(Bild: Dieter Stork)
Das neuartige Corona-Virus hat auch vor Gitarren-Manufakturen keinen Halt gemacht. So musste Taylor Guitars in der Nähe von San Diego seine Pforten für ein paar Monate schließen und die Produktion einstellen. Bob Taylor und Andy Powers haben aus der Not eine Tugend gemacht, und die Zeit zum Nachdenken genutzt, wie man Musikern und Musikszene am besten helfen könnte. Ergebnis: die neue Serie American Dream.
Der verantwortliche Gitarrenbauer Andy Powers hatte die Idee für diese neue Gitarrenserie, die die preisgünstigsten US-Modelle aus massiven Hölzern beinhaltet, und zwischen den Serien 200 und 300 angesiedelt ist. Ziel: so viel Taylor wie eben möglich, aber die Ausstattung auf das nötigste reduziert, damit die Gitarren so preisgünstig wie möglich sein würden. Oder anders ausgedrückt: Alles was eine gute Gitarre braucht, nichts, was man nicht braucht.
Andy erzählt dazu: „Ich erinnere mich, wie es war, sich etwas nicht leisten zu können, was für mich perfekt gewesen wäre. Diese Serie ist wie der Bau einer Gitarre für mein jüngeres Ich.“ Bob Taylor steuerte den Namen bei, denn als Taylor 1974 gegründet wurde, entstand dies aus dem Gitarrenladen namens „American Dream“. Und er bestimmte: Diese Instrumente müssen genauso viel Taylor sein, wie jede andere Gitarre aus unserer Manufaktur!
Und es war ein guter Start für die Fabrik, als sie nach der Coronabedingten Schließung, wieder langsam anlaufen konnte …
KONSTRUKTION
Die ersten Modelle der American-Dream-Serie haben die Grand Pacific Bauform (es sind Round-Shoulder-Dreadnoughts), haben natürlich das V-Class-Bracing und sind komplett aus massiven Hölzern hergestellt.
Zum Start gibt es drei Modelle: die AD17 mit Fichtendecke, die AD17 mit schwarzer Fichten-Decke und die AD27 mit Mahagoni-Decke. Gegen Aufpreis (Liste ca. € 230) sind die Modelle auch mit dem Taylor Pickupssystem ES2 erhältlich. Zum Testen haben wir die AD27 erhalten.
Schlicht, einfach, ohne jeden Schnörkel und Verzierungen, aber extrem leicht, unglaublich leicht zu bespielen und mit einer Klangfülle, die eine Wucht ist – das ist der erste Eindruck, wenn man die Gitarre in die Hand nimmt und zum ersten Mal spielt. Hier resoniert und schwingt alles mit, egal ob man sie leicht oder kräftig anschlägt.
Die Konstruktion ist Taylor-typisch: massive Hölzer, Mahagoni-Hals, hier aber nicht mit Ebenholz sondern Eukalypus-Griffbrett. Die Decke ist aus Mahagoni, so wie man es bei alten Gibson-Gitarren oft sieht, und das hat auch Andy Powers schon ein paarmal für neue Taylor-Modelle hervorgezaubert, einfach weil es eine andere Klangfarbe bietet.
Zargen und Boden sind aus Sapele, einer Mahagoni-ähnlichen Holzart, die aber genau wie Eukalyptus schneller nachwächst und daher nachhaltiger ist. Bereits erwähnt habe ich das V-Class-Bracing, das – wie Andy Powers es beschreibt – die Gitarre nicht nur sauberer und reiner schwingen lässt, sondern auch die Eigenarten der verwendeten Hölzer herausarbeitet.
Natürlich sind Hals und Korpus mit der von Taylor patentierten Halsverbindung ausgestattet, die es jederzeit einem Fachmann ermöglicht, eine Anpassung des Halswinkels vorzunehmen, wenn es denn mal nötig sein sollte.
Das Instrument verfügt über keinerlei Einfassungen, lediglich eine einfache, schöne Holz-Rosette ziert das Schallloch. Ein extrem dünnes Schlagbrett ist aufgeklebt. Und was direkt positiv auffällt: Alle Korpus-Ränder sind wunderbar abgerundet, sodass sich die Kanten nicht wie sonst üblich in den Unterarm einschneiden.
Die AD27-Modelle sind dunkel gebeizt (Urban Sienna Stained) offenporig und extrem dünn lackiert mit matter Oberfläche. Es werden leichte, vernickelte und verkapselte Taylor-Mechaniken verwendet. Der Sattel ist aus schwarzem Graphit und die kompensierte Stegeinlage aus Micarta. Der Steg selber ist wie das Griffbrett aus Eukalyptus. Die Gitarre kommt – wie alle Grand-Pacific-Modelle – mit einem Medium-Saitensatz (.013 – .057), diesmal in der beschichten Version von D’Addario (Phosphor Bronze coated).
PRAXIS
Der Hals der AD27 hat exakt die gleiche Form und Maße der teureren Builders-Edition-Modelle: also in den unteren Lagen eine abgeflachte V-Form, die zu den oberen Lagen gleichmäßig in ein abgeflachtes C übergeht. Der Hals bespielt sich so angenehm, man glaubt, das Instrument schon lange zu kennen. Die Saitenlage ist traumhaft, auch mit den dicken Saiten: ich gestehe, ich habe zunächst gar nicht bemerkt, dass hier nicht meine gewohnten .012er, sondern .013er aufgezogen waren. Die Gitarre kommt in einem Taylor Aero-Case, für mich eine Mischung aus Koffer und Gigbag. Sehr praktisch, sehr leicht und eben auch preiswerter als die herkömmlichen Koffer.
KLINGT’S?
Eine typische Mahagoni-Gitarre – komprimiert aber ausgewogen, trocken und nach Holz klingend, mit warmen und sehr fetten Bässen und klaren Höhen, ohne übermäßig viele nachklingende Obertöne. Das ist perfekt fürs Strumming, aber auch Picking geht gut. Die AD27 reagiert sehr dynamisch und von zaghaftem Streicheln bis zu harten „Townshend-mäßigem“ Anschlag ist alles drin. Das erinnert stark an alte Martin oder Gibson-Gitarren mit Mahagoni-Decken. Eine typische Songwriter-Gitarre, aber auch Droped-D oder insgesamt tiefere Tunings machen extrem viel Freude.
RESÜMEE
Andy Powers hat vor mehr als zwei Jahren bei der Präsentation des V-Class-Bracings vorausgesagt, dass er als Gitarrenbauer den Klang der verwendeten Hölzer mit Hilfe dieser neuartigen Verbalkung deutlicher herausstellen kann. Jetzt hat er auch noch bewiesen, dass die US-Taylor-Fabrik eine vollwertige Gitarre fertigen kann, bei der jedwede Verzierung und Schnickschnack weggelassen werden, und trotzdem eine 100%ige Taylor herauskommt, die auch für Musiker mit kleinerem Geldbeutel erschwinglich ist; zumal sie im Handel für einige hundert Euro weniger zu haben sein wird.
PLUS
● komprimierter Strumming-Sound
● Modell für Songwriter
● V-Class Bracing
● Verarbeitung
● Verwendung von nachhaltigen Hölzern
● Bespielbarkeit
● Intonation
(erschienen in Gitarre & Bass 10/2020)