In den letzten Jahren haben afrikanische Bands wie Tinariwen oder Imarhan für einen Boom außerhalb ihrer Heimat gesorgt. Ihre spannende Musik mixt Blues und Rock mit der eigenen Tradition. So vertont man mit hypnotischen Grooves die Weite der Wüsten-Landschaft und thematisiert zugleich gesellschaftspolitische Probleme. Diese Grundstimmung findet sich zwar auch auf dem dritten Album ,Optimisme‘ des malischen Quartetts Songhoy Blues, doch ihre Songs wirken vergleichsweise kompakter und druckvoller, werden befeuert von Rock-Riffs, treibenden Drums und dynamischen Bässen, was einfach mitreißt. Von weichgespülter World Music keine Spur.
Es sind die Grooves von Garba Touré (g), Oumar Touré (b) und Drissa Kone (dr), die den Hörer sofort packen. Dabei fallen sie meist recht komplex aus, wie etwa in ,Assadja‘ oder ,Gabi‘. Die traditionelle Polyrhythmik der Band erinnert an Jazz oder originäre Blueser wie John Lee Hooker und Blind Willie Johnson – was noch einmal darauf hinweist, dass die Wurzeln von Blues, Jazz und letztlich Rock in afrikanischen Ländern wie Mali liegen. Gleichwohl kam es dabei auch zu einer Feedback-Wirkung, eben von der westlichen Pop-Musik wieder zurück auf den afrikanischen Kontinent. In diesem Spannungsfeld steht dann auch ,Optimisme‘. So wechselt die Band in ,Pour Toi‘ von einem gemächlichen Groove abrupt in einen scharfen 70er-Disco-Beat. Zu alldem singt Frontmann und Gitarrist Aliou Touré ausdrucksstark in seiner Heimatsprache oder auch mal in Französisch und Englisch. Lead-Gitarrist Garba Touré hat einen ganz eigenen Stil, der durch rhythmische Fein- und Freiheiten sowie eine lebendige Phrasierung geprägt ist.
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Außerdem fallen seine dynamischen Crunch-Sounds à la Jimi Hendrix auf, die in Solopassagen auch mal heftiger ausfallen können. Das dritte Album von Songhoy Blues klingt sehr organisch, ganz so als hätte man im Studio das meiste live eingespielt. Das dies so war, legt dann auch eine Bemerkung von Sänger Aliou Touré nahe:
„Matt Sweeney sagte etwas Wichtiges einen Tag bevor wir ins Studio gegangen sind. Er meinte: ‚Wir müssen ein richtiges Songhoy-Blues-Album machen. Die Bühnenenergie von Songhoy Blues ist unglaublich. Warum packt ihr diese Energie nicht direkt in die Songs?‘ Und genau das haben wir gemacht.“
Mit Matt Sweeney von Chavez hatte man nicht zum ersten Mal einen prominenten Indierocker hinter dem Mischpult sitzen. Yeah-Yeah-Yeahs-Gitarrist Nick Zinner produzierte das Debütalbum ,Music In Exile‘ von 2015. Zwei Jahre später wirkte dann Neil Comber (u.a. Gengahr, Florence + The Machine, Lianne La Havas, M.I.A.) an der Entstehung von ,Résistance‘ mit. Daneben tauchte Songhoy Blues auch in dem preisgekrönten Film ‚They Will Have To Kill Us First‘ von 2015 auf, der die Lage von Musikern in dem von Bürgerkriegen, Armut und Korruption gekennzeichneten westafrikanischen Staat dokumentiert.
Schließlich trat die Band im Laufe der Jahre auch bei diversen großen Festivals auf, darunter Glastonbury, Bonnaroo, Roskilde, Montreaux oder Meltdown. Mit ,Optimisme‘ befindet man sich nun auf dem vorläufigen Höhepunkt der seit dem ersten Album ziemlich rasant verlaufenden Karriere. Doch die Geschichte der Band beginnt noch ein paar Jahre früher, wie Garba Touré zu Beginn erzählt.
INTERVIEW
Garba, wann und wo wurden Songhoy Blues gegründet?
Das war 2012 in der Hauptstadt Bamako während der politischen Krise in Mali.
Blues ist der bekannte Teil des Bandnamens, was bedeutet Songhoy?
Nun, der Blues ist ein Teil der nördlichen Kultur in Mali, aber er heißt traditionell Gambari oder Ndjerou. Blues ist eine westliche Bezeichnung. Songhoy ist der Name unseres alten Reiches als es noch andere Gebiete umfasste.
Auf eurem zweiten Album ,Résistance‘ ist Iggy Pop als Gast in ,Sahara‘ zu hören. Sein tiefer sprechartiger Gesang passt perfekt zur Wüstenatmosphäre. Wie kam es zur Zusammenarbeit?
Ja, richtig – Iggy beeindruckte uns mit seiner magischen Stimme. Sie passte gut zu unserer Musik. Unser Platten-Label Transgressive hat die Zusammenarbeit möglich gemacht.
Ihr seid bekannt dafür, politische und soziale Probleme in Mali und anderen afrikanischen Staaten zu thematisieren. Welche Dinge habt ihr in den neuen Songs angesprochen?
Wir singen, um auf die Notwendigkeit hinzuweisen, dass die Lebensbedingungen in Mali verbessert werden müssen. Wir singen, um dauerhaften Frieden und Sicherheit im Land zu befürworten. Auf unserem neuen Album singen wir zum Beispiel gegen die Zwangsverheiratung von Frauen. Wir wertschätzen das Recht afrikanischer Frauen ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Wir kämpfen also für die Freiheit junger afrikanischer Frauen. In ,Assadja‘ heben wir den Mut unserer Bauern, Fischer, Schäfer, Händler, Kulturschaffenden und anderer hervor, die für unser Land kämpfen.
Wie würdest du den Einfluss von Produzent Matt Sweeney auf das Album beschreiben?
Matt ist ein großartiger Mensch wie auch Produzent. Er liebt verschiedene Arten von Musik, und mit seiner Hingabe wusste er, wie unsere Songs zu arrangieren waren ohne sie zu verfälschen. Wir mögen seine Methoden.
Kommen wir zu dir. In welchem Alter hast du mit der Gitarre angefangen?
Mit neun oder zehn spielte ich die ersten Noten auf einer Akustikgitarre meines Vaters.
Dein Vater spielte Percussion in der Band von Mali-Bluesman Ali Farka Touré. Hat dich das beeinflusst selber Musik zu machen?
Als ich noch ein Kind war, wollte mein Vater nicht, dass ich Gitarre spiele. Stattdessen sollte ich mich auf das Lernen konzentrieren. Eines Tages hörte er mich spielen und da wurde ihm klar, dass ich nichts anderes machen konnte, außer Gitarre zu spielen. Und dass es für mich unmöglich sein würde, dieses Instrument ein weiteres Mal aufzugeben.
Welche Musik hörst du?
Ich mag alle Arten von Musik, besonders Rock und Blues.
Hast du spezielle Gitarrenidole?
Klar, ich liebe Stevie Ray Vaughan, Jimi Hendrix, Johnny Winter, John Lee Hooker, Ali Farka Touré, Sékou „Bembeya“ Diabaté und viele andere mehr.
Beim Betrachten verschiedener Live-Videos der letzten Jahre, scheint es so, dass du immer zwischen Gibson SG und Fender Stratocaster gewechselt hast. Welche Gitarre bevorzugst du heute?
Derzeit wechsle ich meine Gitarre nicht mehr. Ich mag die Fender Stratocaster. Ich liebe ihren Sound, aber die Gibson SG bleibt mein Favorit. Die Sache ist nur die, dass ich keine besitze. Ich habe mir eine SG für Tourneen geliehen.
(Bild: Garba Touré)
Spielst du im Standard-Tuning oder setzt du auch offene Stimmungen ein?
Ich spiele im Standard-Tuning, aber wir benutzen auch traditionelle malische Rhythmen bei denen wir traditionelle Stimmungen verwenden, die ähnlich klingen wie eine Geige, ein Monochord oder eine Ngoni (die traditionelle ein- bis siebensaitige, gezupfte Laute Malis, Anm. d. Verf.).
Schlägst du die Saiten mit einem Plektrum oder nur mit den Fingern an?
Ich setze meistens ein Plektrum ein, aber es gibt auch Rhythmen, die ich ohne Pick spiele.