Hast du Fragen zum Thema „alte und/oder merkwürdige Gitarren“? Wir beantworten sie auf dieser Seite. Monat für Monat. Diesmal geht es um zwei alte deutsche Gitarren.
? Aus einer Laune heraus habe ich günstig eine Neubauer-Gitarre ersteigert. Zu meiner neuen „Show-Gitarre“ habe ich wenig gefunden. Offensichtlich ist der Korpus und die reichlichen Einlagen aus Perloid, die Decke ist aus Schichtholz. Laut Aufkleber im Inneren wurde die Gitarre vom Musikhaus Zinngrebe in Hamburg-Wandsbek verkauft.
Der Hals ist noch gerade und gut bespielbar, auch ohne Spannstab. Das Halsprofil ist etwas gewöhnungsbedürftig und massig, aber nach kurzer Eingewöhnung komme ich damit gut zurecht. Am Hals, nahe den höchsten Bünden, erkennt man zwei kleine Bohrlöcher – ob da mal ein Pickup verbaut war? Mich würde es sehr reizen, das Instrument mal elektrisch zu spielen. Kann man das Baujahr näher bestimmen? Und was ist das Schätzchen wert?
! Neubauer war eine von vielen Gitarrenbauer-Familien aus Schönbach (heute Luby in Tschechien), die sich nach dem Zweiten Weltkrieg in Westdeutschland angesiedelt haben. Nach einigen Jahren bei Hoyer gründeten die Neubauers 1955 in Bubenreuth eine eigene Werkstatt. Neubauer-Gitarren sind unter Kennern heute bekannt für extravagantes Schlaggitarren-Design – es handelte sich definitiv nicht um Massenware wie bei den preisgünstigeren Framus- und Höfner-Modellen. Viele Neubauer-Gitarren waren Einzelstücke und speziell für Show-Zwecke gefertigt.
Eine genauere Modellbezeichnung wie bei anderen Herstellern gibt es bei Neubauer-Gitarren nicht. Die Löcher am Hals, die du beschreibst, können auf jeden Fall von einem einstmals angebrachten Pickup stammen. Ob dieser ab Werk verbaut war oder nachträglich eingebaut wurde, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Vor 1960 wurden nur relativ wenige Schlaggitarren mit Pickups ab Werk versehen.
Solltest du einen Pickup nachrüsten wollen, gibt es dafür viele Möglichkeiten: man findet zwar die alten Ideal-Tonabnehmer nur noch selten, z.B. auf ebay, aber ab und zu hat man Erfolg. Es gibt aber auch moderne Archtop-Pickups, die in Frage kommen. Ich rate allerdings dazu, so einen Einbau so minimal-invasiv wie möglich zu machen – also den Pickup wenn überhaupt eben auch nur wieder am Ende des Halses schwebend zu montieren und das Kabel unter dem Schlagbrett zu einer Buchse zu führen.
Schau mal unter dem verbauten Schlagbrett nach, vielleicht finden sich dort noch Spuren, wo früher mal eine Buchse war. Manche Pickups hatten auch einfach ein langes Kabel mit Bananensteckern am Ende, das man direkt am Amp anschließen konnte. Heute würde ich dazu raten, den hinteren Gurtpin zu entfernen und eine Gurtpin-Buchse einzubauen – das beeinträchtigt die Originalität der Gitarre am wenigsten – und auf Potis zu verzichten.
Bezüglich deiner Frage nach Alter und Wert: Sie dürfte aus den späten 50er-, allenfalls frühen 1960er-Jahren sein und war damals wegen der vielen Verzierungen nicht billig. Heute kannst du in etwa 400 Euro von einem Kenner bekommen, wenn denn sonst alles in Ordnung mit der Gitarre ist. Wie du schon festgestellt hast, hat sie keinen Halsstab – und genau das ist oft das Problem bei den alten deutschen Schlaggitarren, denn die Hälse haben oftmals Bananenform und sind nur mit großem Aufwand wieder gerade zu bekommen. Wenn deine einen geraden Hals hat, dann solltest du mit etwas Geduld auch den genannten Preis erzielen können. Oder sie einfach behalten und dich daran erfreuen!
! Ich habe eine Gitarre erworben, zu der ich mehr wissen möchte. Habt ihr das Modell schonmal gesehen? Könnte es eine Musima Elektra sein? Eine gewisse Ähnlichkeit zur Migma Elektra Deluxe (habe ich als Jugendlicher mal gespielt) besteht auch, aber so richtig passt das nicht … Mich würde der Hersteller interessieren – sicherlich ist es eine Firma aus Markneukirchen. Auf jeden Fall sind Simeto-Pickups verbaut, die umwerfend klingen. Das Instrument habe ich „sanft“ restauriert, und es ist zwar kein absolutes Highlight, aber immerhin ist der Ton amtlich!
? Meiner Meinung nach handelt es sich definitiv nicht um eine Musima-E-Gitarre. Da gab es zwar ein entsprechendes Modell – die Eterna bzw. Eterna Deluxe – mit drei Pickups, die sah bei genauer Betrachtung aber doch deutlich anders aus – vor allem beim Kopfplattendesign. Die Musima Elektra wiederum gab es zwar auch, die sah aber ebenfalls anders aus und hatte auch andere Pickups.
Die Tonabnehmer deiner Gitarre sind, wie du richtig erwähnt hast, Simetos – und zwar das Modell „ETA-1“. Sie wurden 1964 eingeführt und gegen 1974, im Zuge der kompletten Umkrempelung des Gitarrenbaus in der DDR und der Neuauflage alter Modelle unter Musima, ausgemustert. Es handelt sich um die am häufigsten verwendeten Pickups in der DDR überhaupt, und dementsprechend findet man sie auf so gut wie allen Modellen aus jener Zeit – nicht nur bei Musima, sondern auch Migma, Marma, Modellen von Heinz Seifert, Perl-Gold und so weiter.
Denn bis in die frühen 1970er-Jahre gab es tatsächlich auch in der DDR eine bunte und sehr eigenständige Vielfalt von Herstellern, die erst ab den frühen 1970ern in die Musima integriert bzw. aufgelöst wurden. Viele konnten danach eigene Modelle nur noch privat bauen. Wer aber hat nun deine Gitarre gebaut? Als Gitarrenbauer kommen Max Zimmer und Gottfried Uebel in Betracht, wobei ich eher von Max Zimmer ausgehe. Vertrieb vermutlich Migma, da das Modell doch sehr dem Migma 2000- Modell ähnelt.
Taco wäre eine weitere Möglichkeit, jedoch befände sich dann wahrscheinlich ein kleiner Taco-Schriftzug auf der Kopfplatte. Man sieht die Migma 2000 mit Perloid oder anderen Plastik-Tops häufiger, eine in Sunburst sehe auch ich zum ersten Mal – sehr selten. Leider sind auch nach meiner eigenen Erfahrung mit zahllosen Restaurationen diese alten E-Gitarren nach heutigen Maßstäben nur schwer genießbar – eine vernünftige Saitenlage ist meist nur schwer einzustellen, da die Hälse (anders als bei Musima) eingeleimt wurden und man sich deshalb nicht mit Shims behelfen kann. Und da die Pickups in der Höhe nicht verstellbar sind, müssen die Saiten recht hoch über sie hinweg geführt werden.
Die Bundstäbe erfordern auch immer eine deutliche Nachbearbeitung, damit man sich beim Spielen die Hände nicht aufreißt. Die Nachfrage auf dem Gebrauchtmarkt ist in den vergangenen Jahren ebenfalls zurückgegangen, weshalb man momentan bei einem Verkauf zwar auch mutig mehr verlangen kann, realistisch aber nur um die 300 Euro bekommt.
(erschienen in Gitarre & Bass 05/2021)
Moin erstmal!
Ein recht interessanter Artikel, zu dem ich in Bezug auf die Max Zimmer, bzw. Migma-Gitarre eine Anmerkung machen möchte:
Eingeleimte Hälse sind für den ambitionierten Gitarrenbastler kein Hindernis, wenn er eine akzeptable Bespielbarkeit erreichen möchte.
Neben der erwähnten Nachbearbeitung der Bünde (Abrichten, Versenken oder Unterfüttern usw.) sind folgende Maßnahmen möglich:
Die Höhe der Tonabnemer kann man genau so wie bei P90 Tonabnehmern durch das Unterlegen mit Kunststoff(shims) verändern, um sie näher an die Saiten zu bringen. Diese Shims kann man problemlos selber anfertigen.
Die Saitenlage läßt sich recht einfach durch Bearbeiten der Bridgebasis oder durch Tieferkerben der Saitenreiter verbessern. Wenn man die Originalbrücke nicht verändern möchte, kann man sich bei Framus
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eine recht ähnliche Brücke beschaffen, und diese bearbeiten. Wenn es billig sein soll geht auch eine von Göldo.
Beide Eingriffe sind reversibel, der Originalzustand der Gitarre läßt sich jederzeit wieder herstellen.
Beste Grüße,
Peter W. Greiert
Zunächst einmal möchte ich hier anmerken,daß ich mir innigst wünschen würde,daß die derzeitige Gitarre & Bass Redaktion die „Guitar Guru“ Rubrik zukünftig auf mindestens 2 volle Seiten ausweitet,denn das Interesse,und die brennenden Fragen der Leser/-innen zum Thema alter,außergewöhnlicher und unbekannter Gitarren häufen sich derzeit.Ich hatte selbst bereits mehrere Fragen zu eben dieser Thematik,die mir freundlicherweise beinahe alle vom „Guitar Guru“ ausführlich beantwortet wurden.Und dafür bedanke ich mich an dieser Stelle einfach noch einmal sehr.Desweiteren wäre es prima,wenn demnächst mal ein informativ illustriertes G&B-Sonderheft über das legendär-kultige Guild Gitarrenlabel im Zeitschriftenhandel erscheinen würde! Alte Musima Gitarren aus dem ehemaligen Osten hingegen,sind für mich wirklich nicht so der „Burner“,dafür waren diese „Teile“ aus der Ex-GDR faktisch viel zu selten gefragt,und allgemein,aufgrund ihrer leider eher mäßigen,bis sehr miserablen Klangeigenschaften/Verarbeitungsqualität absolut nicht die Saiteninstrumente der Begierde! Aber,gut,daß der schlaue „Guitar Guru“ auch hierüber informative Antworten wußte.
Hallo.
Zitat :”eher mäßigen,bis sehr miserablen Klangeigenschaften/Verarbeitungsqualität”.
Diesem kann ich leider nicht zupflichten.
Ich besitze eine Halbresonanz Archtop Meistergitarre von Gottfried Uebel.
Bei dieser habe ich vor ca. 30 Jahren den Hals (gesperrte Bauart ohne Halsstab) von einen Gitarrenbaumeister einleimen lassen und seit dem eine super Stimmstabilität erreicht!
Meine “DDR” Gitarre hat auch 3 Simetos welche nach fast 60 Jahren ein wenig leiser werden (Ich tippe auf schwächer werdende Magnetisierung), aber die Schaltung war damals voll auf der Höhe der Zeit und bietet viele Schaltungsmöglichkeiten !
Der nun geleimte Hals ist zwar etwas stärker aber selbst mit Flatwounds (früher waren da immer “Montex Supersound” drauf) ist er immer noch 100% gerade und die Saitenlage/Bespielbarkeit fantastisch!
Der Klang ist richtig schön retro ! Diesen kann man nur noch verschlimmbessern !
Also auch in der DDR gab es handwerklich TOP Meister Ihres Faches welche den Rest der Welt in nichts nachstanden (wenn sie das passende Material hatten) !!!