Maronen-Datschi

Test: Tausch Electric Guitars Montreux

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(Bild: Dieter Stork)

Rainer Tausch arbeitet schon seit längerer Zeit vornehmlich mit heimischen Materialien und er hat erfolgreich nachgewiesen, dass guter Ton auch ohne Tropenholz möglich ist. Im Programm ist neben Ahorn, Birne, Kirsche und Zwetschge jetzt auch die Kastanie!

25 km südlich von Ulm liegt Illertissen. Ein beschauliches Städtchen, in dem Rainer Tausch bereits seit 25 Jahren seine inzwischen auch international hoch anerkannten Gitarren fertigt. Vor allem mit dem semiakustischen 665-Design gelang es ihm, einen markanten eigenständigen Akzent zu setzen.

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BEST OF BOTH WORLDS

Wie kommt man als Gitarrenbauer wohl auf das richtige Tonholz? Müsste nicht die Trauerweide das perfekte Material für Blues-Gitarren sein? Oder die gemeine Zitterpappel für Speed Metal? Und natürlich Robinie für Hardcore – die schreit, bevor sie bricht! Warum denn nun eigentlich Kastanie? Tja, der Rainer geht halt gern und oft (wenn möglich mit dem Harry) in den Biergarten und der ist in Süddeutschland, genauer gesagt in Bayern, oftmals von Schatten spendenden Kastanien umgeben.

Es muss ja jetzt trotzdem keine Schnapsidee sein, als schwäbischer Bayer den originär heimischen Gewächsen Vertrauen entgegenzubringen („Woaßt: i wollt halt mal was richtig Bayrisches machen“). Schau’n mer mol: Die auf den ersten Blick von Fender-Motiven inspirierte Konstruktion (Korpus-Mix aus Strat und Tele, Tele-style Bridge, Kopfplatte, Mensur) ist bei der Montreux mit Gibson-Elementen in Kommunikation gebracht (Set Neck, Humbucker, Schalt- und Regelmimik).

Der massive Korpus aus Kastanie, deren Struktur an Sumpfesche erinnert, wurde etwas größer als bei den genannten Fender-Instrumenten ausgelegt. Die Korpusränder sind bestens verrundet und bekamen die bekannten Strat-style Komfortkonturen für die Armauf- und Bauchanlage. Wie bei den 665-Modellen ist auch der Korpus der Montreux im Bereich der Halsaufnahme fließend diagonal gestaltet.

Der tief in den Body eingeleimte Hals aus Ahorn verfügt über ein Griffbrett aus dunklem, feinporig glattem Zwetschgenholz. 22 Medium-Jumbo-Bünde (Wagner 9684) erweisen sich als perfekt kantenrund abgerichtet; cremefarbene Dots markieren die Lagen. Die Kopfplatte ist (anders als bei Fender-Gitarren) in leichtem Winkel herausgeführt, was Saitenniederhalter für den verlangten Andruck auf den Sattel aus Knochen überflüssig macht.

Sperzel Trim Lok Tuners gewähren verlässliche Stimmung und schnellen Saitenwechsel. Zugriff auf den eingelegten Halsstab gibt es vom Kopf her. Am Korpus werden die Saiten (Mensur 648 mm!) über die kurze Version der T-Tune Bridge mit kompensierten Saitenreitern aus Messing geführt und per Strings-thru-body-Saitenhalterung gekontert.

T-Tune Bridge mit kompensierten Messingreitern (Bild: Dieter Stork)

Elektrik: Zwei Tauschbucker-Pickups in künstlich gealterten Kappen, von Harry Häussel exklusiv für Rainer gefertigt, sind direkt in die Decke geschraubt. Etwas merkwürdig erscheinen dabei die am Rand durch die Kappen geführten Schrauben, mit denen die Tonabnehmer aber präzise und ohne klaffende Spalten in die Korpusfräsungen eingesetzt werden konnten. Ein Drei-Wege-Toggle schaltet die Pickups konventionell, für die elektrische Verwaltung stehen individuelle Volume- und Tone-Regler mit griffigen Knöpfen samt Inlays aus Zwetschge zur Verfügung. Die Tone-Regler sind mit der Option auf Spulentrennung (Push/Pull) ausgestattet.

Rainer Tausch ist ein alter Fuchs, und was er anfängt, hat Hand und Fuß! So ist auch sein neuer Wurf mit Namen Montreux ein schlüssig konstruiertes, gut durchdachtes Design, das starke Funktionalität mit originärer Tonschöpfung in Einklang bringt.

 

VERTRAUT UND DANN DOCH ZIEMLICH ANDERS

Anders als bei seiner 665-Semi-Hollowbody-Konzeption mit etwas verlängerter Mensur hat Rainer Tausch mit der Montreux eine stattliche Solidbody mit Standard-(Fender)-Mensur von 648 mm entworfen. Der leicht vergrößerte Korpus aus Kastanie schlägt wohl mit einem Gewicht von ca. 3,9 kg zu Buche, aber an der komfortablen Handhabung sind keinerlei Abstriche zu machen. Im Gegenteil: die Gitarre schmiegt sich perfekt an den Körper ihres Spielers, auf den sie dann ihre gesunden Schwingungen resonanzstark überträgt.

Stramm und kraftvoll aufgelöst rollen schon akustisch angespielt die Akkorde vom Griffbrett und dieses Hälschen fühlt sich mit seinem fluffig verrundeten Halsprofil einfach großartig an. Der allgemeine Ausdruck ist von straffem, knackig festem Charakter geprägt. Da spielen Tonhölzer und Tele-Bridge sich den Ball wohl gegenseitig zu.

Was nun machen die Tauschbucker von Harry Häussel aus diesen etwas kantig-knurrigen, aber enorm schwingfreudigen Sounds? Und wie geht das Instrument mit den optional angelegten Split-Funktionen um? Schnell wird jedenfalls klar: Wer sich am liebsten an den mahagoniweichen Körper einer Les Paul kuscheln möchte, der ist hier falsch. Die Montreux ist vielleicht sogar das stramme, knackig-sportive Gegenteil davon.

Der Humbucker am Hals übersetzt das klar definierte akustische Klangbild erst einmal ziemlich authentisch in elektrische Sounds. Die Straffheit in den Bässen bleibt dabei als das präzise zeichnende Fundament erhalten, auf dem gut gewichtete Mitten und silbrig zugespitzte Höhen stimmig aufbauen. Akkorde erscheinen darüber gestochen scharf aufgelöst mit haarfeiner Saitenseparation, was die Klangauflösungen plastisch und prägnant zugleich in Szene setzt. Solistisches Spiel profitiert natürlich ebenfalls von dieser enorm pointierten Tonumsetzung, was vom schnellen Anschlagsreflex gefördert und durch knackig perlende Linien dokumentiert wird.

Wechseln wir in den Zerrkanal, so überrascht uns die demgemäß stabile, ausgesprochen druckvolle Darstellung nicht. Powerchords erhalten von dem trockenen, perkussiv herausgestellten Anschlag starke Präsenz. Mit bester Federkraft schnellen die Sounds aus den Speakern, zeigen Tiefgang, bleiben aber dennoch stets konturiert auf Kurs. Das lässt sich auch von solistisch hitzigen Exkursionen behaupten, denn auch sehr schnell gespielte Linien zeigen immer noch plastische Gestalt, lassen es aber auch an saftigem Aufriss nicht missen.

Häussel-Tauschbucker-Pickups mit Split-Option (Bild: Dieter Stork)

Ziehen wir zwecks Split den zugeordneten Tone-Regler, verschlankt sich das Tonbild deutlich, lässt fenderisches Flair aufblitzen. Die Sounds kommen nun kehlig und etwas scharfkantig zum Ohr, sind nicht wirklich Strat, gehören aber eindeutig in diese Kategorie. Damit lässt sich nicht hervorragend arbeiten, denn diese Sounds sind nicht nur schaler Kompromiss. Sie überzeugen mit klangfarblicher Finesse und liefern in heißeren Einstellungen einen sehr schön eigenwilligen Growl. Natürlich sind sie im direkten Wechsel mit der Doppelspule (Push/Pull) auch bestens geeignet für spontane Sound-Änderungen, was neben dem dynamischen Sprung auch noch mit differierenden Zerrgraden korrespondiert.

Der Pickup in der Stegposition tönt dann vergleichsweise trocken und zeigt eine leichte Mittennase bei dennoch immer noch guter Höhenklarheit. Wiederum ist die detailgenaue Umsetzung der Plektrumaktion zu loben, was uns bei klar eingestelltem Verstärker sehr schön drahtige, durchsetzungsstark griffige Akkorde für alle möglichen rhythmischen Manöver an die Hand gibt. Auch bei leicht anzerrenden Amp-Einstellungen ist mit dieser Gitarre dank hoher dynamischer Flexibilität gut Tanzen.

Druckvoll und definiert geht es dann in High-Gain-Positionen zur Sache. Der Ton nimmt eine höchst zentrierte Position ein, drückt schlank und straff aus der Mitte heraus, flankiert allerdings von saftig und kraftvoll aufsteigenden Obertönen. Er verfügt über die Kraft eines Humbuckers, in den sich aber auch ein Hauch von Telecaster-Twang mischt, was offenbar der Tele-style Bridge geschuldet ist.

Mit gezogenem Tone-Regler wandelt sich der Steg-Pickup dann auch noch zu einem Terrier mit scharfen kleinen Zähnen. Was uns im Clean-Modus spirrig und hohlwangig eng daherkommt, erweist sich unter Dampf genommen dann als bissiger kleiner Teufel. Mit angriffslustigem Twang springt er dir an die Kehle. Knochentrocken und scharfkantig im Bass, bei Bedarf auch mit spitzem Schrei wird dir das Trommelfell trefflich pikiert. Das ist schon speziell und ein wenig sado-maso-mäßig, hat aber was.

Ergänzend sei noch die konventionelle Zusammenschaltung beider Humbucker gepriesen, denn damit ist in allen Betriebsstufen bestens zu operieren, und diese glockigen Höhen entfalten sogar einen ganz besonderen Glorienschein – Luja sog i!

 

RESÜMEE

Rainer Tausch ist nicht unbedingt der Erste, der sich der Kastanie annimmt, aber er versteht es wieder einmal, heimischem Tonholz eine hörenswerte Stimme zu geben. Die hybride Konstruktion bedient sich ungehemmt aus dem Baukasten des traditionellen E-Gitarren-Designs, bringt Stilelemente verschiedener klassisch bewährter Konstruktionen ins Gespräch miteinander, um darüber dann eine zeitgemäße neue Variante ins Leben zu rufen.

Das aktuelle Modell Montreux tritt mit leicht vergrößertem Korpus aus Kastanienholz in leckerem Chocolate Burst plus eingeleimtem Hals aus Ahorn mit Griffbrett aus Zwetschge und 648-mm-StandardMensur an. Spielkomfort kann man bei den meisterlich gefertigten Gitarren des Rainer Tausch ja immer voraussetzen, und souveränen Klang generiert er in diesem Fall aus der ungewohnten Holzkombination in Verbindung mit einer Tele-style Bridge und den starken Klangofferten der Häussel Tauschbucker.

Eine runde Sache, wenngleich etwas neben der Spur, aber wer nicht nur ausgelatschte Wege gehen will, der findet mit der Montreux fraglos vielversprechende Ansätze für sein individuelles Sound-Design. Es lebe der individuelle Gitarrenbau!

PLUS

● originelles Hybrid-Design
● Schwingverhalten
● Häussel Tauschbucker
● Sounds, Schaltflexibilität
● T-Tune Bridge
● Hals, Bundierung
● Spieleigenschaften
● Verarbeitung

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2021)

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