzehnte immer wieder vertieften Verfeinerungen bei Einzelfertigung, wie man sie z.B. im gehobenen Geigenbau voraussetzen kann. Wir reden auch bei den teuren amerikanischen Vintage-Gitarren natürlich immer über Fabrikware, über Produkte aus serieller Produktion.

Kleiner Exkurs noch dazu, um einen zugegebenermaßen etwas weit hergeholten Vergleich in diesem Kontext herbeizunötigen, der aber die Absurdität des definitiven Originalitätsverlangen bis hin zur letzten Schraube bei Vintage-Gitarren, vor allem bei Electrics herauszustellen vermag:

Nicht eine der heute noch gespielten Stradivaris oder Guarneris befindet sich im Originalzustand! Das würde den modernen Anforderungen auch einfach überhaupt nicht entsprechen. Abgesehen von reinen Museumsstücken hat also jede dieser weltberühmten Violinen zahlreiche Modernisierungsmaßnahmen und Umbauten über sich ergehen lassen müssen. Allen wurde z. B. Anfang des 19. Jahrhunderts quasi der Hals gebrochen, verlängert oder ersetzt und in einem anderen Winkel zum Korpus positioniert, dazu der Steg entsprechend erhöht, um einen mehr brillianten, volumenreichen und damit durchsetzungsfähigeren Klang zu erzielen. Bassbalken, Steg, Saitenhalter und vieles mehr wurden modifiziert oder ausgetauscht, das Innenleben ist oft gespickt mit Zetteln von Geigenbauern, die ihr Zutun über einen langen Zeitbogen hinweg dokumentiert haben.

Wie sagte der Luthier Manfred Pietrzok von Manzanita Guitars einmal so schön: „So eine Geige machst du mit einem heißen Messer ja auch auf wie eine Butterbrotdose“. Die radikalen Maßnahmen dürften den Klang im Ver – gleich zum Originalzustand jedenfalls massiv verändert haben. Zurück zu unserer profanen Gitarre: Die Preise am Vintage-Markt für die völlig unterschätzten, da trotz Serienproduktion oftmals groß – artig klingenden Epiphone-FT-45-Cortez-Steelstrings variieren stark, bleiben aber immer deutlich unter denen des so gut wie baugleichen und vielbegehrten Gibson-Modells LG-2.

Modellversionen aus den späten 60ern sind gelegentlich schon für unglaublich günstige € 1500 zu haben, für frühe Versionen mit schmaler Bridge und großer Kopfplatte inklusive Bikini-Logo werden mit Recht auch schon mal € 3000 verlangt. Natürlich ist bei allen älteren Instrumenten – und Acoustics gehören bekanntlich zu den tendenziell labilen Konstruktionen – auch immer der Allgemeinzustand und eventuelle Restaurierungsbedarf mit in Rechnung zu stellen.

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2021)

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