(Bild: Franz Holtmann)
Obwohl die Gibson Company in frühen Jahren Instrumente mit vielen Saiten, etwa die chörig bespannten Mandolinen und sogar Harp Guitars fertigte, konnte erst der in den 50er-Jahren aufkommende Folk-Boom die Traditionsfirma überzeugen, ab 1961 auch endlich die ersten 12-String-Acoustics ins Programm aufzunehmen.
In den 50er-Jahren hatte Amerika noch die Kriegsfolgen wegzustecken, erholte sich nur langsam von der damit einhergehenden Rezession. Nicht ohne Grund hatte die im amerikanischen Gitarrenbau führende Gibson Company mit dem einfach konstruierten und preisgünstigen Acoustic-Modell LG-0 – der einzigen Neuheit dieser Jahre neben der 1955 eingeführten County-Western, die aber eher einer umetikettierten Southern Jumbo glich – ihren größten Erfolg.
Das Zusammentreffen von wirtschaftlicher Erholung und populär werdender Folk Music sorgte dann aber endlich für den lang erhofften Aufschwung und allein zwischen 1960 und 1963 stellte Gibson gleich sieben neue Steelstring-Modelle vor – darunter spätere Klassiker wie die Hummingbird, die Dove und das Everly Brothers Model.
Mit den Modellen B-45-12 und B-25-12 tauchten auch erstmals 12-String-Designs im Katalog der Traditionsfirma auf. Allein in diesen vier Jahren verdoppelte Gibson seine Kapazitäten und selbst die 1964 deutlich vergrößerte Produktionsfläche reichte schon bald nicht mehr aus, da sich in einem weiteren Jahr die Produktion nochmals fast verdoppelte. Folk Music, mit ihren Helden des Protests gegen den Vietnamkrieg und soziale Ungerechtigkeit wie Woody Guthrie, Bob Dylan oder Joan Baez, hatte den Mainstream erreicht. Die amerikanische Jugend eiferte ihren Idolen nach und griff selbst zur Gitarre.
Mit der Folge, dass für manche Gibson-Modelle bald Wartezeiten von bis zu zwei Jahren in Kauf zu nehmen waren. Steelstrings kamen prinzipiell in Mode, aber die große Phase der akustischen 12-String und ihrer elektrischen Schwestern stand noch bevor und erreichte ihren Höhepunkt erst mit der Hippie- und Beat-Bewegung Mitte der 60er-Jahre, wo Pop-Acts wie die Beatles, Everly Brothers, Searchers und besonders die psychedelischen Folk-Rocker The Byrds mit ‚Mr. Tambourine Man“ von Bob Dylan für große Jingle-Jangle-Furore sorgten.
1961 wurde mit der B-45-12 dann also endlich die erste 12-String in Gibsons Firmengeschichte eingeführt, im Jahr darauf kam die kleine Schwester B-25-12 in der „traditional grand concert size“-Korpusgröße der erfolgreichen LG- und B-Serien heraus, welche derjenigen einer modernen Konzertgitarre tatsächlich ziemlich genau entspricht. Dieses Format sollte sich als durchaus hilfreich erweisen, um die enormen Spannungen von 12 Saiten ohne Verwerfungen abzufangen. Größere Decken neigen auf lange Sicht dagegen eher zu statischer Instabilität, was der kleinen B-25-12 generell bessere Überlebenschancen gegenüber der großen B-45-12 verschaffte.
“IN THE JINGLE-JANGLE MORNING, I’LL COME FOLLOWING YOU”
Das Gibson-Modell B-25-12N gilt also nicht ohne Grund als gut konstruierte 12-String und auch vom eingesetzten Tonholz her bewegen wir uns auf altbewährtem Grund.
Der kleine Korpus wurde aus Honduras-Mahagoni gefertigt, Boden und Zargen in kräftigem Cherry-Farbton lackiert; die Decke aus massiver Fichte gab es in Cherry Sunburst oder in Natural (N). Für den in Höhe des 14. Bundes eingesetzten einteiligen Hals kam ebenfalls bestes Mahagoni zum Einsatz. Im ungebundenen Griffbrett aus Rio-Palisander finden wir 20 Bünde und Dot Inlays aus Perlmutt. Die recht große Kopfplatte wurde links wie rechts mit einfachen 6×6-Strip-Tuners ausgestattet. Decke und Boden einfassende Bindings und das lange Mock-Tortoise-Pickguard sorgen für optische Akzente.
Um 1964 herum änderte sich dann das Bridge-Design bei Gibsons 12-Strings. Die Top Belly Pin Bridge wurde zeit – weise durch eine schmalere mit Trapeze-Tailpiece ersetzt, was die auf die Decke wirkenden Zugkräfte wohl entlastete, aber die Optik des Instruments nicht unbedingt verbesserte. 1969 kehrte Gibson denn auch zur Pin Bridge zurück, allerdings im Bottom-Belly-Design.
SHIMMER CHORUS
Das an dieser Stelle präsentierte Modell von 1964 ist bester Beleg für die oben aufgestellte These der statischen Solidität und damit Dauerhaftigkeit der Konstruktion. Auch nach 55 Jahren hat sich die Decke hinter der Bridge kaum bewegt, die gefürchtete Belly-Bildung blieb aus, der Saitenzug konnte also perfekt abgefangen werden. Erstaunlich auch das kaum verblasste, immer noch leuchtende Cherry der Korpuslackierung. Da der Hals die vielen Jahre unter Spannung ebenfalls ohne irgenwelche Probleme aufrecht und kerzengerade überstanden hat, spielt sich das Instrument bei tief eingerichteter Saitenlage ganz ausgezeichnet.
Die kleine B-25-12N wartet nicht mit dem Volumen und der Präsenz der großen Schwester B-45-12 auf, aber das schmälert ihre Klangstärke keineswegs. Was sie an Volumen nicht aufbieten kann, das kontert sie souverän mit feingliedrig aufgelöstem Klang – verhalten, das die Feinheiten des Chorus-Effekts, dieses Drehmoments der immer leicht gegeneinander arbeitenden chörigen Saiten, haarfein hervorhebt.
Besonders schön sind die Ergebnisse beim Linienspiel, das filigran und plastisch zugleich erscheint. Ein changierendes Farbspiel, von flirrenden Obertönen belebt. Eigentlich schade, dass diese charmanten Sounds etwas aus der Mode gekommen sind, aber wie das so ist mit Zeitströmungen: das kann sich mit einem neu auf den Plan tretenden Protagonisten auch schnell mal wieder ändern.
Gibson 12-String-Modelle der 60er-Jahre werden eher selten angeboten. Die Preise am Vintage-Markt liegen für ein gut erhaltenes frühes Exemplar der B-25-12N bei etwa € 1700,-, manchmal sogar darunter. Fast schon albern für ein Instrument, das mit unwiederbringlichen Tonhölzern in dieser Qualität erstellt wurde. Grundsätzlich empfiehlt sich, alle Vintage 12-Saiter einen Ganzton tiefer zu stimmen, um auf lange Sicht Schäden durch die hohen Zugkräfte zu vermeiden.
(erschienen in Gitarre & Bass 07/2020)