Weit zurück in der amerikanischen Musikgeschichte geht’s in dieser Folge des Americana-Workshops, nämlich in die 1930er-Jahre, bevor der Rock’n’Roll erfunden wurde: es geht um den Western Swing.
Anzeige
DER STIL
Western Swing ist eine Mischung aus Jazz, Country und Cowboy-Ästhetik. Der Stil entstand Ende der 1920er-Jahre im Südwesten der USA und war ursprünglich als Tanzmusik angelegt. Bands wie Bob Wills and The Texas Playboys nahmen Elemente von Country-Musik und kombinierten sie mit jazzigen Soloeinlagen, einem Drum-Backbeat und neuen Instrumenten wie der elektrischen Steelguitar. Im Gegensatz zum klassischen Bigband Swing von Duke Ellington oder Glenn Miller finden sich im Western Swing kaum Blasinstrumente, sondern die gesamte Musik spielt sich auf Saiteninstrumenten ab. Neben der Gitarre findet man Geigen (oder Fiddle nach korrektem texanischem Term), Banjos, Kontrabass und die elektrisch verstärkte Lapsteel. Durch die große Besetzung bieten sich viele Arrangement-Möglichkeiten.
Mehrstimmig geführte Melodien und gegenläufige Parts erinnern eher an Bigband-Jazz als an simplen I-IV-V-Country. Trotz der musikalischen Komplexität hat Western Swing auch immer eine lustige Note: Neben dem lebendigen Swing-Groove zeichnen sich dafür die überwiegende Dur-Tonalität, witzige Texte und Spaß an kuriosen Instrumenten-Sounds sowie hibbelige Melodien verantwortlich.
Nach einer Hochphase zu Anfang der 1940er-Jahre und während des Zweiten Weltkriegs wurde Western Swing ab den 1950ern vom smootheren Bigband-Sound einerseits und dem wilderen Rockabilly andererseits abgelöst. Bis heute finden sich aber immer noch Bands und Musiker, die dem Stil frönen. Gerade instrumentale Country-Alben griffen immer wieder auf die Mischung aus Jazz und Country-Twang zurück.
JIMMY BRYANT
(Bild: Bear Family Records)
Genau so ein Musiker war Jimmy Bryant, der vor allem im Duo mit Steel-Gitarrist Speedy West bekannt wurde. 1925 in Georgia geboren, war Jimmy eines von zwölf Kindern eines Farmers und unterstützte schon als Jugendlicher die Familie als Straßenmusiker und Fiddle-Spieler. Nach einer Verwundung im Zweiten Weltkrieg brachte sich Bryant das Gitarre spielen selbst bei und wurde zu einem gefragten Gitarristen in Washington D.C. und Nashville.
Anfang der 50erJahre zog er nach Kalifornien und traf dort auf den ein Jahr älteren Steel-Gitarristen Speedy West, mit dem er zahlreiche Alben aufnahm, auf denen sich die zwei Musiker noch lange vor dem Shredding-Boom der 80er-Jahre pfeilschnelle Licks um die Ohren hauten. Später arbeitete Bryant in Fernsehshows, als Produzent, und nahm diverse Soloalben auf. Ende der 70er-Jahre wurde bei Bryant, der Zeit seines Lebens ein starker Raucher war, Lungenkrebs diagnostiziert. Er starb 1980.
Einen Einstieg in die Musik von Jimmy Bryant bietet das CD-Box-Set ,Fretting Fingers – The Lightning Guitar of Jimmy Bryant‘. Neben Tracks mit Speedy West findet man hier auch Aufnahmen aus den Sixties und ein äußerst informatives Booklet.
In den 50ern setzte Bryant zunächst vorwiegend Telecasters ein, die er über einen Tweed Pro oder Twin spielte. In den 60ern war er auch mit Instrumenten von Gibson, Guild und Rickenbacker zu sehen und entwickelte sein eigenes Signature-Modell mit der Firma Magnatone.
BRYANT’S BOUNCE
Als Übebeispiel gibt es diesmal das Thema des Songs ,Bryant‘s Bounce‘. Das schnelle Swing-Thema ist eine gute Alternate-Picking-Übung.
(zum Vergrößern klicken!)
Geschrieben in Db-Dur, zeigt sie Bryants cleveren Einsatz von Arpeggios. Neben Durdreiklängen findet man im A-Teil Sextakkorde, 7/9-Arpeggios und Phrasierungen, die an den Gypsy-Jazz-Musiker Django Reinhardt erinnern. Aufgrund der schnellen halbtaktigen Akkordwechsel im A-Teil findet man hier keine Drei-Oktaven-Arpeggios wie beim Heavy Metal, sondern eher kurze, dreisaitige Patterns. Es lohnt sich, diese Arpeggios einzeln zu üben und in die eigenen Soli einzubauen.
Der B-Teil bewegt eine Phrase durch eine Dominantkette, wie man sie aus dem B-Teil des Jazz-Klassikers ,I Got Rhythm‘ kennt. Töne aus dem Dom7-Arpeggio werden mit etwas Chromatik und einem lustigen Slide verbunden, was harmonisch raffiniert und witzig zugleich klingt. Nach einer Rückkehr in den A-Teil endet das Stück mit einer schönen verminderten Figur, die man auch gut in andere Swing-Nummern einbauen kann.
Viel Spaß beim Arpeggio-Workout! Das Original-Tempo beträgt knapp 180 bpm. Ich habe den Audio-Track mit 155 bpm langsamer eingespielt, aber durch fleißiges Üben kann man sich dem Original ja annähern …
Deine Western Swing Specials sind klasse!!!