Reba Meyers liefert nicht nur Riffs und Stimme für die Band Code Orange, sie ist auch gegenwärtig die einzige Gitarristin mit Signature-Modell bei ESP. Doch Reba und Code Orange haben unlängst auch noch in einer anderen Disziplin Pionierarbeit geleistet!
Dank Covid-19 war die Album-Release-Show zum neuen Album ‚Underneath‘ ein frühes Opfer weitreichender Konzertabsagen im ganzen Land. Doch anstatt unverrichteter Dinge abzuziehen, entschied sich die Band extrem kurzfristig dazu, trotzdem im leeren Club zu spielen und das gesamte Konzert per Twitch zu streamen. Ein paar Monate sind seitdem ins Land gezogen und Streaming-Konzerte gehören mittlerweile schon fast zum guten Ton.
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Reba hat trotzdem ein paar sehr interessante Einblicke in die aktuelle Situation einer aktiven Band am Puls der Zeit für euch parat. Darüber hinaus erfahren wir mehr über die Namensänderung sowie musikalische Entwicklung der Band, den Designprozess von Rebas Signature-Gitarre und warum sie trotz tiefer Stimmungen eher auf kurze als Bariton-Mensuren steht.
Reba, wir durchleben momentan eine globale Pandemie und versuchen alle physisch und psychisch gesund zu bleiben. Wie geht es dir?
Mir geht es soweit gut. Meine Band und ich sind schwer beschäftigt – mit der Planung für Twitch-Streams und anderen verrückten Ideen, um diese Zeit zu überbrücken. Psychisch auf dem Posten zu bleiben, ist derzeit definitiv eine Herausforderung, aber ich gebe mein Bestes.
Ihr wart eine der ersten oder sogar die erste Band, die in Folge der Pandemie eine Live-Show gestreamed hat. War dies eine spontane Entscheidung?
Das war in der Tat sehr spontan. Ich würde sagen, dass wir mittlerweile sehr daran gewöhnt sind, improvisieren zu müssen, da bei uns ständig irgendetwas in letzter Minute schief geht. Als Band, die seit Jahren aktiv ist und oft ohne Crew tourt, sind wir mittlerweile Experten dafür, kurzfristige Problemlösungen zu finden. Überhaupt hilft auch kreatives Arbeiten wie z.B. das Songwriting dabei, ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie man schlagartig die Gangart wechselt. Als feststand, dass unsere Album-Release-Show ins Wasser fallen würde, lag für uns ein Live Stream jedenfalls nahe, und wir haben entsprechend schnell gehandelt und uns voll dahintergeklemmt!
Ich habe mir das Ganze angesehen und fand es cool zu sehen, dass ihr mit Leib und Seele gespielt und Vollgas gegeben habt. Fühlte sich das nicht etwas komisch an vor einem leeren Saal?
Zunächst schon ein bisschen, aber wir waren mental darauf vorbereitet. Überhaupt ist es für uns nicht unüblich, uns auch auf Konzerte vorzubereiten, die nicht unbedingt überwiegend von der Energie des Publikums leben. Verstehe mich nicht falsch: Ich liebe ein energetisches, sich vollends verausgabendes Publikum, aber man kann das als Band eben nicht immer haben – besonders nicht, wenn man für größere Bands den Opener macht und deren Fans sich nicht wirklich für einen interessieren. Aber man muss eben trotzdem immer alles geben, um seine Identität und Persönlichkeit richtig rüberzubringen. Und mit dieser Einstellung sind wir auch an das Streaming-Konzert herangegangen.
Ihr hießt früher Code Orange Kids und habt deutlich chaotischere Musik gespielt. Seit ihr das „Kids“ aus eurem Namen gestrichen habt, ist euer Sound düsterer und brachialer geworden. Was hat euch zu diesen Schritten bewegt?
Es fällt mir manchmal schwer, mich heutzutage noch auf die Code-Orange-Kids-Zeit zurückzubesinnen, aber ich denke, wir waren damals einfach nicht wahnsinnig selbstbewusst. Unsere Persönlichkeiten waren ungefähr so chaotisch wie unsere Musikgeschmäcker, was man der Musik definitiv angehört hat. Ich denke, wir haben das Problem zum Teil auch noch heute, aber wir sind deutlich selbstbewusster geworden und nutzen jetzt diese vielen Einflüsse einfach viel effektiver. Die Musik von Code Orange ist das Resultat davon, während sie bei Code Orange Kids zum Teil ein Zufallsprodukt war.
(Bild: Meyers)
Ich sehe eine gewisse ästhetische Verbindung zwischen den zunehmenden Industrial-Elementen in eurer Musik und dem Look deiner Signature-Gitarre, der LTD RM-600. Rede ich mir das nur ein, oder besteht da tatsächlich ein Zusammenhang?
Das ist cool, dass du da so klare Parallelen erkennst. Ich würde zwar nicht sagen, dass ich das Finish spezifisch mit diesem Hintergedanken desgined habe, aber vielleicht hat es unterbewusst eine Rolle gespielt. Der marmorierte, grau-schwarze Look gefällt mir schon mal grundsätzlich sehr gut und spielt darüber hinaus mit der Ambivalenz einer rohen, schroffen Attitüde und einem eher futuristischen Look. Die Gitarre kam schon vor der Veröffentlichung unseres neuen Albums ‚Underneath‘ auf den Markt und ich finde, dass sie ästhetisch in beiden Code-Orange-Welten gut aufgehoben ist: Roh und brachial, wie klassische Code Orange, aber auch gleichermaßen futuristisch, wie unser neueres Material.
REVIEW
(Bild: Roadrunner Records)
CODE ORANGE – UNDERNEATH
Wie schon im Interview erwähnt, hießen die Band früher Code Orange Kids und spielte ungestümen, chaotischen Hardcore Punk. Mit einem Altersdurchschnitt von gerade einmal 18 Jahren nahmen sie nach einigen Demos und EPs unter diesem Namen ein Debüt-Album für das renommierte Label ‚Deathwish Inc.‘ von Jacob Bannon (Converge) auf und veröffentlichten dieses im Jahre 2013.
Ein Jahr später wurde der Bandname um das „Kids“ erleichtert und mit ‚Forever‘ das erste Album unter dem Namen Code Orange veröffentlicht. Mit dem Namenswechsel ging auch ein unverkennbarer, musikalischer Stilwechsel einher: Schwerfälliger, düsterer, metallischer und mit deutlich weniger Punk-Einflüssen walzte sich die Band aus Pittsburgh durch einen Brocken von einem Album, das bereits latente Industrial-Elemente anzudeuten wusste. Und eben diese wurden über die Jahre hinweg deutlich ausgebaut. Gleichzeitig haben Code Orange aber auch ihre jugendlichen Nu-Metal-Einflüsse wiederentdeckt – und auch vor rockigeren Elementen wird nicht Halt gemacht.
Am besten gefällt mir der Stilmix, wenn sie Industrial-Samples mit brachialen, Spät-90er-Metalcore-Breaks à la Disembodied verbinden – besonders, wenn diese dann auch noch durch pfiffige, rhythmische Spielereien und Breakbeat-artige Einschübe unterbrochen werden. Die rockigeren Elemente sorgen bei mir nicht immer für Wohlwollen, da die Melodien oft etwas vorhersehbar erscheinen.
Auf ‚Underneath‘ halten sich diese mit den brachialeren Momenten die Waage, was im Vergleich zu den vorherigen Platten bedeutet, dass der Härtegrad etwas heruntergeschraubt worden ist. Tendenziell finde ich das schade, da Code Orange auf der Ebene meiner Meinung nach mehr Kreativität und Fantasie zeigen als in ihren betont melodischen Elementen. Aber gebt dem Album einfach eine Chance und entscheidet selbst … !
Du scheinst generell Fan der Form zu sein, aber dein Signature-Modell hat eine Kopfplatte, die man so zuvor noch nie in Verbindung mit dem Viper-Korpus gesehen hat. Wie lief der Design-Prozess mit ESP ab?
Das kam zustande, indem ich einfach in Photoshop den invertierten ESP-Headstock mit einer Viper zusammengesetzt habe. Diese Vision hatte ich schon lange und ich denke, dass die Wahl zwar etwas wild und risikofreudig war, sich aber schlussendlich ausgezahlt hat. Ich bin von der Einzigartigkeit jedenfalls total angetan, und ESP waren auch von Anfang an an Bord. Überhaupt haben mir ESP sämtliche Freiheiten und gleichzeitig auch sehr gute Rat- und Vorschläge gegeben. Diese aktive Zusammenarbeit ist etwas, das ich an ESP sehr schätze.
Wie tief stimmt ihr die Gitarren bei Code Orange und hast du jemals darüber nachgedacht, eine Baritone-Version deiner LTD-Signature rauszubringen?
Wir spielen hauptsächlich in Drop-B und Drop-Bb, wobei wir bei letzterem lediglich die tiefen drei Saiten einen Halbton runterstimmen. In manchen Songs spielen wir auch in etwas eigenartigen Open-Tunings, wie z.B. bei ‚Bleeding in the Blur‘ und ‚Who I am‘.
Ich habe mit dem Gedanken gespielt, eine Baritone zu designen, muss aber sagen, dass eine runtergestimmte Gitarre mit kurzer Mensur für mich Teil unseres Sounds ist. Der „sludgy“ Ton, den man dadurch bekommt, ist etwas, das ich immer geliebt habe. Wenn ich mir Bands wie Disembodied, Martyr A.D., Earth Crisis und Sepultura anhöre, finde ich mich in deren Sound wieder. Der Gitarren-Sound dieser Bands hat mich immer inspiriert und meinen eigenen Sound beeinflusst. Ich bin definitiv dafür offen, eine Gitarre mit anderer Mensur zu designen, aber der Sound einer Baritone ist vielleicht nicht das Richtige für mich.
Kommen wir nochmal auf Code Orange zurück: Ein neues Album veröffentlicht zu haben und nicht auf Tour gehen zu können, muss sehr frustrierend sein. Habt ihr weitere Streaming-Konzerte in Planung und lässt sich davon als Band überleben? Wie sieht die unmittelbare Zukunft für Code Orange aus?
Wir werden definitiv weitere Streaming-Konzerte spielen. Natürlich denken wir auch darüber nach, wie wir als Band finanziell über die Runden kommen können, aber wir versuchen auch auf kreativer Ebene mit der neuen Realität zu arbeiten. Wir sehen hier eine Chance, Seiten von der Band in den Vordergrund zu stellen, die sonst nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen. Wir haben beim Entstehungsprozess von ‚Underneath‘ viel gelernt und setzen uns momentan mit allen Facetten des Albums intensiver auseinander, um diese noch mehr in unsere Streaming-Performances einzubauen. Hoffentlich profitieren davon auch unsere richtigen Konzerte und Touren, wenn es wieder soweit ist.
Cool, gefällt mir. Muss ich mir mal ne Scheibe von holen.