Im Interview

Steve Lukather: “No clix, no fix”

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(Bild: Alex Solca)

Ein Gerichtsverfahren wegen finanzieller Ansprüche von Ex-Schlagzeuger Jeff Porcaro, der Tod seines engen Freundes Edward Van Halen, abgesagte Touren aufgrund der Corona-Pandemie – es gab glücklichere Jahre im Leben des Gitarristen von Toto. Immerhin: Mit seiner neuen Music Man LIII und einem neuen Soloalbum gibt es auch Erfreuliches zu berichten.

Steve Lukather ist eine ehrliche Haut. In seiner Biografie ‚The Gospel According to Luke‘ gewährt der 63-Jährige Einblicke hinter Studiotüren und auch in die dunklen Kapitel seines Lebens. In unserem ausführlichen Gespräch erzählt er bemerkenswert offen über den verlorenen Gerichtsprozess gegen die Witwe von Schlagzeuger Jeff Porcaro und deren finanziellen Ansprüche gegenüber Toto mit so so einschneidenden und haarsträubenden Ein Gerichtsverfahren wegen finanzieller Ansprüche von Ex-Schlagzeuger Jeff Porcaro, der Tod seines engen Freundes Edward Van Halen, abgesagte Touren aufgrund der Corona-Pandemie – es gab glücklichere Jahre im Leben des Gitarristen von Toto.

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Immerhin: Mit seiner neuen Music Man LIII und einem neuen Soloalbum gibt es auch Erfreuliches zu berichten. Details, dass wir sie allein schon aus rechtlichen Gründen lieber auslassen. Nur so viel: Toto-Fans dürfen sich auf eine ‚Dogz Of Oz‘- Tour freuen, mit alten Songs in neuer Besetzung. Wenn Corona dies zulässt.

Für alle Anderen, denen das egal ist, oder die ihn sowieso nicht mögen, hat Luke mit ‚Serpent Soul‘ eine finale Abrechnung in Songform geschrieben, deren Text Bände spricht. Ein Lichtblick: Beatles-Legende Ringo Starr, in dessen All-Starr-Band Luke seit Jahren Gitarrist ist, kam zum 80. Geburtstag in Lukes Haus in den Hollywood Hills und trommelte auf ‚Run To Me‘ gleich mal sein eigenes Geburtstagsständchen ein. Als Luke seiner Freundin Amber noch die Liebeserklärung ‚I Found The Sun Again‘ schrieb, war dies der Startpunkt für ein neues Soloalbum.

Luke, mit welchem Konzept bist du an die Aufnahmen von ‚I Found The Sun Again‘ herangegangen? Es gibt da dieses Zitat von dir: „no clix, no fix“.

Richtig. Kein Click-Track, keine nachträglichen Korrekturen. Die einzigen Overdubs auf diesem Album sind die Gesangsspuren. Wir haben jeden Tag einen Song aufgenommen. Die Session hat genau acht Tage gedauert, die gesamte Produktion 16 Tage. Ich bin ziemlich stolz darauf, denn das ist, wie ein Buch fehlerfrei auf einer Schreibmaschine zu schreiben. Ich hab einfach keine Lust mehr auf Perfektion, auf hundert Takes im Studio. Da ist mir die Zeit zu schade. Ich wollte eine Platte machen, die vom Gefühl her an die 70erJahre erinnert aber die klanglichen Qualitäten von 2020 besitzt.

Toto-Kollege Joseph Williams singt auf mehreren Titeln von ‚I Found The Sun Again‘. Die beiden haben sich gegenseitig bei ihren Solo-Alben musikalisch unterstützt. (Bild: Alex Solca)

Auf dem Album sind fünf Songs von dir, dazu drei Coversongs: Joe Walshs ‚Welcome To The Club‘, Robin Trowers ‚Bridge Of Sighs‘ und eine fast zehnminütige Version von Traffics ‚Low Spark Of High Heeled Boys‘. Was macht diese Songs besonders für dich?

Sie haben mich als junger Musiker begeistert, deswegen wollte ich ein Album mit diesem Zeitgeist machen. Ich bin zurück in meine Kindheit gegangen und habe mich gefragt, was für Bands mich damals fasziniert haben. Und welche Songs dieser Bands so gut wie nie gespielt werden und den Kids heute kaum bekannt sind. Im Geist dieser Ära hab ich ‚I Found The Sun Again‘ angelegt: Alle Musiker spielen gemeinsam in einem Raum und zum Schluss wird der Gesang drübergelegt. So arbeitet heute keiner mehr. Und wer macht heute schon Jams auf Alben? Die Kids wissen gar nicht mehr, was das ist!

(Bild: Christian Tolle)

Ringo-Starr spielt Schlagzeug, wie man im Video zu ‚Run To Me‘ sehen kann.

Ich muss mich immer wieder kneifen, um zu kapieren, dass wir befreundet sind! Weißt du, wir haben im Sommer Ringos 80. Geburtstag bei uns zu Hause gefeiert. Das sagt einiges, oder? Ich schrieb ‚Run To Me‘ als Hommage. Ein fröhlicher Song in traurigen Zeiten. Dass er spontan dazu Schlagzeug gespielt hat, war eine besondere Freude.

Als junger Musiker hast du auf unzähligen Scheiben mitgespielt. Hat das jetzt als Sideman für Ringo dein Spiel oder deine Sichtweise verändert?

Nein. Wenn wir Beatles-Songs spielen, versuche ich, diese Klassiker so authentisch wie möglich zu interepretieren. Bei einem Santana-Song versuche ich, Carlos Respekt zu zollen. Oder Todd Rundgren. Oder Graham Gouldman (10cc). Ich versuche ihren Ausdruck rüberzubringen und am Ende dem Song noch einen persönlichen Dreh zu verpassen. Es geht darum, ihre Signature-Licks so authentisch wie möglich zu spielen. Das ist etwas, dass ich von Anfang an gut konnte: ein Teamplayer zu sein!

Inzwischen habe ich einfach nur mehr Erfahrung. Stilistisch kann ich so ziemlich alles spielen. Klanglich kann ich mich einrichten. Ich habe nur genug davon zu lesen, ob ich toll sei oder ein Versager. Ja, es gibt siebenjährige, japanische Kinder, die schneller shredden als ich. Na und? Ich habe kein Problem damit. Aber all den Gitarrenwunderkindern, die im Internet über mich lästern, sage ich: Wenn ihr mal 45 Jahre als Profimusiker drauf habt, dürft ihr mich anrufen. Ich habe zahllose Studio-Sessions gespielt, bin Teil der Musician‘s Hall Of Fame, hab eine Garage voll goldener Schallplatten. Und Joe Satriani, Steve Vai, Nuno Bettencourt, Zakk Wylde, Jeff Beck – sie alle sind gute Freunde von mir. Nur das bedeutet mir etwas.

Und Eddie Van Halen natürlich.

Sein Tod hat mich wirklich berührt. Edward war einer meiner engsten Freunde. Mein Buddy. Er und ich haben eine Menge erlebt, gute und schlechte Zeiten, haben viel Mist durchgemacht, inklusive Beziehungsproblemen, Scheidungen, Band-Stress und Alkoholproblemen. Wir haben alles zusammen durchlebt. Edward hat die letzten zehn Jahre unglaublich hart gekämpft. Es war für mich manchmal schwer, das mit anzusehen. Aber Edward war eine starke Persönlichkeit, er hat den Kampf immer wieder durchgestanden. Bis auf das letzte Mal. Als er starb, starb etwas mit mir.

Reden wir über deine neue Music Man LIII Signature. Die Weiterentwicklung liegt vor allem in den Tonabnehmern. Anstelle der DiMarzio Transitions sind diesmal Music-Man-Custom-High-Output-Pickups verbaut.

Dudley Gimpel von Music Man, der gerade in den Ruhestand gegangen ist, hat viel Zeit und Liebe darauf verwendet, mir ein paar Pickups zu wickeln, die noch besser sind, als meine DiMarzios. Versteh mich nicht falsch, ich liebe Larry, uns verbindet eine tolle Freundschaft. Und ich spiele natürlich weiterhin die Gitarren mit seinen Tonabnehmern. Aber meine neue LIII ist die einzige Gitarre, die ich auf diesem Album spiele. Abgesehen von meinen Yamaha-Acoustics. Und so sollte es sein: Eine Gitarre, die perfekt für das ist, was du gerade machst. Music Man ist die beste Company der Welt. Ich kenne alle Leute dort, mit vielen von ihnen bin ich seit mehr als 30 Jahren befreundet.

Auf dem neuen Album hat Steve – neben seinen Yamaha-Acoustics – ausschließlich die neue Music Man LIII gespielt. (Bild: Ernie Ball)

Aber konkret: Was ist anders an den neuen Pickups?

Nun, für mich bieten sie das Beste aus beiden Welten. Ich habe Dudley lange erklärt, dass ich einen Hybrid-Sound zwischen Les Paul und Stratocaster möchte. Das sind die Sounds, die ich heute vorrangig brauche. Und weil ich loyal bin, spiele ich meine Music Mans und nicht meine Vintage-Gitarren.

Bei diesem Album und seinem Siebziger-Vibe hättest du aber auch dein Vintage-Equipment benutzen können.

Sicher! Nur warum? (lacht) Damit ich sagen kann, es sei eine Vintage-Produktion? Vintage-Gear ist großartig, wenn es funktioniert. Aber manchmal tut es das nicht. Eine von meinen Les Paul Deluxe habe ich für 50.000 US-Dollar an einen japanischen Sammler verkauft. Denn wenn ich sie eingestöpselt habe, klang sie einfach nicht mehr wie damals, 1979. Wenn du alte Gitarren und Amps nicht ständig spielst und mit viel Zuwendung pflegst, sterben sie langsam. Frag mal Joe Bonamassa! Er sitzt oft stundenlang da und ärgert sich, wenn seine alten Sachen nicht so klingen wie vor 50 Jahren. Und ich bin nicht so Vintage-Enthusiast wie Joe!

Was ist mit deinen alten Gitarren?

Natürlich habe ich meine 1959er Burst (Serial Number 9 0494) immer noch, auch meine 1951er Esquire und meine 1971er ES-335. Auch meine Les Paul Deluxe, die mein Vater mir gekauft hat, und auf der ich ‚Hold The Line‘ spielte. Sie ist in der Musician‘s Hall of Fame in Nashville ausgestellt. Diese Gitarre hat mein Leben verändert. Ein gutes Instrument. Aber meine 1959er Burst ist vermutlich nicht bezahlbar, weil so viele auf ihr gespielt haben, zum Beispiel George Harrison beim Jeff-Porcaro-Tribute-Konzert. Auf ihr habe ich unzählige Sessions gespielt, einschließlich zahlloser Hits. Meine Burst ist berühmter als ich! (lacht)

Ich bin sehr dankbar im „Club ’59“ zu sein mit Billy Gibbons, Jimmy Page und all meinen Helden. Joe Bonamassa kam mal zu mir und schenkte mir ein paar originale Parts, weil ich an meiner Les Paul im Laufe der Jahre ein paar Mechaniken ersetzen musste. Joe ist ein total netter Typ. Wenn du zu ihm kommst, riecht das ganze Haus wie ein Vintage-Gitarrenladen! Joe gibt halt sein komplettes Geld für alte Gitarren und Verstärker aus. Auf jeden Fall besser als für Drogen! (lacht)

Zurück zu deinen Music Mans. Beide Modelle haben natürlich den Gain Boost Volume Knob. Dabei besitzt dein Sound kontinuierlich weniger Gain.

Klar, wenn du Gain voll aufreißt, brauchst du deine Finger ja kaum noch zu bewegen und du shreddest schon. Du weißt, was ich meine. Wo ist da die Artikulation? Ich spiele inzwischen sowieso mehr Legato, seit wir vor fünf Jahren einen Unfall mit unserem Tourbus hatten. Seither habe ich Probleme in beiden Armen. Eine Zeit lang konnte ich kaum eine Kaffeetasse halten. Es war ein langer Weg zurück, denn meine Ärzte entschlossen sich dazu, mich nicht zu operieren, weil das Risiko bestanden hätte, durch einen verletzten Nerv das Gefühl in meinen Händen zu verlieren.

Ich stand also vor der Entscheidung vielleicht nie wieder Gitarre spielen zu können oder eben mit latenten Schmerzen leben zu lernen. Ich entschied mich für die zweite Variante und passte meine Spielweise ein wenig an. Aber worin liegt ohnehin der Sinn zu shredden, wenn du mitansehen musst, wie dich ein japanischer Siebenjähriger an die Wand spielt? (lacht)

Du schwärmst, du hättest nie bessere Hälse gespielt als die aktuellen LIII aus Roasted Selected Birdseye Maple, nur mit Öl behandelt. Du hast ja inzwischen viele verschiedene Hälse und Mensuren gespielt. Was war das Vorbild für den neuen Neck?

Hier stand meine 1979er Valley-Arts-Robot-Gitarre Pate. Ihr Hals lässt sich sensationell einfach spielen, er ist leicht und perfekt an meine Hände angepasst. Diesen Hals haben sie digital abgescannt und exakt kopiert. Das Lustige ist, dass Dudley damals bei Valley Arts gearbeitet und mir diese Gitarre gebaut hat! Ich kenne ihn tatsächlich seit den Siebzigern. Mann, wie habe ich es geschafft so alt zu werden? (lacht)

Einziger Amp auf dem Album: Bogner Helios 100 Eclipse (Bild: Christian Tolle)

Kam auf ‚I Found The Sun Again‘ eigentlich dein Bogner zum Einsatz?

Mein Bogner Helios 100 Watt Eclipse ist der einzige Amp auf dem Album, plus ein, zwei Tretminen. Dieses Album ist so einfach wie du es dir nur vorstellen kannst. Ich hab mir viele alte Scheiben angehört, von David Gilmour, Joe Walsh oder Ritchie Blackmore. Viele Gitarristen jener Ära hatten nur ein bisschen Delay, mehr nicht. Mehr habe ich in den Siebzigern auch nicht benutzt. Dann kamen die Achtzigerjahre und Bob Bradshaw baute mir ein Effektsystem. Ich war dermaßen begeistert, dass ich alles auf einmal benutzt habe! Ich hatte einen Fuzz-Stereo-Chorus-Flanger-Delay-Sound! (lacht)

Ich erinnere mich noch genau an dieses Demo-Video! Es markierte den Beginn einer neuen Ära. Und natürlich habe ich später auf die Fresse bekommen, dass ich derjenige gewesen sei, der den Gitarren-Sound kaputt gemacht habe. Aber um ehrlich zu sein: Ich wurde gebeten, das zu tun! Ich wurde gebeten, all die Sound-Möglichkeiten zu zeigen, die machbar waren. Und als Session-Player habe ich ihnen gegeben, was sie wollten, denn du möchtest schließlich wieder angerufen werden. Obwohl das mehr als 30 Jahre her ist, denken viele Leute immer noch, das sei mein Sound. Ist es aber nicht.

Lukes Live-Pedalboard, im Studio hat er sich allerdings mit kleinem Besteck zufriedengegeben. (Bild: Christian Tolle)

‚I Found The Sun Again‘ klingt trotz der allgegenwärtigen Pandemie sehr optimistisch.

Ich habe mich im vergangenen Jahr in meine Freundin Amber neu verliebt und hoffe, dass sie eines Tages auch meine Frau wird. Hoffentlich auch die letzte in meinem Leben! Ich bin zweimal geschieden! Nochmal möchte ich den Fehler nicht machen. Amber erleuchtet mein Leben. Dieser Song ist für sie. Und ich will inzwischen von allem loslassen und nicht mehr wütend sein. Ich habe meine Familie um mich und war noch nie glücklicher in meinem Leben.

Vielen Dank fürs Gespräch!

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2021)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Seit wann spielt Luke einen Eclipse? Er spielt nur den normalen Helios, auf dem Bild ist auch ein standard Helios zu sehen?

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