Während die laufende Repair-Talk-Serie bis dato nur um das eigentliche Vibratosystem kreiste, stoppt der Anflug nun abrupt und der Repair Talk dringt erklärend in das Innere eines Systems vor.
Auf den ersten Blick wirkt ein Double-Locking-System durch die ganzen Schrauben, die Aufbauten und ggf. auch durch die Maße etwas schwer zugänglich. Ein wenig aufwendiger als so manches Vibratosystem ist ein Floyd-Style schon, jedoch ist es mit der nötigen Hintergrundinfo dann doch recht leicht zu verstehen und zielführend zu bedienen.
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KENNENLERNEN DURCH DEMONTAGE
Das Zerlegen eines Systems ist ein guter Einstieg, um Vertrautheit zu erlangen. Abb. 1 zeigt das Ergebnis.
Das Herzstück ist die Grundplatte (Mitte/gold). Der Vibratoblock wird mit den drei Schrauben an ihrer Unterseite fixiert. Zwischen Grundplatte und Block wird ein Unterlegblech sowie das Federblech geklemmt (links/die drei Bohrungen zeigen die Position). Das Federblech ist notwendig, um die sechs Feinstimmer auch ohne Saitenzug in ihrer Position zu halten (Abb. 2), sodass die Klemmschrauben zugänglich bleiben.
Auf der Oberseite der Grundplatte werden die herstellerspezifischen Saitenreiter fixiert. Bis auf wenige Ausnahmen auf dem Hardware-Markt sind diese jedoch nicht höhenverstellbar und so müssen alternative Ideen her, um den Saitenverlauf (Radius/ Saitenlage) an die Parameter des Griffbretts anzupassen. Sehr weit verbreitet ist die Verwendung von unterschiedlich hohen Saitenreitern. Auf einer geraden Grundplatte werden paarweise (E/e-A/h-D/g) entsprechende Saitenreiter platziert, die durch ihre unterschiedliche Höhe den Saitenverlauf in einen Radius (sehr häufig 12 Zoll) bringen.
Abb. 3 zeigt die durchnummerierten unterschiedlichen Reiter. Leider ist die Zahlenzuordnung nicht genormt und variiert daher von Anbieter zu Anbieter. Losgelöst von den Zahlen gilt jedoch: Die niedrigsten Reiter nach außen/die höchsten in die Mitte – dann klappt es auch mit dem Radius.
Ein anderer Ansatz, den gewünschten Radius zu erzielen, ist die Verwendung einer vorgeformten Grundplatte (Abb. 4/oben). Auf den unterschiedlich hohen Plateaus sitzen dann sechs identische Saitenreiter.
Einmal abgesehen von den reinen Bauteilmaßen sollte an dieser Stelle klarwerden, dass Komponenten unterschiedlicher Hersteller nur in ganz wenigen Ausnahmesituationen kompatibel sind. Muss einmal ein Bauteil ersetzt werden, sollte immer versucht werden, Ersatz vom gleichen Hersteller zu bekommen. Gemischte Tuning-Versuche enden meist in einer unbefriedigenden Endlosbaustelle. Da ist es in der Regel zielführender, wenn man vorgegebene Bauteile noch ein wenig optimiert, falls sie nicht das Erwartete abliefern.
Die Saitenlage ist häufig ein Setup-Parameter, der dann durch nicht passende Vorgaben nur suboptimal eingestellt werden kann. Wie schon erwähnt, ist der gebildete Radius und damit der Saitenverlauf vorgegeben. Was aber tun, wenn der Griffbrettradius mit seinen angenommenen 9,5 Zoll oder 20 Zoll nicht zum vorgegebenen Radius der Saitenreiter passt? Ein Abschleifen der Reiter auf der Unterseite (Kontaktseite) ist zwar möglich, jedoch durch die Materialhärte oftmals müßig. Zudem besteht die Gefahr, dass der vordere fixierte Teil zu tief kommt, was dann den beweglichen hinteren Teil am Kippeln (Stimmen) hindert.
Ich habe gute Resultate erzielt, indem ich nicht weggenommen sondern entsprechend unterfüttert habe. Als Material dienen dazu entsprechend kleine Unterlegscheiben (Abb. 5/oben).
Diese platziere ich so, dass der vordere Teil des Reiters möglichst großflächig aufliegt (Abb. 5/unten). Unterfüttere ich in der Mitte (D/g) wird der Radius kleiner. Für sehr flache Griffbretter unterfüttere ich außen. Noch genauer geht dies mit eigens zugeschnittenen Unterlegplättchen. Gutes Rohmaterial hierfür sind die in Zehntel Millimeter abgestuften Unterlegplättchen (Shims), wie sie für das Unterlegen am Klemmsattel verwendet werden.
LOCH MIT FOLGEN
Unscheinbar aber dennoch heimtückisch ist die Unterseite der Saitenreiter. Die Abb. 6 zeigt drei umgedrehte Reiter.
Bei den beiden äußeren Reitern ist die große Öffnung im beweglichen Teil (Saitenaufnahme) mit einem kleinen Metallplättchen verschlossen. Diese Plättchen sind aber nur geklemmt und sitzen somit nur relativ fest. Eine etwas ungestüm von oben eingeführte Saite führt nicht selten dazu, dass dieses Plättchen seinen angedachten Platz verlässt und die Saitenaufnahme auch nach unten hin offen lässt (Abb. 6/Mitte).
Die Gefahr besteht nun darin, dass die geklemmte Saite auf der Unterseite des Reiters übersteht (Abb. 7).
Bei dünneren Saiten nicht ganz so dramatisch im Effekt, stoppt eine starre, dicke Saite den Reiter beim Stimmen. Beim Heraufstimmen drückt sich die geklemmte überstehende Saite gegen die Grundplatte und muss irgendwie mitgebogen werden. Ein schwergängiges Stimmen mit hoher Materialbelastung ist die Folge. Um Unmut und Materialermüdung zu vermeiden, empfiehlt es sich daher, die angesprochene Situation am Saitenreiter zu beobachten und bei Bedarf die Saite entsprechend kurz, also ohne Überstand, einzuspannen oder (Königsweg) den defekten Reiter auszutauschen bzw. wieder instand zu setzen (Plättchen wieder fixieren).
KLEMMEN MIT GEFÜHL
Den Gesetzen der Physik folgend, wird natürlich auch bei einem Locking-System die Intonation in Form einer Längeneinstellung vorgenommen. Dazu sitzen die Reiter beweglich auf der Grundplatte und können bei gelöster Schraube nach vorn bzw. hinten verschoben werden. Um einen möglichst großen Einstellweg zur Verfügung zu haben, hat die Grundplatte zwei (oder sogar drei) Lochreihen, um die Reiter zu klemmen (Abb. 8).
Der genaue Vorgang zum Einstellen der Intonation wird im abschließenden Full Setup in einem späteren Repair Talk erläutert. An dieser Stelle jedoch schon mal der Hinweis, dass die Klemmschraube zum Fixieren des Reiters nur handfest angezogen werden sollte. Das Gewinde in der Grundplatte (Abb. 9) ist zwar im Laufe der Zeit durch veränderte Materialien stabiler geworden, jedoch hat auch dies seine Grenzen.
Zu viel Kraft birgt die Gefahr, dass das Gewinde überdreht oder aber auch die durch Handschweiß eh schon belastete Klemmschraube am Kopf deformiert wird. Da es dann recht schnell und konsequent mit den Einstellmöglichkeiten vorbei ist, sollte das Fixieren zwar nicht ängstlich aber doch schon angemessen und ohne unnötige Kraft mit passendem und intaktem Werkzeug über die Bühne gehen. Obwohl an der kleinen Schraube gefühlt (nicht real) der ganze Saitenzug hängt, ist die Klemmwirkung (Reiter/Grundplatte) größer als man denkt, sodass wie so häufig gilt: weniger ist mehr.
DREHEN ODER NICHT DREHEN
An den äußeren Kanten der Grundplatte sitzen die beiden Messerkanten (Abb. 10/unten), die dann in der Rille eines passenden Bolzens (Abb. 10/oben) gelagert werden.
Es ist eine Glaubensfrage oder auch pure Mystik mit der Fragestellung, ob man die Bolzen auch unter Saitenzug drehen „darf“. Da will ich nicht viel drum herum schreiben und komme schnurstracks und ohne Scham mit der Aussage: Jawohl, ich drehe die Bolzen auch unter vollem Saitenzug. Das mache ich jetzt seit 30 Jahren ohne die häufig aufgezählten „Gefahren“, und Material und Werkstatt haben es überlebt.
Ich vermeide jedoch unnötig viele Drehungen und schmiere die Kanten mit Fett ein. Zunächst bringe ich unter Zug von nur zwei Saiten (E/e) das System grob auf die richtige Höhe und justiere dann unter vollem Saitenzug nach Bedarf nach. Das Fett hilft ein wenig die Reibung zu minimieren.
MODULATION OHNE SCHLACKERN
Der Vibratohebel ist zwar eigentlich ein ganz banales Bauteil, kann aber trotzdem über Top oder Flop für das System entscheiden. Es ist schon ärgerlich, wenn ein ansonsten butterweich gelagertes System durch einen schlecht sitzenden Hebel in der Ansprache indirekt wird. Oftmals können aber auch an dieser Stelle mit etwas Service die angestrebten 100% erreicht werden.
Abb. 11 zeigt den Aufbau einer typischen (Schaller/Floyd) Armbefestigung. Auf dem Hebel sitzt eine Überwurfmutter, die über zwei Unterlegscheiben und einem quersitzenden Pin sitzt. Gehalten wird der Hebel durch eine Gewindehülse, die in der Grundplatte des Systems sitzt. Dort sitzt sie gepresst in einer entsprechenden Bohrung und wird durch eine passende Hülse von unten gekontert (Abb. 12).
Sitzt die Hülse lose, hilft ggf. ein Nachziehen an der auf der Unterseite sitzenden Inbusschraube (Abb. 12/Pfeil).
Der in die Hülse eingeführte Hebel ruht auf den überstehenden Enden des querliegenden Pins (Abb. 13/Pfeil).
Wird die Überwurfmutter angezogen, drücken die U-Scheiben von oben auf den Pin und bestimmen so die „Gängigkeit“ des Hebels. Stark angezogen hat der Hebel kaum oder kein Spiel. Er lässt sich dann aber auch nur schwer drehen. Die lockere Überwurfmutter lässt den Hebel leicht drehbar, jedoch eventuell mit etwas Spiel. Der persönliche Geschmack findet hier die passende Einstellung. Systeme, die ohne Überwurfmutter arbeiten, lagern den Hebel häufig in Kunststoffdichtungen. Ungewolltes Spiel bei der Ansprache kann in diesem Fall häufig durch ein Erneuern der Dichtungen eliminiert werden (Abb. 14).
Nachdem der Repair Talk bis hierhin eher erklärende Hintergrundinfos geliefert hat, wird es Zeit, ein Double-Locking-System praktisch in den Griff zu bekommen. In der nächsten Folge beschreiben wir deshalb – aufbauend auf die bis hierhin gelieferten Informationen – ein komplettes Setup. Quasi ein „Zähm die Bestie“ für Gitarristen.