Americana: Hüsker Dü – ‚Don’t Want To Know If You Are Lonely‘
von Martin Schmidt,
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(Bild: WARNER/ ARCHIV)
Ich hoffe, du hast dich gut in den College-Rock der 80er eingehört und bist bestens mit The Replacements vertraut. In dieser Folge geht es um ihre direkte Konkurrenz: Hüsker Dü.
DIE BAND
Schon die Namensgebung nach einem skandinavischen Brettspiel zeigte, dass Bob Mould (Gitarre, Gesang), Grant Hart (Drums, Gesang) und Greg Norton (Bass) sich nicht um Punk- und Rock’n’Roll-Klischees kümmerten. 1980 fand sich das Trio in St. Paul, der Nachbarstadt von Minneapolis, zusammen und war zuerst als Hardcore-Band tätig. Ihr Debüt ,Land Speed Record‘ enthielt elf Songs in 26 Minuten und war vor allem schnell. Mit dem Song ,Diane‘ von der EP ‚Metal Circus‘ bewies die Band drei Jahre später, dass sich hinter dem Gitarrengewitter und der Hardcore-Energie auch Melodien versteckten, wodurch die Band zum Favoriten vieler College-Radio-Stationen wurde.
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Auf den folgenden Alben baute das Trio die Mischung aus poppigen Melodien, hektischen Drumbeats und Bob Moulds Rasierapparat-Gitarren weiter aus. Hüsker Dü wurde immer beliebter, tourte in den USA und Europa und entwickelte sich Mitte der 80er-Jahre zum gefeierten Underground-Act. Hart und Mould wechselten sich beim Lead-Gesang und Songwriting ab, schafften es aber trotzdem, die Songs wie aus einem Guss klingen zu lassen. Ob der eine oder andere singt oder komponiert hat, fällt oft erst beim zweiten oder dritten Hören auf.
1986 unterschrieben Hüsker Dü einen Major-Label-Vertrag mit Warner Records. Trotz Anerkennung vom Publikum und wachsendem Erfolg zerbrach die Band 1987 an internen Spannungen und übermäßigem Drogenkonsum. Norton sagte dem Musikbusiness adé, während Mould und Hart mehr (Mould) oder weniger (Hart) erfolgreiche Solokarrieren starteten. Bob Mould ist bis heute aktiv und veröffentlichte 2020 ein neues Soloalbum namens ,Blue Heart‘. Grant Hart verstarb 2017 leider an Leberkrebs.
VERMÄCHTNIS
Der ganz große Erfolg blieb Hüsker Dü verwehrt, aber der Einfluss des Trios ist bis heute spürbar. Schon ihr Image aus Flanellhemden, dreckigen Jeans und extrem unmodischen Frisuren nahm den Alternative-Style vorweg. Und während Lieschen Müller und ihre Mainstream-Freunde 1991 dachten, Nirvana hätte die Mischung aus dreckigen Gitarren und Melodien namens Grunge erfunden, zuckten viele Hörer des 80s-Underground (inklusive des Autors) nur mit den Schultern. Was war so neu an Kurt und Konsorten?
Genau das hatte die Band mit dem Doppel-Ü doch schon Jahre vorher gemacht! Nirvana-Bassist Krist Novoselic sah das genauso: „Was wir mit Nirvana gespielt haben, war nicht neu. Hüsker Dü hatten das schon vor uns getan.“ Kollege Dave Grohl wurde noch deutlicher: „No Hüsker Dü, no Foo Fighters.“ Wer sich in die Historie der Band vertiefen möchte, dem seien das Buch ,Our Band Could Be Your Life‘ von Michael Azerrad oder auch Bob Moulds Autobiographie empfohlen. Auch das Boxset ,Savage Young Dü‘ bietet interessante Einblicke in die Frühphase der Band.
LASST UNS SPIELEN
Zum Nachspielen gibt es den Song ‚Don’t Want To Know If You Are Lonely‘. Beispiel 1 zeigt das Rhythmus-Pattern der Strophe. Offene Akkorde, Powerchords mit durchklingenden Leersaiten, eine mit offener E- und H-Saite angereicherte Singlenote-Melodie und ein rhythmischer Break am Ende zeigen das typische Hardcore/Indie-Werkzeug der damaligen Zeit. Mit 182 bpm ist das Tempo recht hoch und vermittelt immer noch punkige Energie.
Dass hinter der rotzigen Fassade ein schöner, ziemlich romantischer und klassisch amerikanisch klingender Song steckt, hörst und siehst du in Beispiel 2. Ich habe das Tempo auf 130 bpm gedrosselt und mit Jazz-Drums, Kontrabass und angecruchter Tele in einen Americana-Anzug gesteckt. Die Gesangsmelodie von Strophe und Refrain wurde im Chord-Melody-Style arrangiert und klingt auch im neuen Gewand ganz hervorragend. Wenn ein Song solche Möglichkeiten bietet, zeigt das meiner Meinung nach immer seine kompositorische Qualität. Und mit etwas Mühe kann man aus reinen Gesangsnummern schöne Instrumentals basteln, die stilistisch in ganz andere Richtungen gehen. Probiere die Konzepte aus dem Arrangement mal an deinem Lieblingssong aus, das kann nicht nur eine Menge Spaß machen, sondern auch zu verblüffenden Ergebnissen führen!