Hamburg Calling

Test: König & Brüggen Ava

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(Bild: Dieter Stork)

Schöne Geschichte: Zwei junge talentierte Gitarrenbauer präsentieren uns ihre ureigenste Interpretation einer Steelstring.

Ihre Werkstatt gründeten Mario Brüggen und Robin König 2019 in einem Gewerbehof im Hamburger Stadtteil Ottensen. Und dort wird eben nicht nur repariert, gewartet und modifiziert, sondern auch Eigenes entwickelt. Die Ava war das Einstiegsprojekt, und wir haben hier tatsächlich Exemplar Nr. 2 zum Test vorliegen. Wie cool ist das denn?!

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EIGENE WEGE

Vorweg nochmal ganz deutlich: Es handelt sich hier um ein Custom-Modell, das auf Kundenwunsch gefertigt wird. Hölzer, Pickups, Gurtpins, Griffbrettbreite, Inlays usw. – alles verhandelbar. Wir haben hier die Basis-Version der Ava vor uns. Eine richtig kleine Gitarre, in der Gesamtlänge etwa auf Niveau einer Parlor-Acoustic, aber völlig anders zugeschnitten. Stark taillierter Body, Schallloch auf der oberen Deckenhälfte, Halsansatz am 14. Bund und ziemlich schmale Zargen – das sind die Dinge, die sofort ins Auge fallen.

Die Decke aus massiver Zeder hat ihre Besonderheiten – mal ganz abgesehen vom Schallloch – insbesondere auf der Innenseite. Zwei Balken laufen von der Taille aus aufeinander zu und stützen sich gegen den Halsfuß unterhalb des Griffbrettendes, was die statischen Kräfte optimal umverteilt. Des Weiteren ist die Decke mit einer gebogenen Fächerbeleistung verstärkt, um bestmögliches Schwingungsverhalten zu erzielen.

Die Zargen sind, wie auch der bookmatched aufgeschnittene Boden, aus Madagaskar-Palisander. Interessant ist, dass sie ihre größte Tiefe im Bereich der Taille haben (88 mm) und nach vorne (78 mm) und hinten (81 mm) leicht abflachen, was natürlich unweigerlich eine leichte Wölbung von Boden und Decke mit sich bringt. Die Korpuskanten sind sehr geschmackvoll mit einem Binding aus ostindischem Palisander verstärkt. Das Palisander aus Madagaskar kommt dann wieder beim Steg zum Einsatz.

Die Saiten werden hier mit Holz-Pins fixiert und gehen über eine kompensierte Stegeinlage aus Knochen. Die Ava kommt bis hierher völlig ohne jedes Lametta (will sagen Abalone-Einlagen und sonstiges) aus, und das bleibt auch beim Hals so. Der ist aus Mahagoni, wie die ganze Gitarre mit Polyurethan-Lack auf Hochglanz gebracht und trägt ein Griffbrett wiederum aus Madagaskar-Palisander. Auf dem finden sich 22 (!) flache schlanke Bünde, die in Perfektion an den Enden verrundet und poliert wurden – das verspricht besten Spielkomfort. Dabei geben nur die kleinen Dots in der Griffbrettkante Orientierungshilfe.

Hals/Kopfplatten-Übergang mit starker Volute (Bild: Dieter Stork)

Mit einer Mensur von 628 mm laufen die Saiten über den Knochensattel Richtung Mechaniken. Rückseitig ist der Übergang von Hals zu Kopfplatte mit einer kräftig ausgeprägten Volute verstärkt. Als Oberfläche des Headstocks dient ein Aufleimer aus Madagaskar-Palisander, der beim Ausschneiden des Bodens übrigblieb. So wird dieser hier nochmal wunderbar zitiert. Die Abdeckplatte für den Zugang zum Halsstellstab (Trussrod Cover) ist aus dem Layer sauber ausgeschnitten und bündig wieder angepasst – cooles Detail! Die Schaller-Grand-Tune-Mechaniken sind offen, vernickelt und fügen sich mit den kleinen Butterbean-Stimmwirbeln bestens ins Bild.

Schön: bündig eingelassenes Trussrod-Cover (Bild: Dieter Stork)

EIGENSCHAFTEN

Total handlich, die Kleine. Alles ist nahebei, der schlanke Korpus liegt gut auf dem Schoß und dicht am Spieler, die Sicht aufs Griffbrett ist sehr gut. Das satte rundliche C-Profil füllt die linke Hand, das Griffbrett liefert mit 45 mm am Sattel ordentlich Arbeitsfläche, jetzt merke ich auch, wie perfekt die Saitenlage ist – spielt sich fast wie von selbst, die Ava. Und der Spaßfaktor schnellt dabei sofort in die Höhe, denn diese zierliche Erscheinung haut trotz aller Handlichkeit ein Klangvolumen raus, das sich sehen lassen kann.

Außergewöhnliche Schallloch-Konstruktion (Bild: Dieter Stork)

Der Spieler selbst profitiert da natürlich von der Position des Schalllochs. Sonor, vollmundig, holzig, abgehangen und schwingungsstark verschafft sich Ava Gehör. Respekt. Und so speziell die kleine Hamburgerin auch aussehen mag, sie ist eine Allrounderin. Auf diesem Instrument kann sich ein Bluegrass-Speedpicker mit Sicherheit genauso wohl fühlen wie ein Folk-Sänger, ein Weltmusik-Tüftler oder ein Instrumental-Jazzer. Bei einer Gitarre, die so detailreich den Input des Spielers wiedergibt, ist schon die Wahl des Plektrums entscheidend. Du willst mehr Höhen? Nimm ein dünneres Pick.

 

RESÜMEE

Alles in allem: Holzauswahl und Konstruktionsweise treffen hier voll ins Schwarze. Zunächst optisch, denn das Design ist in seiner klaren, schlichten und doch edlen, eigenständigen Weise ein Hit. Und dann eben klanglich, mit einem Sound der nichts vermissen lässt. Gratulation an Super Mario & den König! An diesen beiden Luthiers werden wir noch viel Freude haben.

PLUS

● eigenständiges, stimmiges Design
● Hölzer, Hardware
● Handling, Bespielbarkeit, Vielseitigkeit
● großer, vollmundiger Klang


3 Fragen an Robin König

Wie haben du und Mario zueinander gefunden, und wie ist eure Aufgabenteilung?

Wir haben zusammen bei Walter Kraushaar in Aachen Zupfinstrumentenmacher gelernt. Mario war ein Jahr früher dran als ich. In den drei Jahren, die wir zusammen gelernt haben, haben wir schon von einer gemeinsamen Werkstatt geträumt. Während Mario bei Kraushaar Gitarren blieb, habe ich mich 2013 in Hamburg selbständig gemacht. 2019 ist Mario dann eingestiegen. Wir teilen Neuanfertigungen und Reparaturen gleichmäßig auf und wechseln uns, wenn möglich, ab.

Habt ihr noch weitere Akustik-Modelle in Planung, oder auch schon im Angebot?

Wir haben zwei Hauptmodelle, die kleine Ava und die große Naoko, die wir schon in zahlreichen Versionen gebaut haben. Naoko haben wir aktuell als Bariton-Gitarre in der Ausstellung in unserer Werkstatt; uns schwebt da auch noch eine 12-Saitige ohne Cutaway vor. Ava wollen wir unbedingt noch als Jazz-Gitarre bauen und von Naoko gibt es als Modell „Esperanza“ ja auch schon eine semiakustische Jazz-Gitarre. Ein weiteres Grundmodell ist derzeit nicht in Planung, bei Ava und Naoko können wir mit unterschiedlichen Beleistungen und Hölzern noch viel ausprobieren, zum Beispiel indem wir mehr mit heimischen Hölzern arbeiten.

Wo seht ihr euch in fünf Jahren?

Wir wünschen uns für die nächsten fünf Jahre einen Zuwachs an Anfertigungen für Kund*innen. Wir möchten noch mehr interessante und inspirierende Instrumente bauen, aber auch gerne weiterhin eine gute Adresse für Reparaturen sein, am besten beides zu gleichen Teilen.

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2021)

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