Kein-Watt-Verstärker

Test: DSM & Humboldt Simplifier

Anzeige
(Bild: Dieter Stork)

Die chilenische Pedalschmiede DSM Noisemaker und die ebenfalls in Santiago de Chile ansässige Firma Humboldt Electronics nutzten die Covid-19- Situation und den damit verbundenen Lockdown im Land für eine Zusammenarbeit der besonderen Art.

Made at home during the Covid-19 Lockdown, Santiago de Chile“, so steht es auf dem Seriennummernaufkleber auf der Unterseite des DSM & Humboldt Electronics Simplifiers und irgendwie ahne ich schon, dass diese erste Produktionsserie in ein paar Jahren einmal bei Sammlern beliebt sein könnte.

Anzeige

Von „Made at home“ sollte man sich jedoch nicht täuschen lassen. Nach Handarbeit und Homeoffice sieht der Simplifier tatsächlich nicht aus, denn die kleine Kiste ist – und das wird schon beim Auspacken, aus dem mit einem Magnetverschluss im Klappdeckel bestückten und vornehm in mattem Schwarz bedruckten Karton sofort klar – extrem penibel verarbeitet. Dass so ein Qualitätsprodukt aus Chile und nicht aus Cupertino kommt, macht neugierig.

KONZEPT

Der Simplifier bietet Pedalboard-begeisterten Gitarristen drei analoge Amp-Simulationen und ein paar clevere Features, mit denen das Pedal als Break-Out-Box des eigenen Boards funktioniert, sofern man nicht mit echten Röhrenverstärkern arbeiten kann oder will, sondern das Gitarrensignal direkt vom Stressbrett in die PA, den Bühnenmonitor, ein In-Ear-System oder ein Recording-Interface routen möchte.

Die drei Verstärker-Simulationen orientieren sich an den typischen Klassikern: Fender Blackface, Marshall Plexi und Vox AC sind an Bord und können mit dreibandigem EQ, Gain, Presence und Resonance eingestellt und mit zwei Cabinet-Simulationen kombiniert werden. Hierzu lassen sich die Simulationen von 1×12-, 2×12- und 4×12-ZollCabinets jeweils für die linke und rechte Seite wählen und mit den jeweiligen Mic-Position-Reglern zueinander abstimmen.

Das Signal wird somit in Dual-Mono über die beiden symmetrierten XLR-DI-Outs und die unsymmetrischen Klinkenbuchsen herausgegeben. Zudem bietet der Simplifier einen Mono-Modus, einen seriellen Einschleifweg, einen zusätzlichen Aux-In für Playback-Tracks und einen herkömmlichen Kopfhörerausgang.

SOUNDS

Im direkten Vergleich mit einem aktuellen Fender ‘65 Deluxe, einem 1967er Marshall 100W Super Tremolo Plexi und einem 1965er Vox AC30, sowie einem Kemper und dem Strymon Iridium, das sehr ähnliche Verstärker emulieren kann, stellt sich schnell heraus, dass der Simplifier als analoger Transistor-Verstärker sehr eigen und lediglich so ähnlich wie die Originale klingt, denn auch wenn man ihn mit den hochwertigsten Bühnenmonitoren verstärkt, fehlt dem Gerät die dynamische Komplexität, das Obertonverhalten und die musikalische Qualität der echten Röhrenverstärker.

Unser Testkandidat klingt etwas eng, trocken, zweidimensional und direkter. Authentischer bei der Abbildung der Originale klingen die hochwertigen digitalen Simulationen der Mitbewerber. Das wird im Vergleich ebenso schnell klar und darf nicht verwundern, da bei der digitalen Nachbildung von Röhrenverstärkern weitaus komplexere Wechselwirkungen von Bauteilgruppen berechnet werden können, als man in einem kleinen Analogverstärker mit vergleichsweise wenigen Bauteilen auf der Platine nachbilden könnte.

Dennoch hat der DSM & Humboldt Simplifier mit seiner Technologie in einigen Aspekten klare Vorteile, denn selbst in einem tatsächlich etwas unfairen Test mit einer Telecaster und einem mit Hochtöner bestückten Akustik-Gitarrenverstärker, schlägt sich das Gerät extrem gut, wenn es um das Spielgefühl geht.

Sogar in diesem „Worst-Case-Szenario“, das vermeintlich für warm und rund klingende Crunch-Sounds gar nicht funktionieren möchte, klingen die Vox- und Marshall-Simulationen vor allem aufgrund der variablen, doppelten Speaker-Simulationen immer noch passabel, und es stellt sich ein gesundes Spielgefühl ein, denn die Mitten sitzen richtig und die Kompression stimmt.

Auch die Stereo-Spread-Funktion hilft dem Klangbild enorm auf die Sprünge, denn hier lassen sich, indem man unterschiedliche Cabinets auf den beiden Ausgänge simuliert und die frequenzabhängige Verteilung des Signals durch die Spread-Funktion auf die beiden Seiten des Stereobildes verteilt, ein etwas aufgeräumteres und dennoch luftiges Gesamtklangbild erzeugen, das sogar an einem Mittelklasse-Kopfhörer Spielfreude bereitet, sofern man nicht versucht, dem Gerät stark verzerrte Klänge zu entlocken.

Die Entwickler haben dem Simplifier nämlich relativ konservative Gain-Reserven spendiert und so muss man schon mit lauten Tonabnehmern und einer hohen Dynamik spielen, um der Marshall-Plexi- oder der Vox-AC30-Sim Classic-Rock-Zerrgrade abzuringen. Die Fender-Blackface-Simulation bleibt natürlich nochmals cleaner und somit bietet der Simplifier überhaupt keine modernen High-Gain-Sounds. Hierin liegt aber auch ein entscheidender Vorteil des Simplifiers, denn er lässt sich prima mit Pedalen kombinieren und erfüllt auf dem Pedalboard eben genau das, was der Hersteller verspricht.

Nicht nur der serielle Einschleifweg funktioniert tadellos, auch die Kombination von Röhren-Preamp-Pedalen, wie zum Beispiel dem Kingsley Page (ebenso wie Page DS, Constable oder Serf), dem Hughes & Kettner Tubefactor oder dem Mesa-Boogie-V-Twin-Pedal mit dem DSM & Humboldt Simplifier funktioniert extrem gut und liefert schlagartig ausgesprochen musikalische Ergebnisse mit dennoch direktem Spielgefühl und guter Kontrolle über die Tonentfaltung am Instrument.

Auch „Amp in a Box“-OD-Pedale harmonieren mit dem Simplifier, und er unterstützt mit seinen drei Simulationen den typischen Charakter der Pedale, sofern man die passenden Kombinationen auswählt. Die Z.Vex Box of Rock oder Alexander Pedals Jubilee Silver klingen hierbei mit der Plexi-Simulation des Simplifiers plausibel, aber weniger authentisch mit der Vox oder Fender Simulation – so wäre es eben auch in Kombination mit echten Röhrenverstärkern.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Nicht viele Produkte, die vollkommen analog aufgebaut sind, können mit dem Simplifier mithalten. Sicherlich klingen Kemper, Axe FX & Konsorten authentischer nach einem mit Mikrofon abgenommenen Röhrenverstärker, dennoch kann der DSM & Humboldt mit seinem direkten Spielgefühl und druckvoller Tonentfaltung in den Mitten klar punkten und sich somit im Band-Mix bei gleicher Lautstärke etwas besser hörbar machen als die digitale Konkurrenz.

Das auffällig stimmige Verhalten des DSM & Humboldt Simplifiers in Kombination mit diversen Pedalen ist jedoch die größte Stärke das Produkts.

PLUS

● sehr gute Low-Gain-Sounds
● direkte Tonentfaltung
● Stereo-Spread-Funktion
● Verarbeitungsqualität
● sehr pedalfreundlich

MINUS

● wenig Gain

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2021)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.