Ofenfrisch

Test: EVH Wolfgang WG Standard Baked Maple

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(Bild: Dieter Stork)

Nach seiner legendären Frankenstrat hingen nicht nur die Endorsement-Scouts sämtlicher namhafter, sondern auch weniger bekannter Gitarrenhersteller an Eddie van Halens Fersen. Am Ende landete der Tapping King zunächst bei Music Man, dann bei Peavey und zuletzt bei Fender, die das Markenzeichen EVH unter Vertrag nahmen.

Die für diesen Test gelieferte EVH Wolfgang WG Standard stammt aus indonesischer Fertigung und zählt bereits seit einigen Jahren zum gut-und-günstig-Lineup EVHs. Ein bestimmtes Feature unterscheidet jedoch das aktuelle Modell von den Vorgängern, nämlich Ahornhals und Ahorngriffbrett, beides hitzebehandelt. Die Fähigkeit des Holzes zur Feuchtigkeitsaufnahme lässt nach dem Erhitzen unter Sauerstoffmangel auf mindestens 160°C deutlich nach und damit auch die Anfälligkeit zum Aufquellen, Schwinden oder gar Reißen. Zudem besitzt „gebackenes“ Holz bessere Schwingeigenschaften und reagiert weniger empfindlich auf starke Schwankungen von Luftfeuchtigkeit und Temperatur.

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BAKED MAPLE

Weitere positive Nebeneffekte des „gebackenen Ahorns“ sind der optisch ansprechende dunklere Teint und die Griffigkeit und Geschmeidigkeit der Oberfläche, die durch Ölbehandlung noch optimiert wird.

Auch die neue Wolfgang Standard kommt mit Linde-Body, stark verrundeter Armauflage und ergonomisch positioniertem Rippen-Spoiler. Rückseitig finden wir Kammern für Vibratofedern, Pickup-Schalter und Elektrik, deren Kunststoffdeckel präzise Oberkante bündig eingelassen wurden.

Abgeschirmtes Elektrikfach… allerdings ohne Massekontakt (Bild: Dieter Stork)

Zwar hat man die Böden und Deckel der Schalter- und Elektrikfächer mit Alufolie beklebt, bei den Deckeln jedoch nicht auf Massekontakt geachtet. Dies stellt allerdings angesichts der puren Humbucker-Schaltung kein Problem dar. Ein stabiles Zargenblech trägt die Klinkenbuchse, große Knöpfe sichern den Gurt.

Stufig verjüngter Halsübergang (Bild: Dieter Stork)

Unverrückbar sitzt der einteilige Ahornhals in seiner passgenau gefrästen Korpustasche, wo er von vier einzelnen, mit großen U-Scheiben unterlegten Schrauben fixiert ist. Die Justierung der Halskrümmung wird per bewährtem Speichenrad am Ende des Ahorngriffbretts vorgenommen, der dafür erforderliche Metallstift zählt zum Lieferumfang.

Trussrod mit Einstellrad (Bild: Dieter Stork)

22 inklusive der Kanten perfekt bearbeitete Jumbobünde bieten höchsten Spielkomfort. Schwarze Punkt-Inlays und Sidedots markieren die Lagen. Der von 12″ bis 16″ zunehmende Radius erleichtert Bespielbarkeit und Bendings in den oberen Lagen.

Während das Werks-Setup eine top Saitenlage bietet, ließe sich der Floyd Rose Klemmsattel noch um den einen oder anderen Zehntelmillimeter absenken. Über den Locking Nut und unter dem Stringbar hinweg, der für ordentlich Druck auf den Sattel sorgt, erreichen die parallel verlaufenden Saiten die präzise, wenn auch nicht sonderlich geschmeidig rotierenden Mechaniken.

Als Steg findet ein perfekt eingestelltes, parallel zur Decke schwebendes Floyd-Rose-Special-Locking-Vibrato Verwendung, das von zwei Schraubbolzen gehalten wird und werksseitig mit zwei Federn bestückt ist. Das Drehmoment des Steckhebels lässt sich per Schraubmuffe variieren. Wegen des relativ großen Halswinkels konnte auf eine Deckenfräsung verzichtet werden. Da die Stützfedern der Feinstimmer die Decke berühren, sind Up-Bendings nicht möglich. Fluch oder Segen, in jedem Fall verhindert dies Verstimmungen, falls eine Saite reißt.

Die beiden EVH-Humbucker hat man in ihren Fräsungen jeweils vierfach direkt mit dem Korpus verschraubt. Dank unterlegten Schaumgummis lassen sich die Spulen parallel zu den Saiten ausrichten. Verwaltet werden die Pickups per Dreiweg-Toggle-Switch, Master-Volume- und Master-Tone-Reglern. Möglichweise auf Kundenwunsch hat EVH die Wirkungsweise des Pickup-Schalters umgekehrt. Wie gewohnt ist der Hals-PU aktiv wenn der Schalterknopf zum Spieler zeigt. In Mittelstellung sind beide Humbucker in Betrieb, nach unten der Steg-HB. Die schicken griffigen Retro-Knöpfe erleichtern die Handhabung der ohnehin butterweich rotierenden Potis.

UMGESCHNALLT

Bestens ausbalanciert hängt die Wolfgang Standard am Gurt und macht auch auf dem Bein keinen Stress. Da der Hals tief in den Body ragt, erscheint er recht kurz, was das Greifen von Barré-Akkorden in den untersten Lagen immens erleichtert. Durch den großzügig geschnittenen Cutaway und den abgerundeten Halsübergang sind die hohen Griffbrettgefilde gut zu erreichen. Die griffige Oberfläche, die penibel verrundeten Bund- und Griffbrettkanten, der wechselnde Griffbrettradius und das leicht unsymmetrische Wolfgang-Backshape-Profil – eine abgemilderte Form des Fender Modern C – bieten ein enorm angenehmes Spielgefühl.

Optimal verrundete Bundkanten (Bild: Dieter Stork)

Unverstärkt schwingt die Gitarre intensiv und gleichmäßig, spricht direkt und akzentuiert an, zeigt lebendige Tonentfaltung und achtbares Sustain. Die .009-.042 Werksbesaitung lässt sie etwas schwachbrüstig klingen, dafür aber ausgewogen, rund, warm und obertonreich. Bei kräftigem Akkordspiel zeigt sich, dass die die Decke berührenden Feinstimmerstützfedern durch die Saitenschwingungen hörbare Vibrationsgeräusche erzeugen. Nach Anziehen der Vibratofedern behielt die Floyd-Rose-Basis ihre Parallelausrichtung zur Decke, die Geräusche verschwanden jedoch.

Am Amp präsentiert sich die hitzeerprobte Wolfgang Standard als ultimative Rock-Axt. Das Humbucker-Paar bietet breite, flexibel einsetzbare Klangbilder, deren Farben sich mit akzentuiertem, dynamischem Spiel und den präzise und gleichmäßig agierenden Potis variieren lassen. Ob Blues, Classic-, Hard- und Heavy Rock oder auch Metal, die Gitarre scheint sich in allen möglichen Musikgenres wohlzufühlen und ist stets in der Lage, sich mit gesundem Durchsetzungsvermögen durchs Band-Gefüge zu pflügen.

Inzwischen hat man den Hals-Pickup output-mäßig offenbar besser an den Steg-Humbucker angeglichen, da das Volume-Poti für Cleansounds nicht mehr zurückgenommen werden muss. Jetzt liefert der Pickup charaktervolle warme aber differenzierte Sounds und in Kombination mit dem Stegabnehmer offene, glockenklar perlende Arpeggien oder Rhythmusklänge und samtig singende Leadsounds. Der Steg-Humbucker demonstriert derweil die Rock-Qualitäten der Gitarre, denn abhängig von der Anschlagsintensität kann er mal schmusig weich singen, mal aggressiv beißen, wobei Leadsounds bestens vom Sustain unterstützt werden.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Der hitzebehandelte Ahornhals und das gleichermaßen gebräunte Griffbrett haben der EVH Wolfgang WG Standard offenbar richtig gutgetan. Nicht nur aus klanglicher Sicht, sondern vor allem in Sachen Bespielbarkeit und Spielkomfort. Ihre Schwingfreude geht mit ihren dynamischen und tonalen Qualitäten einher, und ihre klangliche Flexibilität bedient unterschiedlichste Musikrichtungen. Die makellose Verarbeitung und das sorgfältige Werks-Setup wird lediglich durch den nicht optimal eingepassten Klemmsattel getrübt. Dennoch ergibt sich unterm Strich ein gutes Verhältnis von Preis und Leistung.

PLUS

  • Sounds & Flexibilität
  • Schwingfreude & Dynamik
  • Spielbarkeit
  • Verarbeitung
  • Werks-Setup (mit Ausnahme s.u.)
  • Preis/Leistung

MINUS

  • Sattelniveau

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2020)

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