(Bild: Dieter Stork)
Kennt ihr das? Man sieht ein Foto in einem Booklet, auf einem Cover, in einem Heft und SpielerIn und Instrument brennen sich im Gedächtnis ein? Paul Simonon (The Clash) und sein Preci vielleicht (okay, schlechtes Beispiel … ), Phil Lynott und sein Preci (besser), Tal Wilkenfeld und ihr Sadowsky, Tina Weymouth und ihr Höfner, oder eben Sting mit … nicht mit seinem Früh-50er-Preci oder dem Ibanez Musician, der bei Police so präsent war, sondern einem weißen Spector.
Im Antiquariat lief mir ein älteres Buch über den Weg – ‚The Police‘ von James Milton von 1984 – mit vielen Fotos unter anderem auch von der Synchronicity-Tour, auf der der weiße Spector Stings Hauptbass war, und irgendwie zündete der bei mir noch mehr als die versammelten Ibanez, Fender und Hamer.
VON BROOKLYN NACH BÖHMEN
Wenn dann die Redaktion fragt, ob ich einen weißen Spector testen möchte – wie könnte ich da nein sagen? Und so steht er nun vor mir, natürlich nicht als US-Bass aus den frühen 80ern, sondern als brandneuer Euro-Spector. In Tschechien in Handarbeit gebaut hat der Euro 4 Classic den durchgehenden Hals aus drei Teilen Ahorn, was dank der perfekten Lackierung nicht zu verifizieren ist, wird schon stimmen!
Auch die Korpusseitenteile, die dem Body seine charakteristische Wölbung verleihen, bestehen aus nordamerikanischem Ahorn. Das gehört nicht eben zu den leichten Hölzern, weshalb mit Weight Relief gearbeitet wird, sprich nicht sichtbaren Ausfräsungen, die den Bass erleichtern. Im Ebenholzgriffbrett sitzen die klassischen Spector-Crown-Inlays und dazu 24 sauber verarbeitete Medium-Jumbo-Bünde. Bei den Mechaniken fiel die Wahl auf güldene Gotohs GB7 mit Spector-Label und der alten Fügelform.
Die Brücke ist wie schon seit Jahren eine Spector, hier aus Aluminium. Die Saitenabstände sind fest, die Höhe der Reiter kann justiert, die Oktave eingestellt werden. Waren die alten Brücken noch nach dem Steinberger-Prinzip (der den NS-2 seinerzeit für Stuart Spector entworfen hat) mit vier von Hand verschiebbaren Reitern, haben diese jetzt die übliche Schraube und Feder, was entspannter und präziser einzustellen ist. Wie gehabt werden die Saiten, ab Werk D‘Addario EXL170, einfach eingehängt und nach erfolgreicher Justierung können die Reiter mit zwei Inbusschrauben fixiert werden. Neben den konventionellen, großen Gurtpins gehört bei Spector auch der Sattel zu den Metallteilen. Der ist aus Messing, ebenfalls vergoldet, und sauber gekerbt mit korrekter Saitenlage über dem ersten Bund.
Die Standardbestückung in den 80ern waren EMG-Pickups, die sich auch im an diese Modelle angelehnten Euro Classic wiederfinden. Der P-Pickup ist reverse, etwas, das Spector zwar nicht erfunden hat – da war beispielsweise Yamaha eher dran – aber sie haben es definitiv mit popularisiert. Die Elektronik ist das BTS, ebenfalls von EMG. Volume und Blend sind gekoppelt mit Bässen und Höhen, angeordnet in der klassischen Spector-Raute. Außer dem Volume-Regler rasten alle mittig ein, die Frequenz und Charakteristik des Treblepotis kann an zwei DIP-Schaltern intern eingestellt werden.
Die Verkabelung mit den Steckverbindern sieht eigentlich automatisch sauber aus, trotzdem hat sich der tschechische Hersteller nochmal extra Mühe gegeben, ordentlich aufzuräumen. Sehr gut! Die nötige Batterie sitzt in einem separaten Fach, was mit dem Finger einfach zu öffnen ist. Verpolungssicher ist es auch, damit ist ein flotter Wechsel schlimmstenfalls sogar auf der Bühne hinzubekommen. Die Potiknöpfe sind schön griffig, die Markierung allerdings eher unauffällig. Witzigerweise ist die bei allen Potis oben, wenn sie in der Mitte einrasten – und das Volume-Poti auf null gedreht ist. Vielleicht wurde der Bass für einen Playback-Basser gebaut? Ist ja aber schnell geändert.
Abschließend noch ein Wort zur Lackierung: meisterlich! Die Übergänge zum Griffbrett sind so exakt und sauber, dass es nicht besser sein könnte, die Lackierung selbst ist frei von jeglichen Unebenheiten. So soll das sein!
(Bild: Dieter Stork)
ELEGANT AGGRESSIV
Die gewichtssparenden Fräsungen machen sich deutlich bemerkbar, statt um die 4,5 kg, die bei älteren Euro 4 normal sind, bringt der Euro 4 Classic nicht mal 3,7 kg auf die Waage. Irre angenehm zu tragen, allerdings wird der Bass dadurch auch etwas kopflastig. Das ist aber im mit einem guten Gurt beherrschbaren Bereich. Der Komfort des gewölbten Korpus bei Spector ist legendär, da macht auch der Euro Classic keine Ausnahme, mehr Shapings braucht der abgerundete Body nicht.
Erstmal trocken alle Töne angespielt – da schnarrt doch was? Tatsächlich, bei der ab Werk eingestellten flachen Saitenlage rasselt im 16. Bund auf der G-Saite gegriffen das nächste Bundstäbchen, unter das ich mit dem Fingernagel minimal unterhaken kann. Das müsste wohl nochmal mit dem Bundhammer gestreichelt werden, das sollte schon reichen. Erreichbar sind die Bünde bis zum 22. locker, darüber muss ich mich trotz durchgehendem Hals und ergonomischem Übergang in den Korpus etwas strecken. Selbiger Hals gehört mit knapp 42 mm am Sattel nicht zu den schmalsten, mit fast 24 mm Dicke am 1. Bund und einem annähernden U-Shape nicht zu den dünnsten, trotzdem liegt er wunderbar in der Hand und ist lange ermüdungsfrei zu spielen. Vor allem im Sitzen spürt man jeden Ton über das obere Horn im Brustbein vibrieren – fühlt sich gut an!
(Bild: Dieter Stork)
Am Amp klingt der Bass auch alles andere als dünn. Schon in der Neutralstellung des EQ fehlt mir nichts. Growl und durchsetzungsfreudige Hochmitten werden getragen von trockenen Bässen und oben von klaren Höhen getoppt. Gerade wenn ich etwas kräftiger reinlange, wird der Ton ruppiger und setzt sich in der Band locker durch. Erinnert mich vom Effekt her an den Music Man StingRay, der sich (mit natürlich anderem Sound) genauso durchbeißt und raushörbar ist.
Während der Reverse-P am Hals alleine wunderbar klarkommt und eine saubere Preci-eske Leistung abliefert, darf dem Kollegen am Steg mit dem aktiven Bassregler gerne unter die Arme gegriffen werden, dann ist er sagenhaft fett und präzise. Wer dem Jaco-Ton huldigen möchte, wird diesen Bass wahrscheinlich eh nicht in Betracht ziehen. Apropos Jaco: Wichtiger Teil seines Tons war auch die Höhenblende. Während der lange verwendete Spector-Tonepump-EQ nur der Anhebung mächtig war, kann die EMG-Elektronik auch absenken.
Ab Werk ist der Höhenregler auf einen breitbandigen, relativ tief ansetzenden Kuhschwanz eingestellt. Meinen Geschmack trifft eher die schmalbandigere Variante, egal ob Glockenkurve oder Kuhschwanz. Ist aber schnell geändert, zumal der Deckel vom E-Fach mit Gewindeschrauben befestigt ist. Auf jeden Fall taugt der Regler sehr gut, um den Ton zu entschärfen, milder und wärmer zu bekommen. So lassen sich dann auch dezentere Begleitsounds problemlos aus dem Euro Classic zaubern. Wie flexibel ein Spector dabei ist, zeigen Bass-Player von Hard & Heavy (Kip Winger, Ian Hill, Alex Webster) zu Funk (Doug Wimbish) und Pop (Graham Maby, Guy Pratt), und diese Flexibilität darf man auch vom Spector Euro 4 Classic erwarten.
RESÜMEE
Zurück in die 80er, Vorwärts in die 2020er – diesen Spagat meistert der Spector Euro 4 Classic spielend. Mit Updates gegenüber damals, wie reduziertem Gewicht, EMG BTS, separatem Batteriefach, oder massiver Brücke bietet er maximalen Komfort für SpielerInnen, ohne bei charakteristischen Spector-Eigenschaften in Bezug auf Bespielbarkeit und Sound Kompromisse einzugehen. Von dem Faux-Pas mit dem vorwitzigen Bundstäbchen abgesehen leistet sich der Spector Euro 4 Classic keine Schwächen, die Verarbeitung ist sonst makellos.
Auf YouTube finden sich übrigens Mitschnitte der Synchronicity-Tour, auf denen Sting samt weißen Spectors zu sehen ist, den er später der Rock’n‘Roll Hall of Fame vermachte. Und wenn ihr schon da seid, sucht gleich noch nach Queensrÿche mit Eddie Jackson zu Zeiten von Operation Mindcrime und Empire, der zeigt, was für einen Abriss man mit einem Spector und hartem Anschlag anrichten kann.
PLUS
● Sound
● Bespielbarkeit
● Komfort
MINUS
● 16. Bund steht etwas hoch
(erschienen in Gitarre & Bass 01/2021)