Twang, aber mit richtig Schmackes

Test: Nik Huber Piet

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Harry Häussel Broad-N und P90 „Foil Style“ – ein schlagendes PU-Paar (Bild: Dieter Stork)

Familienmensch Nik Huber ergänzt mit dem neuen Modell Piet – gewidmet seinem jüngsten Sohn – den Huberschen Modellreigen vollkommen organisch. Historisch geankert, nach vorn orientiert: Genau so kennt man die Designs des Rodgauer Gitarrenbauers!

Alles im Prinzip schon bekannt, sicher, aber das heißt ja nicht, dass da nicht noch der ein oder andere Spielraum für Verbesserung oder klangcharakterliche Variation zu finden wäre. Nik Huber liegt mit seiner Art zu denken offenbar richtig – der beständige Erfolg, auch zu messen am hohen Wiederverkaufswert seiner Gitarren, gibt ihm einfach recht.

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VERBESSERTE ZUTATEN – NEUE REZEPTUR

Das Modell Piet ergänzt das Nik-Huber-Programm um ein weiteres stimmiges Instrument, das einer Mischung aus verschiedenen Analogien oder Referenzen an gesetzte Designs zu entspringen scheint, dabei aber keineswegs den eigenständigen Überformungswillen außer Acht lässt. Nik greift mit diesem Entwurf also wieder einmal durchaus bekannte Ideen auf und schaut, was sich daran verbessern, ergänzen und nach eigenen Vorstellungen gestalten lässt.

(Bild: Dieter Stork)

Der aus zwei Teilen gefügte, flache Korpus von 4,3 cm Stärke aus Red Alder (Erle) erinnert uns natürlich an die Fender Telecaster, die Mutter aller Brettgitarren. Aber dann sind da wieder diese Konturen für die Armauf- und Bauchanlage, Attribute einer Stratocaster, verbunden allerdings mit einer eigenständig gestalteten Hals/Korpus-Verbindung und kleinen weichen Abgleichungen im Randbereich. Alles Aspekte, die auf einen erweiterten Spielkomfort gerichtet sind. Der Ansatz scheint eingedenk des Schraubhalses aus Ahorn und der ebenfalls später noch näher zu betrachtenden Stegkonstruktion jedenfalls grundsätzlich kalifornisch – wäre da nicht diese alles in Frage stellende 3+3-Kopfplatte! Wer sich im Nik Huber-Programm auskennt, hat es wohl schon bemerkt: in formaler Hinsicht ist das alles nicht wirklich neu. Piets Silhouette ist 1:1 identisch mit der des Modell Dolphin.

Ultrafest und ergonomisch perfekt: Hubers Schraubhalsverbindung (Bild: Dieter Stork)

Der einteilige Hals aus Ahorn mit „Piet Standard Neck Carve“ ist in Höhe des 17. Bundes mit haptisch vorteilhaft angeschnittenem Halsfuß über fünf Schrauben und auf Bodenniveau eingelassener Metallplatte passgenau tief in den Korpus eingebracht. Im Griffbrett aus Ostindischem Palisander (10″-14″ Compound Radius) finden wir neben 22 hochklassig kantenrund verarbeiteten, extraharten Medium-Jumbo-Bünden „Silver Ring Inlays“ aus Sterling Silber zur Lagenkennung. Die zuvor bereits erwähnte Kopfplatte von firmentypisch symmetrischem Zuschnitt ist, ebenfalls ganz unkalifornisch, in leichtem Winkel (10°) herausgeführt.

Leicht laufende Nik-Huber-510-Open-Gear-Mechaniken mit Keystone Buttons garantieren Stimmungstabilität. Die Saiten laufen mit 648-mm-Mensur über den akkurat eingerichteten Sattel aus Knochen hinüber zur Offset Mastery Bridge mit beweglicher zweiteiliger Saitenauflage aus verchromtem Messing. Geankert werden sie im zugehörigen, auf die Decke geschraubten Mastery Vibrato aus Stainless Steel mit Einsteckarm.

Passt perfekt: Mastery Bridge (Bild: Dieter Stork)

Die Pickups kommen, wie eigentlich immer bei Nik Huber, von Harry Häussel. Broad-N-Singlecoil mit Neusilberkappe in der Halsposition auf das „brushed“ Tortoise Pickguard geschraubt und P-90 „Foil-Style“ am Steg. Geschaltet werden die Tonabnehmer konventionell über einen Dreiwege-Kippschalter, verwaltet von generellen Volume- und Tone-Reglern.

Die detailgenau und in kunstfertig gearbeitete Gitarre ist mit ultradünnem, offenporigem Nitrolack in 2-Tone-Burst versiegelt. Zum Lieferumfang gehören ein Zertifikat mit handschriftlicher Final-Check-Bestätigung und das schöne, feste Nik Huber Tweed Case.

WIE VIELE STERNE DÜRFEN ES DENN SEIN?

Die Huber Piet ist eine Gitarre, die auf Anhieb Spaß bringt. Nicht nur erweist sich dieses mit leicht erhabener Mitte leicht asymmetrisch, aber unbedingt harmonisch ausgebaute Profil – von V zu sprechen wäre zuviel – in Verbindung mit der glänzend gemachten Bundierung als enorm handschmeichlerisch, auch springt uns ein offenes, ungemein lebhaftes, aber auch überraschend originelles Klangverhalten ins Ohr. Der lange Saitenstand zwischen Bridge und Saitenaufhängung nimmt grundsätzlich Einfluss auf den Klang von Piet. Die lose mitschwirrenden Frequenzen sorgen mit ihren harfenähnlichen Schwebungen für ein besonderes Klangambiente. Das macht es einerseits reizvoll, ist aber andererseits nicht unbedingt jedermanns Sache. Schade? Nein keineswegs, steht doch alternativ auch eine Version mit Stoptail Bridge bereit. Zur Elektrik: die verbauten Pickups unterschiedlicher Charakteristik von Hauslieferant Harry Häussel bieten uns auf dieser soliden Grundlage eine schlagende Auswahl an charaktervollen Sounds.

Im cleanen Amp-Modus eröffnet der Einspuler am Hals mit wunderbar rundem und dennoch leicht kehligem Ton. Ein Kontur gebendes Rückgrat darin sorgt für sauber separierte Saiten, die sich genau darüber zu harmonisch griffig aufgelösten Akkorden zusammenschließen, in denen jede einzelne Stimme präzise zu orten ist. Traumhafte Transparenz – tolles Timbre! Dank der überaus guten Ansprache und dynamischen Beweglichkeit der Gitarre sind im Melodiespiel mit flexibel geführtem Plektrum dann feine Abstufungen im Ausdruck und in der Tonfarbe zu erzielen.

Im Overdrive ist die vokale Kraft zu loben, mit der dieser Pickup die musikalische Aktion feinfühlig und detailgenau umzusetzen vermag. Aber wer es darauf anlegt, wird bei entsprechender Spielhaltung auch mit dem Growl fetter Singlecoil-Schlonze belohnt. Der P-90-Kollege am Steg ist da von ganz anderem Kaliber. Er stellt ein deutlich enger gefasstes Klangbild zur Verfügung, das seine Präferenzen im warmen Mittenbereich findet, aber dennoch rundum ausgeglichen tönt. Die Bässe zeigen sich im Vergleich etwas kompakter, bleiben aber immer präsent und angenehm trocken. Die Höhen verfügen nicht über die feingliedrige Glanzkrone des Singlecoils am Hals, sind von deutlich differierender Qualität mit mehr Dichte und warmer Rundung.

Vor allem aber machen sie im Akkord den genau richtigen Deckel drauf. Irgendwie geladen, aber gerade noch beherrscht und in der Aussage unmissverständlich. So der Eindruck, sobald man über den Steg-Pickup in die Offensive geht. Der Mittenbereich kommt ausgeprägter als erwartet zum Zuge, vermittelt druckvolle Dominanz. In Gain-Positionen lässt sich diese deutliche Kompression mit dem Plektrum in seiner Intensität bis hin zum sich zuspitzend öffnenden Quack gestalten. Powerchords kommen schön holzig, aber keineswegs spröde, dafür ungemein dezidiert.

Angriffslustig zugespitzt springen Solo-Linien mit perkussiv umgesetztem Anschlags-Attack aus den Speakern. Auf jeden Fall ist Piet mit diesem Pickup in der Lage, saftige Stromschläge auszuteilen. Die Lead Sounds sind durchsetzungsstark, ja höchst präsent, und Obertöne lassen sich leicht herauskitzeln. Beeindruckend ist bei all dem aber wiederum die enorme dynamische Gestaltungsspanne! Der tonfarbliche Akzent wird prinzipiell schon etwas anders gesetzt, als das etwa bei einem Mahagoni-Body der Fall wäre: schlanker und stringenter. Nik: „Wir wollten schon diesen bissigen Tele-Twang, aber mit richtig Schmackes!“

Klingendes Gold gibt es als Bonus dann schließlich auch noch oben drauf bei Zusammenschaltung beider Tonabnehmer. Mit ausgeprägtem Charakter liegen auch hier absolut hochklassig helle Sounds an, die mit sehr viel Luft unter den Flügeln frech und flink aus den Lautsprechern federn. Offen, perlfrisch-frei, obertonbunt: Wonne pur in allen Schaltpositionen!

Die oben bereits erwähnte leichte Diffusion in der Tongestalt des vorliegenden Piet-Modells durch die mitschwingenden und auf Tonhöhen unterschiedlich resonierenden Saiten hinter der Bridge sind gewollt und systembedingt. Der Effekt ist keineswegs vordergründig und sorgt auf eine dezente Art für den durchaus speziellen Charakter dieser Gitarre. Kein Anlass also für Kritik oder gar einen Minuspunkt, nur die Empfehlung für einen persönlichen Check.

(Bild: Dieter Stork)

Die Mastery Bridge macht ansonsten den erwartet guten Job, sorgt für sauberen Tontransport, bleibt bei maßvollem Gebrauch angenehm stimmstabil und die fluffige Handhabung mit weicher Aufhängung kann geradezu süchtig machen.

RESÜMEE

Der beneidenswerte Nik Huber lebt in zwei Familien zugleich! Auf der einen Seite sind da seine Frau und seine Söhne, die über viele Jahre hinweg die gitarrenbauerische Passion unseres Protagonisten geduldig ertrugen, ja trotz mancher Opfer sogar tatkräftig unterstützten – zum anderen schätzt er sich glücklich, auch in seinem treuen Werkstatt-Team eine intakte Familie sehen zu dürfen.

Solch günstigen Umständen verdanken wir einen hohen kreativen Output, der sich im aktuellen Modell erneut eindrucksvoll Geltung zu schaffen vermag. Im Piet-Design lässt Nik sich von der kalifornischen Bauweise inspirieren, adaptiert verschiedene Merkmale, kombiniert diese aber mit eigenen Ideen zu etwas Neuem, das vor allem eines ist: unverwechselbar Huber. Anspielungen auf Telecaster, Stratocaster und Jazzmaster treffen hier auf einen traditionellen 3+3-Kopf – vor Jahren noch ein Design-technisches No-Go, heute aber absolut kein Problem mehr.

Zusammengefasst: Stimmige Konstruktion, wunderbarer Hals mit perfekter Bundierung, sensible Ansprache, leichte Tonentfaltung, großartiges Dynamikverhalten, flexibel ausgelegte Elektrik mit starken Häussel-Pickups – was bleibt da noch zu wünschen übrig? Die Nik Huber Piet ist ein Instrument von ausgeprägtem Charakter mit dem der Gitarrenbauer wieder einmal sein feines Gefühl für den grenzüberschreitenden Zeitgeschmack beweist – Bravo!

PLUS

  • stimmiges Crossover-Design
  • spezielles Schwingverhalten
  • Ansprache, Dynamik
  • Häussel Pickups
  • vital flexible Sounds
  • Mastery Bridge
  • Halsprofil, Bundierung
  • großartiges Spielgefühl
  • minutiöse Verarbeitung

(erschienen in Gitarre & Bass 06/2020)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Habe vor kurzer Zeit eine Nik Huber Piet mit 3 singlecoils erstanden. Stand bei sessions.de. Habe ich sonst noch nie gesehen.
    Die beste ‘Strat’, die ich je in der Hand hatte. Ein Traum in jeder Hinsicht.
    Die alte Les Paul hängt auch nur noch an der Wand, gespielt wird die N.H. Dolphin 2.
    Das Märchen von den alten Gitarren, die immer die besten sind, glaube ich schon lange nicht mehr.
    Natürlich sind Nik Hubers Gitarren keine Schnäppchen…….aber sie sind jeden Cent wert.
    In diesem Sinne….stay tuned!!
    Rolf

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