Prosit!

Test: Rainger FX Minibar

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(Bild: Dieter Stork)

Wer das Gitarren-Effektgerät für eine auserzählte Geschichte hält, der wird von Rainger FX eines Besseren belehrt. Der Hersteller ist zwar durchaus bekannt für seine unkonventionellen Geräte – mit dem Minibar-Pedal wird jedoch ein Ansatz verfolgt, der selbst für die Jungs aus dem Westen Londons ungewöhnlich ist.

Ein Pedal, das mit Flüssigkeiten betrieben werden soll? Das klingt einerseits ungewöhnlich und andererseits doch nicht so weit hergeholt. Was wäre die Geschichte der Rockmusik ohne den Beitrag, den beispielsweise diverse Alkoholika geleistet haben? Berüchtigt sind die wilden Eskapaden der Rolling Stones, von The Who oder gar der wirklich legendäre Whiskey-Konsum von Motörheads Lemmy. Doch nicht nur mit Alkohol lässt sich die Rainger FX Minibar betreiben – im Grunde kann hier mit jeder nur erdenklichen Flüssigkeit gearbeitet werden.

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WAS TUT ES?

Der Minibar Liquid Analyser ist zunächst einmal ein Verzerrer, der einfacher kaum aufgebaut sein könnte. Neben dem obligatorischen Fußschalter gibt es lediglich ein Volume-Poti, sowie einen kleinen Kunststoff Tank, der mit zwei Schrauben halb versenkt auf dem Pedal befestigt ist. Damit das Gerät keinen Schaden nimmt, ist der Tank mit einer Kappe sauber verschraubt. Mit seinen Abmessungen von 102x42x45 mm ist das angeschrägte Gehäuse des Minibar erstaunlich kompakt. Unterstützt wird der schmale Fußabdruck des Gerätes noch durch die stirnseitig verbauten Anschlüsse, was das Platzieren auf dem Pedalboard häufig etwas einfacher macht.

Die Idee hinter dem Minibar Liquid Analyzer ist simpel wie genial: Durch das Befüllen des Tanks mit einer Flüssigkeit der eigenen Wahl lässt sich der Klang des Verzerrers beeinflussen. Dabei wird mittels eines LED-Sensors die dichte der Flüssigkeit gemessen, sowie die elektrische Leitfähigkeit. So soll beispielsweise ein dunkles Bier den Ton „dunkler“ färben als klares Wasser. Außerdem gibt Rainger FX an, dass ein höherer Salzgehalt zu mehr Verzerrung führt. Um es gleich vorweg zu nehmen: die Möglichkeiten mit diesem Pedal sind so im Grunde endlos. Für den Test habe ich daher Flüssigkeiten gewählt, die in einem gewöhnlichen Haushalt meist gut verfügbar sind.

Das Befüllen des Tanks erfolgt idealerweise mittels einer Pipette. (Bild: Dieter Stork)

DIE BAR HAT GEÖFFNET

Bevor man versucht, beispielsweise Saft freihändig in den wirklich kleinen Tank des Minibar-Pedals zu kippen, empfehle ich dringend die Anschaffung einer (besserer mehrerer) Transferpipette oder einer handelsüblichen Spritze. Das befüllen des Tanks ist so doch deutlich einfacher. Außerdem habe ich mir eine Packung Papiertaschentücher bereitgelegt, um den kleinen Kunststofftank nach jedem Versuch gründlich zu reinigen.

Wasser

Ich beginne meinen Versuch mit ganz normalem Leitungswasser – hier in Bielefeld ist das Wasser weder übermäßig hart noch besonders weich. Meinen Verstärker habe ich gewohnt neutral eingestellt, dieses Mal allerdings mit einer ganz leicht zerrenden Vorstufe. Den Tank vorsichtig mit Wasser befüllt und schon ist ein überraschend bissiger Sound zu hören, der irgendwo in den Grenzbereichen zwischen Overdrive und Fuzz wildert und sich durch eine deutliche Ausprägung in den oberen Mitten auszeichnet. Die Bässe sind hier eher zurückgenommen und ich reguliere am Verstärker etwas nach, um ausreichend Fundament zu bekommen. Spannend ist, dass das Pedal gleichermaßen gut mit Singlecoils und Humbuckern klingt.

Salzwasser

Wenn ich schon mit Wasser beginne, will ich als nächstes herausfinden, wie sehr sich der Salzgehalt im Wasser auf den Klang des Minibar-Pedals auswirkt. Schließlich hat Salzwasser eine ausgezeichnete Leitfähigkeit. Also mische ich mir im Verhältnis 1:3 ein Gebräu, das man beim besten Willen nicht mehr trinken könnte, und fülle es in den Tank. Das Ergebnis ist eine hörbare aber nicht überwältigende Veränderung im Sound. Die Höhen werden etwas bissiger und der Grad der Verzerrung nimmt noch ein wenig zu, während der Bassgehalt gleich bleibt. Hier lässt sich festhalten, dass man Salz gut zur Feinabstimmung des Klangs beimischen kann.

Kaffee

Beim Wechsel der Flüssigkeiten benutze ich zum Leeren des Tanks ebenfalls eine Transferpipette um das Gehäuse nicht zu versauen. Anschließend reinige ich den Tank mit einem Taschentuch und etwas Alkohol um alle Rückstände zu entfernen. Nach dem Einfüllen des Kaffees (eine eher kräftige Röstung) wird sofort deutlich, wie sehr sich der Klang verändert. Der Sound wird – man glaubt es kaum – tatsächlich „dunkler“ und komprimierter, was besonders mit Singlecoils hervorragend klingt. Das gesamte Mittenspektrum tritt einen großen Schritt nach vorne und auch die vorher etwas mager klingenden Bässe werden viel deutlicher betont. In den oberen Mitten ist nun ein leicht nasales „Quaken“ zu hören, das den Noten auf den Diskantsaiten zu deutlich mehr Fundament und Tragfähigkeit verhilft.

Soja Sauce

Da mein Kaffee zwar dunkel aber dennoch halb-transparent war, will ich nun wissen, wie eine wirklich undurchsichtige Flüssigkeit sich klanglich bemerkbar macht. Daher habe ich mir eine vollkommen schwarze und sehr salzige Soja Sauce besorgt. Das Ergebnis ist abermals beeindruckend: Viel stärker als bei meinem Kaffee, wird der Ton abermals deutlich dunkler, sodass ich zunächst prüfe, ob ich versehentlich das Tone-Poti der Gitarre zugedreht habe. Die Verzerrung nimmt ein Stückchen zu und der Ton ist jetzt absolut gesättigt mit einer ausgeprägten Mitten-Nase versehen, die fast so klingt, als hätte man ein WahWah in eine fixe Position gebracht. Für offene Akkorde ist dieser Sound zu dicht – hohe Singlenote-Linien profitieren jedoch erheblich (Santana und Moore lassen schöne Grüße ausrichten).

Apfelsaft/Whiskey

Der Apfelsaft meiner Tochter sowie ein alter Scotch aus eigenem Bestand, lassen mich hingegen etwas ratlos zurück. Der Sound ähnelt am ehesten dem durch den Kaffee verursachten Klang, hat jedoch einen etwas leblosen Charakter und auch weniger Kompression. Klingt gut, kann man sich im direkten Vergleich aber sparen.

Handdesinfektionsmittel

Wenn uns eine Flüssigkeit im Jahr 2020 allgegenwärtig war, dürfte es wohl das klassische, leicht bläulich schimmernde Handdesinfektionsmittel gewesen sein. Als größtmöglichen Kontrast zur Soja Sauce will ich nun wissen, wie sich mein Sterilium auf den Klang des Rainger FX Minibar auswirkt. Wie zu erwarten war, wird der Sound wieder deutlich höhenbetonter und nimmt in den Bässen ein gewaltiges Stück ab. Allerdings ist der Ton deutlich aggressiver und bissiger als beim Leitungswasser, was vor allem dem Betrieb mit Humbuckern sehr gut steht. Hier geht der Sound schon ein klein wenig in den Bereich Distortion, wie es sie Mitte der 70er-Jahre verstärkt zu hören gab, jedoch immer mit einer leicht brüchigen Fuzz-Face-Note in den Höhen.

Handdesinfektionsmittel + Soja Sauce

Da mir der Sound mit dem Handdesinfektionsmittel etwas zu schrill ist, gebe ich nun vorsichtig ein paar Tropen der Soja Sauce in den Tank. Das Ergebnis ist faszinierend: Die schwerere Sauce sinkt auf den Boden des Tanks und man kann sofort einen Effekt hören. Der Sound wird wieder etwas „dunkler“ und mittenbetonter, verändert sich aber nicht grundlegend in seiner Zerrstruktur. Hier kann ich mich nun Tropfen für Tropfen (die Pipette ermöglicht ein genaues Dosieren) an meinen Wunsch-Sound herantasten. Am Ende habe ich eine tolle Ausgewogenheit zwischen dem Biss der klaren und dem Fundament der dunkleren Flüssigkeit.

Alles zusammen

Hand aufs Herz – Auf wen hat das Wasser des Tuschkastens in der Grundschule ebenfalls eine magische Anziehungskraft ausgeübt? Unter meinen damaligen Mitschülern galt es jedenfalls als Ausdruck außerordentlichen Mutes, heimlich einen kräftigen Schluck dieses Gebräus hinunter zu würgen. Während des gesamten Test habe ich alle Flüssigkeiten nach der Benutzung in einer kleinen Tasse gesammelt und verrührt. Nun also wieder ab in den Tank des Minibar-Pedals. Der Sound erinnert am ehesten an den des Kaffees, klingt jedoch in den Bässen merklich dünner, was wohl an dem höheren Anteil klarer Flüssigkeiten in der Mixtur liegt.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Alleine die Idee dieses Pedals ist schlichtweg genial. Was auf den ersten Blick wie eine Mischung aus Aprilscherz und Gimmick aussieht, entpuppt sich als absolut ernstzunehmender Verzerrer, der je nach Betankung wirklich überzeugende Klangergebnisse liefert. Könnte man diesen Sound nicht auch auf konventionellem Wege abbilden? Mit Sicherheit. Würde das genau so viel Spass machen wie mit dem Minibar Liquid Analyzer? Mit Sicherheit nicht!

Hier bekommt man neben tollen Overdrive-, Distortion-, und Fuzz-Sounds einen unheimlich hohen Spielspaß geboten, der Seinesgleichen sucht. Das Experimentieren mit unterschiedlichen Flüssigkeiten oder gar wilden Mixturen macht einfach unheimlich viel Spaß, denn hier kann man sich vollkommen im Anmischen neuer Kombinationen verlieren.

Für etwas mehr Road-Tauglichkeit wäre eine Gummidichtung im Tankdeckel schön, sodass man seinen Klangtreibstoff im Pedal lassen kann, ohne Gefahr zu laufen, sich beim Transport das Pedalboard zu versauen. Ansonsten ist der Minibar Liquid Analyser ein aufregendes und erfrischend anderes Pedal, das klanglich einiges zu bieten hat.

PLUS

  • Idee
  • Verarbeitung
  • unendliche Variationsmöglichkeiten
  • hohe Klangqualität
  • kompakte Abmessungen

MINUS

  • kein Dichtungsring im Tankdeckel

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2021)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Kaum zu fassen,was den schrägen Briten so alles einfällt,um ihr neuestes Produkt für immerhin rund 170,- €uro zu vermarkten.Wer braucht so etwas wirklich? Nun wäre es wahrscheinlich auch an der Zeit,um separate Kunststofftanks an den Gitarrenbodies zu montieren,die mit diversem Gebräu befüllt werden.Nicht genug,daß man in England mit nervig- quirligem Linksverkehr im Stadtgebiet leben muß,Baked Beans immer aus der blechernen Konservendose kredenzt werden,sowie Fish & Chips zur Nationalspeise auserkoren wurde,und das schlechte,regnerische Wetter in London zum Standard gehört,-nun „überraschen“ uns diese Engländer mit einem schrillen Pedal,das allerlei Flüssigkeiten liebt,und vermutlich irgendwann mit absolutem „Kultstatus“ prämiert wird.Na,dann Prost! Das muß man dann erst mal gut verdauen.Was es nicht alles für Dinge gibt,die in Wahrheit eigentlich niemand braucht.

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    1. Du entscheidest doch nicht, ob das jemand braucht. Ich gehe jetzt ins Netz und kaufe es mir, nur um der Kunst Willen. Nicht alles muss immer pragmatisch sein. Manches will einfach schön sein und für sich selbst stehen. Ende 🙂

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  2. Warum wurde kein Blut getestet?

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  3. Unnütze Info am Rande:
    Das vermutlich allererste Gitarreneffektgerät der Welt wurde auch mit einer Flüssigkeit betrieben, die zentraler Bestandteil des Effektes war: DeArmond Tremolo Control (1946)

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