Workshop
Americana: Jimmy Bryant – The Night Rider
von Martin Schmidt, Artikel aus dem Archiv
Erfreulicherweise hat die kleine Western-Swing-Runde in der letzten Folge viel Anklang gefunden. Schön, dass dieser Stil, der immer ein wenig unter dem Radar bleibt, auch anderen Gitarristen Spaß macht. Ein paar Leser haben sich besonders über die Jimmy-Bryant-Transkription gefreut, weshalb wir noch eine Schippe drauflegen und uns mit dem Thema von ,The Night Rider‘ vergnügen wollen.
DER SONG
‚The Night Rider‘ erschien zuerst 1957 als B-Seite von ‚Rolling Sky‘ und ist eine weitere Aufnahme im Duo mit Steel-Gitarrist Speedy West. Drei Jahre später ist der Song auf der sehr empfehlenswerten LP ,Country Cabin Jazz‘ zu finden. Heute hört man das Stück auf zahlreichen Compilations, unter anderem auf ,Stratosphere Boogie: The Flaming Guitars Of Speedy West & Jimmy Bryant‘.
Das Stück basiert auf den beliebten Rhythm Changes aus dem Song ,I Got Rhythm‘ von George Gershwin und hat eine AABA-Form, vor die noch ein kurzes viertaktiges Intro gesetzt wurde. Im Gegensatz zur Bebop-Variante halten die zwei Cowboys die Rhythm Changes relativ simpel und bleiben nah an der I-VI-II-V-Kadenz in Bb-Dur. Im B-Teil starten die Changes mit einem Dom7- Akkord auf der ersten statt der sonst üblichen dritten Stufe. Die typische Dominantkette taucht erst in den letzten zwei Takten des B-teils auf – warum nicht?
DAS THEMA
Das Thema von ‚The Night Rider‘ basiert größtenteils auf Arpeggios, die Jimmy mit ein paar chromatischen Durchgangstönen verbindet. Wenn du die letzte Workshop-Folge gut durchgearbeitet hast, solltest du einige der Shapes wie den Durdreiklang und das 7/9-Arpeggio wiedererkennen. Abwechslung im Swing-Achtel-Feel schaffen rhythmische Einwürfe wie in Takt 6 und 7 des A-Teils und ein lustiger Triller auf der tiefen E-Saite am Ende.
EINSATZMÖGLICHKEITEN
Zuallererst solltest du das Thema langsam und in kleinen Abschnitten üben. Das Original von Jimmy Bryant liegt bei 200 bpm, das Playalong bei 160. Du kannst bei 100 bpm anfangen und dich langsam zum Originaltempo vortasten. So lernst du nicht nur das Stück, sondern hast gleichzeitig eine gute Alternate-Picking-Übung für die rechte Hand mit vielen Saitenwechseln.
Anschließend würde ich das Thema analysieren und versuchen zu verstehen, was den Linien jeweils zugrunde liegt – Arpeggios, Durtonleiter, chromatische Zwischentöne usw. Sobald dir die theoretische Seite klar ist, kannst du einzelne Takte und Patterns herausgreifen und in anderen Zusammenhängen einsetzen. Hier ein paar Vorschläge:
• Das Intro eignet sich als Einleitung für jedes Stück in Bb-Dur. Probiers mal vor einem Blues oder Jazzstandard.
• Isoliere den ersten Takt des A-Teils. Die Phrase basiert auf dem Bb-Dur-Dreiklang mit einer chromatischen Annäherung zur Quinte (dem E). Das Lick klingt aber nicht nur über Bb-Dur gut, sondern passt auch über Gm7 und C7.
• Takt 5 des A-Teils ist ein schönes Lick für einen Dominantseptakkord. Neben dem Dur7-Arpeggio kommt die chromatische Annäherung zur Terz und die None vor. Versuche, in einem Blues alle drei Stufen zu verschieben und mit typischen Blues-Licks aus der Pentatonik zu kombinieren. Takt 1 des B-Teils basiert auf einem Shape, das vom Bb7-BarreéAkkord mit Grundton auf der A-Saite stammt. Auch das lässt sich gut über einen Blues einsetzen.
• Das Ende des letzten A-Teils ist ein witziges Lick, das man gut als Ending oder Intro für Stücke in Dur einsetzen kann. Versuche mal, den letzten Ton zu variieren und das Pattern mehrmals zu wiederholen.
Generell würde ich dir empfehlen, mit Material wie einem solchen Thema kreativ umzugehen und aus kleinen Bestandteilen deine eigenen Linien zu kreieren. Dann kannst du nicht nur einen Song nachspielen, sondern hast ganz viele Anregungen für neue Melodielinien, die dann vielleicht in einem ganz anderen Umfeld auftauchen als dem klassischen Western Swing. Viel Spaß beim Ausprobieren!
(Die Noten können durch Anklicken vergrößert werden!)
(erschienen in Gitarre & Bass 01/2021)
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