Mit ‚Alphaville‘ haben Imperial Triumphant zum Höhepunkt der globalen Pandemie ein gleichermaßen verstörendes wie avantgardistisches Extreme-Metal-Album herausgebracht, dem sich weder die Metal-Presse noch die Fans der Band erwehren konnten. Das maskierte Trio zelebriert dabei konzeptionell seine Heimatstadt New York City – vom opulenten Glanz und Wohlstand bis hin zur düsteren und schmutzigen Schattenseite des Big Apple.
Besonders sticht dabei Zachary Ilya Ezrins unorthodoxes Gitarrenspiel heraus, das von Jazz bis Black Metal eine erstaunliche Bandbreite abdeckt und durch verschrobene Dissonanzen die eigenen Hörgewohnheiten auf den Kopf stellt. Da wir uns schon eine Weile persönlich kennen und ich mit meinem Label Total Dissonance Worship soeben ‚Alphaville‘ auf Kassette (ja, da lest ihr richtig) veröffentlicht habe, dachte ich mir, ich packe die Gelegenheit beim Schopfe und fühle dem Gitarristen und Sänger ein wenig auf den Zahn. Folgendes kam dabei heraus:
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Zachary, wie geht es dir in diesen Zeiten und während dieses schwierigen Jahres?
Den Umständen entsprechend ganz gut. Ich versuche beschäftigt und fokussiert zu bleiben. Meine Highlights bisher waren vor allem die Veröffentlichung von ‚Alphaville‘ und das damit einhergehende, hervorragende Feedback von Fans und Presse. Darüber hinaus natürlich die Tatsache, dass wir auf dem Decibel-Magazine-Cover gelandet sind und, nicht zu vergessen, dass wir die Streaming-Show von Behemoth eröffnen durften.
‚Alphaville‘ kam im Sommer diesen Jahres heraus. Wie sehr hat sich der Prozess der Veröffentlichung in dieser ungewöhnlichen Situation von euren bisherigen Alben unterschieden – abgesehen davon, dass ihr nicht touren konntet?
Nicht so frappierend, um ehrlich zu sein. Die meisten Interviews wurden via Zoom-Meetings oder Telefon abgehalten, was ja auch unter normalen Umständen nicht unüblich ist. Ich habe manchmal allerdings sogar das Gefühl, dass das Album besonders eingeschlagen ist, eben weil es in so einer düsteren und dystopischen Periode der modernen Geschichte veröffentlicht wurde.
Mit Century Media hattet ihr auch eines der größten Metal-Labels weltweit auf eurer Seite. Wie sehr unterscheidet sich die Zusammenarbeit zu kleineren Nischen-Labels?
Die Zusammenarbeit läuft wirklich wunderbar. Wir sind eine sehr seriöse Band mit klar gesteckten Zielen und Century Media respektiert diese. Wir arbeiten sehr hart und das Label ebenso. Nischen-Labels haben manchmal eher einen gewissen Hobby-Vibe und das ist uns, langfristig betrachtet, nicht genug für die Band.
Manch einer hatte vielleicht von euch erwartet, dass ihr eure Musik der breiteren Zielgruppe von Century Media etwas öffnen würdet, aber das Gegenteil ist der Fall: ‚Alphaville‘ ist euer experimentellstes und avantgardistischstes Album bisher. War das eine ganz bewusste Entscheidung oder einfach die natürliche, musikalische Entwicklung der Band?
Wir haben Century Media von Anfang an klargemacht, dass wir keine Fast-Food-Version unseres Sounds abliefern werden. Das Album ist stattdessen eine vielschichtige, exotische Delikatesse, für die der Hörer eine Geschmackspalette entwickeln muss. Simpel ausgedrückt: Der Sound des Albums ist sicher Geschmackssache, aber er spiegelt definitiv die Entwicklung der Band wider, und der Schreibprozess fühlte sich entsprechend organisch an.
Ist die experimentellere, weniger straight-forward metallische Marschrichtung also etwas, das wir auch in Zukunft von euch erwarten können?
Ich kann nur sagen: Erwartet das Unerwartete! Wir setzen unserer Musik keine Grenzen.
Angesichts der gegenwärtigen globalen Lage, plant ihr überhaupt schon weitere Touren oder arbeitet ihr gar bereits an neuem Material?
Beides! Momentan arbeiten wir an neuem Material, um beschäftigt zu bleiben und die Nerven zu behalten, aber wir eruieren gleichzeitig Möglichkeiten, baldmöglichst wieder live zu spielen – sofern das denn sicher machbar ist.
Lass uns über dein Equipment sprechen: Erzähl uns von deiner opulenten Jackson King V und warum sie für dich die erste Wahl ist!
Ich habe meine Jackson USA KV2 2006 nach einem langen Sommer des Sparens und Spielens als Bar- und Straßenmusiker gekauft. Ich wollte immer schon eine USA-Jackson und die V ist meine Lieblingsform. Seit dem Moment, als ich sie zum ersten Mal in Händen hielt, hat sich mein Gitarrenspiel sofort weiterentwickelt.
Seitdem habe ich mir natürlich auch noch andere Gitarren gekauft, aber für Imperial Triumphant brauche ich nur meine King V. Sie ist also auch ausnahmslos auf jeder Imperial-Triumphant-Veröffentlichung zu hören. Gitarren sind für mich Werkzeuge – wie der Pinsel für den Maler oder der Meißel für den Bildhauer – und bisher hat mir meine Jackson KV2 keinerlei Grenzen für den Sound von Imperial Triumphant gesetzt.
Bild: Ezrin
Konsequent: Die goldenen
Highlights geben der Jackson
USA King V einen opulenten
Auftritt.
Bild: Ezrin
Von Zachary selbst entworfen
und mit einer Brosche aus dem
Familienerbe versehen: der
Gitarrengurt aus schwarzem
Krokodilleder.
Bild: Ezrin
Detailverliebt: Das Imperial
Triumphant Symbol auf der
Spannstababdeckung aus
Messing
Das gute Stück ist offensichtlich modifiziert. Sind für dich als Gitarrist in einer sehr visuellen Band die ästhetischen Modifikationen ähnlich wichtig wie die technischen?
90% der Mods sind tatsächlich rein ästhetisch. Die goldenen Gotoh-Tuner, das Trussrod-Cover aus Messing mit eingraviertem Band-Logo, das goldene Floyd Rose, die goldenen Potis und Pickup-Cover im TV-Jones-Look sowie das verspiegelte Pickguard, das ich selbst gezeichnet habe und dann anfertigen ließ. Ästhetik ist enorm wichtig, wenn man live spielt. Es macht sehr viel aus, wenn deine Gitarre deine Musik und Kreativität auch visuell widerspiegelt.
So habe ich zum Beispiel auch meinen Gitarrengurt selbst entworfen und von einem Schneider nach Maß anfertigen lassen. Er ist aus schwarz gefärbtem Krokodilleder und mit einer Brosche meines verstorbenen Großvaters versehen. Was die technischen Modifikationen angeht, habe ich vor allem die Werksbünde durch sehr schmale, hohe Bünde austauschen lassen – diese geben meinem Fretboard ein gewisses Scalloped-Feeling. Mein Vibrato-Hebel ist wiederum eine Spezialanfertigung japanischen Firma Red Bishop.
Als Pickups habe ich mir einen Jackson USA TB-4 am Hals und einen Avedissian Rail Splitter am Steg einbauen lassen. Letzterer ist passiv und hat beispielsweise im Vergleich zu einem EMG81 dank des niedrigeren Outputs mehr Dynamik und klingt insgesamt texturreicher.
Du spielst hauptsächlich einen Peavey 5150 und eine Mesa-Box. Unterscheidet sich dein Studio-Rig stark von deinem Live-Rig?
Es ähnelt sich, aber natürlich habe ich im Studio mehr Auswahl. Für ‚Alphaville‘ haben wir bei manchen Songs den 5150 mit einem Marshall JCM2000 gemischt und vor allem eine Orange-PPC-412- Box benutzt.
Was für Effekte benutzt du vor dem Amp?
Mein Pedalboard ist recht simpel aufgebaut, aber ich hoffe, es in Zukunft etwas ausbauen zu können. Momentan benutze ich ein Volume-Pedal von Ernie Ball vor einem Canyon-Delay und dem Ocean-11-Reverb von Electro Harmonix aus New York. Die Pedale zeichnen sich durch eine wirklich hervorragende Qualität aus, und ich benutze sie doch recht intensiv zum Tone-Shaping. Das Volume-Pedal benutze ich mehr oder weniger wie einen Kanal-Umschalter für cleanere Parts in unseren Songs. Das Delay ermöglicht mir gewisse Akkordfolgen oft noch fieser klingen zu lassen und das Reverb benutze ich gelegentlich, um dem Delay noch mehr Tiefe zu verleihen oder richtig abzuspacen.
Deine Riffs sind ziemlich unorthodox und scheinen nicht zwangsläufig vom Black Metal oder Death Metal beeinflusst zu sein. Wer oder was inspiriert deine Riffs, und was möchtest du mit ihnen ausdrücken?
Der Mollskala sind Grenzen gesetzt. Meine Inspiration für Riffs kommt daher oft von Musik und Sounds außerhalb des Extreme Metals. Die Bassline in ‚African Flower‘ von Charles Mingus hat zum Beispiel das Glissando auf der Gitarre in unserem Song ‚Excelsior‘ inspiriert. Außerdem lebe ich in New York City, wo man den ganzen Tag Sirenen heulen hört – und ab und zu möchte ich diese doch eher stressige Atmosphäre per Gitarre und mit großzügigem Einsatz des Vibrato-Hebels einfangen und reproduzieren. Jazz-Akkorde finde ich ebenfalls sehr interessant, da sie oft etwas tiefer gehen als die reinen Dur- oder Moll-Akkorde. Auf den Punkt gebracht, versuche ich vor allem Musik zu erschaffen, die selbst bei Anhängern von Black- und Death-Metal noch Unbehagen auslöst.
Spielst du neben Imperial Triumphant noch andere Musik?
Vor der Pandemie habe ich in New York viele Traditional-Jazz-, Swing-, Blues- und – mein Favorit – Gypsy-Jazz-Gigs gespielt. Es macht mir ungemein viel Spaß, diese Genres zu spielen, Soli zu improvisieren, dabei zu dazuzulernen und so weiter. Das alles hat mich definitiv auch im Songwriting für Imperial Triumphant weitergebracht.
Gibt es Sounds, die du in Zukunft als Gitarrist oder mit der Band noch erkunden willst?
Ich versuche immer, neue Wege zu finden, um meiner Gitarre ungewöhnliche Sounds zu entlocken. Ich habe bei Imperial Triumphant zum Beispiel seit vier Jahren keinen Powerchord mehr gespielt. Nichts gegen Powerchords, aber ich erkunde lieber andere Sounds und versuche als Gitarrist meine eigene Nische und einen eigenen Sound zu finden.
REVIEW
IMPERIAL TRIUMPHANT: ALPHAVILLE
Ich hoffe, ihr habt ein starkes Nervenkostüm mitgebracht, denn hier widmen wir uns einem Album, das euch einiges abverlangen wird! Passend zum Interview mit Zachary geht es um – wie könnte es anders sein – das aktuelle Imperial-Triumphant-Album. Wer die Entwicklung der Band vom dissonanten Black Metal auf ‚Abyssal Gods‘ hin zum Avantgarde-Brocken ‚Alphaville‘ verfolgt hat, weiß natürlich schon, dass die New Yorker noch nie für Easy Listening standen. Aber offensichtlich schickte sich die Band an, im Jahre 2020 nochmal in jeglicher Hinsicht ein paar Schippen draufzulegen.
Die ersten beiden Songs lassen die Tiefe und Experimentierfreude des Albums vorerst lediglich erahnen, aber ab ‚City Swine‘, mit seinem verspielten Jazz-Noir-Vibe, lässt sich die Band tiefer in die Karten schauen. Der Song steigert sich stetig, gipfelt in atonalen Grooves, verfällt in Free Jazz angehauchte Improvisationen und kollabiert schlussendlich abrupt, nur um im Anschluss von einem Barbershop Quartett abgelöst zu werden, das das folgende, wahrlich epische ‚Atomic Age‘ einleitet.
Klingt überambitioniert? Ja, auf dem Papier schon. Aber Imperial Triumphant schaffen es trotz aller Experimente, einen roten Faden durch ‚Alphaville‘ zu spinnen, der von seiner wabernden Dissonanz lebt, fast egal, wie clean oder verzerrt die Band gerade agiert. Besonders das Drumming von Kenny Grohowski begeistert dabei ungemein – das muss man an dieser Stelle und nach all den Details übers Gitarrenspiel auch nochmal erwähnen.
Wie schon im Interview gesagt, ist ‚Alphaville‘ ein Album für das man erstmal einen Geschmack entwickeln muss. Als jemand, der die Band schon seit einigen Jahren und Veröffentlichungen hört, habe auch ich eine Weile gebraucht, bis sich mir dieses Werk erschlossen hat. Seitdem ist es mein Lieblingsalbum von Imperial Triumphant. Also, nehmt euch Zeit für ein paar Durchläufe und taucht ein in diesen schwarzen Strudel!