Die MG-Serie ist Marshalls Dauerbrenner in der Economy-Klasse. Viel Leistung für kleines Geld, lautet die Devise, und Ziel ist, ambitionierten Einsteigern solides Werkzeug in die Hände zu geben. Zuletzt 2009 modellgepflegt, wurde der Produktlinie nun erneut ein Facelift gegönnt. Neben der neuen Optik findet sich auch Optimierung im Detail.
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Das Verstärkerkonzept basiert auf einem programmierbaren Preamp und kommt in mehreren Modellvarianten zum Einsatz. Mit einer Leistung von 100 Watt wie hier als 1×12″-Combo, daneben als 2×12″-Combo und Topteil (ca. € 415/440/355). Vierter im Bunde ist ein 1×12″-Combo mit 50 Watt (ca. € 320). Etwas abgespeckt in den Features, ohne Delay-Sektion, treten zwei kompaktere Combos mit 1×8″- und 1×10″-Bestückung an, der MG15CFX und der MG30CFX (ca. € 155/200).
Konstruktion des Marshall MG 101CFX
Vorher altbacken im schwarzen Kunstlederfrack mit goldfarbenen Applikationen an Frontplatte und Rückseite, nun modern elegant, Formel-1-Look, Carbon-Kevlar-Overall, ein täuschend echt wirkendes Struktur-Vinyl – wenn das kein Hingucker ist. Hehe, die MG-Serie sieht nun genauso aus wie Dave Mustaines 4×12-Cabinets.
Wenn man bedenkt, dass der 1×12″-Combo nominal nur knapp über € 400 kostet, sind die Spezifikationen ebenso aufsehenerregend. Der Amp verfügt über vier Sound-Kanäle, die laut den technischen Angaben in analoger Halbleitertechnik den Klang formen. Dazu gesellt sich eine sattsam ausgestattete Modeling-FX-Sektion, ein serieller Einschleifweg und ein Damping-Schalter, der in Anlehnung an das Benehmen von Röhrenverstärkern zwischen klassischer und moderner Dynamik wählt. Damit man auch im stillen Kämmerlein Freude an dem Combo haben kann, wurde ein Line-Out vorgesehen, dessen Signal mit einer Speaker-Emulation aufbereitet für Recording oder als Kopfhörerausgang nutzbar ist. An der Rückseite steht ein Line-Eingang (MP3-In) zur Verfügung.
Der Clou an dem Konzept ist natürlich, dass mit Ausnahme des Master (-Volume) alle Sound-Regler und -schalter programmiert werden können. Man kann zwar nicht auf einen großen Speicher zurückgreifen, sondern „lediglich“ die vier Kanäle entsprechend benutzen, der hohe Nutzen für die Praxis liegt aber auf der Hand.
Was hat der Preamp zu bieten? Über vier Taster links oben an der Frontplatte sind die vier Sektionen direkt anwählbar, Clean, Crunch, Overdrive-1 und -2 (OD1, OD2). Die Bedienung gestaltet sich mit Gain, einer Dreibandklangregelung und Volume wie bei einem konventionellen Amp. Die Effektsektion gliedert sich in drei Bereiche und ist mit der Überarbeitung der MG-Serie vielseitiger geworden:
Reverb bietet statt einem nun zwei Effekttypen, Studio- und Spring-/Federhall. Der Regelbereich ruft unterschiedliche Raumgrößen ab.
FX (Modulationen). Chorus, Flanger und Phaser werden von zwei neuen Typen ergänzt, Vibe und Octave. In den Regelteilbereichen variiert die Modulationsgeschwindigkeit des jeweiligen Effekts.
Delay, dieses war zuvor genauso über die TAP-Funktion (Taster) wie hier in der Verzögerungszeit programmierbar, aber der Regler bestimmte schlicht die Intensität. Nun fragt er vier Delay-Typen in unterschiedlichen Ausprägungen ab: Hi-Fi (brillant, 1:1 zum Original), Tape (matter in den Repeats), Multi (diffuses Echo mit Mehrfach-Repeats unterschiedlicher Länge), Reverse (rückwärts). In den jeweiligen Regelteilbereichen verändert sich die Intensität/Lautstärke der Echos. Zur maximalen Delay-Zeit werden keine offiziellen Angaben gemacht. Sie liegt schätzungsweise (Ohren und Stoppuhr, lol) deutlich über 500 ms.
Soweit die Technik, die in Zeiten der modernen Mikroprozessoren und miniaturisierten Bauteile (SMD) auf kleinsten Raum gepackt werden kann. Wie hier zu sehen. Das stabile Stahlblechprofilchassis ist innen kaum zur Häfte ausgenutzt; ein fetter Netztrafo, zwei kleine Platinen, eine dritte hinter der Frontplatte. Immerhin werden aber die Leistungsblöcke der Endstufe von einem kleinen Lüfter gekühlt. Dass das Gehäuse aus Spanplatten gefertigt wird und der Speaker eine Noname-Modell ist, darf angesichts der Preisklasse im Gesamtkontext nicht überraschen.
Die Verarbeitungsqualität des hinten mit einer angeschraubten Rückwand (ohne Viynlbezug), verschlossenen Combos ist im Großen und Ganzen ohne Mängel. Nur die Chassischrauben waren unflätig gesetzt (es wollte sich nach dem Sezieren kaum remontieren lassen; für den Nutzer natürlich im Grunde irrelevant). Da das Gehäuse auch unterhalb des Amp-Chassis eine Spanplatte aufweist, sitzt der Speaker regelrecht in einer eigenen geschlossenen Kammer.
Der Marshall MG 101CFX in der Praxis
Natürlich können sich der MG101CFX und seinesgleichen im Grund-Sound nicht mit erhabenen Vollröhren-Schätzchen messen. Primär fehlt Ihnen die Brillanz und Tiefenzeichnung im Sound um bei denen mithalten zu können. Trotzdem könnte mancher große Augen bekommen, wenn der Combo lospustet. Der kleine Bursche bläht nämlich ganz schön energisch die Backen und ist beachtlich gut bei Stimme. Im Clean-Kanal verbreitet der MG101CFX angenehme Wärme – geht in Richtung Roland/Jazz-Chorus – und baut kräftige, stabile Sounds auf. Der Plural ist mit Absicht gewählt, denn die Klangregelung arbeitet generell ziemlich effizient und macht den Kanal damit fit für unterschiedliche Stilistiken. Geht man zurückhaltend mit dem Gain-Regler um, damit die Wiedergabe luftig bleibt, macht auch der mittenbetont agierende Crunch-Kanal eine gute Figur. Texas-Blues und retro-rockige Klänge liegen ihm, leicht Angezerrtes gelingt ihm besser als man es angesichts der Halbleitertechnik vermuten möchte.
Der (grüne LED) OD1-Sound besinnt sich offensichtlich der traditionellen Marshall-Werte. Eindeutig britischer Charakter, mit verhaltenen Gain-Reserven, entsprechend geringer Kompression und Sustain-Unterstützung. Der Kanal verlangt dennoch nicht nach Kämpfernaturen. So sensibel er anspricht, so bereitwillig liefert er ein tragfähiges Fundament. Akkorde werden harmonisch, ohne üble Interferenzen dargestellt. Der Druck im Sound hält sich indes natürlich in Grenzen, bei so einem kleinen Gehäuse; laut spielen hilft (wie so oft ;-), dann kommt wirklich gesundes Volumen auf. Dicke Bässe liefert auch OD2 nicht. Obwohl im Charakter ein entschlossenener High-Gain-Kanal, liegen ihm mittenreich, bissig und lebendig in den Obertönen wie er ist, moderne Leadsounds viel mehr als Dropped-Tuning-Attacken. Ein bisschen Echo oben drauf, und schon steigt man annähernd in Tonsphären eines Joe Satriani auf. Fein, wie der MG101CFX provozierten Flageoletts mit den entsprechenden Kieksern folgt.
Die eben angesprochene, neu konzipierte Echo-Sektion stellt einen echten Zugewinn dar. Einfach weil sich nun mehr Möglichkeiten bieten. (Obacht übrigens beim Antesten: Das Delay funktioniert nur, wenn der FX-Taster links oberhalb des FX-Reglers aktiviert ist.) Da sich die beiden Typen eher wenig unterscheiden, macht das Reverb-Duo nur ganz kleine Schlagzeilen. Dafür ist das Vibe mit seinem Vintage-authentischen Charakter sehr gelungen (aaahh … Bridge of Sighs, Mr. Trower). Der mono-einstimmig arbeitende Octaver addiert eine Oktave tiefer eine Zusatznote, folgt den Anschlägen sauber, und hält den Effekt im Ausklang der Saiten kompakt. Also auch hier Daumen hoch.
Zum Lieferumfang gehört ein Zweifachschaltpedal, mit dem die vier programmierten Kanäle aufgerufen werden können. Beim Wechsel zwischen den Gruppen Clean/Crunch und OD1/OD2 wird jeweils der zuletzt aktive Sound hörbar. Damit kann man schon ganz gut arbeiten. Flexibler wird die Angelegenheit mit dem optional erhältlichen Footcontroller PEDL-90008 (ca. € 55). Neben einem integrierten Stimmgerät bieten dessen vier Tastern die Möglichkeit freier Zuordnung der Schaltfunktionen, sodass z. B. neben den Kanalwechseln noch Tap-Delay und Reverb- On/Off fernbedient werden könnten, oder eben eine andere beliebige Kombination der am Frontpanel vorhandenen Tast-/Schaltfunktionen.
Alles in Allem stellt der MG101CFX also eine funktional sehr respektable Sound-Zentrale dar. Zumal der Line-Out-/Kopfhörerausgang ein angenehm abgestimmtes Signal abgibt, und der Combo so nicht nur für die Bühne taugt, sondern auch beim Jammen daheim und bei Recording-Aktionen Spass macht (der interne Lautsprecher wird automatisch abgeschaltet). Voll im Plus punktet auch der serielle FX-Weg, weil er mit seinem niedrigen Pegelniveau einerseits universell nutzbar ist, andererseits beim On/Off-Statuswechsel keine störenden Nebengeräusche entstehen. Und sonst, gar keine Schwächen? Nein, auf diese Frage kann lediglich zur Sprache kommen, dass bei stark unterschiedlichen Volume-Pegeln zwischen den Kanälen ein deutlicheres Umschaltknacken auftritt.
Alternativen zum Marshall MG 101CFX
In seiner Preisklasse begegnet der MG101CFX verschiedenen Technik-Konzepten. Man bekommt für das Geld sogar schon respektable, aber in den Features reduzierte Röhren-Combos. Neben diversen Modeling-Amps, die qualitativ nicht direkt mit dem MG101CFX vergleichbar sind, weil seine analoge Sound-Formung denen davoneilt, zeigt sich der Attax 100 von Hughes&Kettner als eine ernsthafte Alternative. Die Pros und Cons auf beiden Seiten? Da sollte einfach nur der Geschmack entscheiden, im Leistungspotenzial nehmen sich die beiden nicht viel.
Resümee
Der Auftritt des MG101CFX mauserte sich ja fast schon zu einer Galavorstellung. Kaum zu glauben, welches Leistungspotential dieser im wahrsten Sinne des Wortes preiswerte Combo in sich birgt. Das Wichtigste, die Sound-Formung, weit austrainiert, dazu ein sinnvoll abgestimmtes und funktional hochwertiges Effektepaket samt weiterer nützlicher Features, das Ganze völlig easy zu bedienen, Fazit: Ohne Einschränkung empfehlenswert.
Gehäuse: Spanholzplatten (ca. 16 mm), Rückseite geschlossen, Vinylbezug im Carbon-Kevlar-Look, Plastikkappen an allen Ecken, Gummifüße, Tragegriff a. d. Oberseite