Die kanadische Firma Dingwall ist seit 1992 aktiv im Bass-Business tätig und schon 1993 wurde auf der NAMM-Show der staunenden Fachwelt der revolutionäre fünfsaitige Voodoo-Bass mit einem „Fanned-Fret“-Griffbrett präsentiert.
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Das ursprüngliche Staunen über die seltsam angelegte Bundierung ist mittlerweile einem „Hab’ ich schon mal irgendwo gesehen“ gewichen. Dennoch sind die Instrumente von Dingwall hierzulande eher rar gesät. Nur wenige Bassisten dürften bislang einen Dingwall in den Händen gehalten haben. Zudem verschreckt das ungewöhnliche Griffbrett schon viele Musiker im Vorfeld und folglich dürfte sich das Interesse an diesem Instrument in einem überschaubaren Rahmen halten. Nur ganz Mutige kaufen ein solch außergewöhnliches Instrument einfach unbesehen per Versand. Zum Glück gibt es mittlerweile wieder einen deutschen Vertrieb und so kann sich jeder interessierte Musiker diese Bässe im Fachhandel einmal höchst persönlich anschauen.
Konstruktion der Dingwall Special J5
Ungewöhnlich sehen bei dem Special J5 von Dingwall eigentlich nur die Bünde und die schräg eingesetzten Tonabnehmer aus. Sieht man davon einmal ab, könnte man meinen, einen Klassiker in der Hand zu halten. Nicht umsonst steht das „J“ auch im Modellnahmen. Aber, dieser Fünfsaiter ist natürlich alles andere als eine weitere Interpretation eines alten Themas. Der deckend schwarz hochglanzlackierte Korpus ist zwar in klassischer Jazz-Bass-Tradition aus Erle gefertigt, ist aber mit Hohlräumen versehen, vom Hersteller als Tone-Chambers bezeichnet. Der fünfteilige Ahornhals ist spielfrei in die Korpustasche eingepasst und wird durch eine vierfache Verschraubung mit eingelassenen Imbuschrauben aus Edelstahl fixiert. Entsprechend der Fender-Optik, ist die Kopfplatte zurückversetzt. Um hier einen ausreichenden Saitendruck auf den schräg in das Griffbrett eingesetzten, selbstschmierenden Graphitsattel zu gewährleisten, hat der Fünfsaiter einen Niederhalter für A- und D-Saite erhalten. Auf der Kopfplatte sitzen in Zusammenarbeit mit Hipshot entwickelte Stimmmechaniken. Die in die kräftige 17 mm dicke Kopfplatte eingelassenen Mechaniken sind nicht nur gewichtsreduziert, sondern auch äußerst präzise und feingängig. Der Zugang zum Halsspannstab ist ebenfalls auf der Kopfplatte offen zugänglich. Ein Nachjustieren wird hier wohl eher selten erfolgen müssen, da der Hals mit Kohlefaser verstärkt worden ist.
Der absolute Blickfang ist natürlich die fächerartige Bundierung im aufgeleimten Ahorngriffbrett. Die 22 Bünde sind recht schmal ausgefallen, der Hersteller nennt sie auch „Banjo-Size“, und sie sollen konventionellen Jumbo-Bünden in puncto Haltbarkeit in nichts nachstehen, jedoch weichere Glissandos unterstützen. Durch die „schiefe“ Bundierung ergibt sich für jede Saite eine unterschiedliche Mensur. H-Saite = 892 mm, E-Saite = 872 mm, A-Saite = 852 mm, D-Saite = 836 mm, G-Saite = 816 mm. Die im eigenen Hause entwickelten rauscharmen Super-Fatty-Tonabnehmer die in einer JJ-Konfiguration verwendet werden, sind mit Neodym-Magneten bestückt und mensurgerecht schräg in den Korpus eingesetzt. In Zusammenarbeit mit Hipshot ist die Brücke gestaltet worden, die problemlos das individuelle Justieren der Saiten in Höhe und Oktavreinheit ermöglicht. Beide Tonabnehmer werden über einen Rasterpoti angewählt, der vier verschiedene Grund-Sounds anbietet: Halstonabnehmer, beide Tonabnehmer seriell, beide Tonabnehmer parallel und schließlich der Bridge- Pickup. Außerdem befindet sich im Bedienfeld ein Master-Volume-Poti mit Push/Pull-Zugschalter zum Umschalten von Aktiv- auf Passivbetrieb. Für die aktive Nutzung bietet ein Zweiband-Equalizer von Glockenklang einstellbare Anhebungen und Dämpfungen für Höhen und Bässe. Dabei bietet die Glockenklangregelung eine Besonderheit, da der Höhenregler bei passivem Betrieb auch als passive Tonblende genutzt werden kann. Das Batteriefach auf der Korpusrückseite ist einfallsreich, aber sehr simpel. Einfach in die zwei Löcher der runden Abdeckungsscheibe greifen, etwas ziehen, den magnetisch fixierten Deckel entfernen und einem Batteriewechsel steht nichts mehr im Wege.
Bei einem Fanned Fret Fingerboard werden die Bünde fächerartig auf dem Griffbrett angeordnet. Das sieht zwar sehr spektakulär aus, aber so neu ist der Gedanke gar nicht. Wenn man von den Ursprüngen im akustischen Instrumentenbau einmal absieht, wurden schon in den Sechziger- und Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts elektrische Instrumente mit „Slanted Frets“ angeboten, wie etwa von Rickenbacker. Bei einer normalen Bundierung liegen die Bünde im rechten Winkel zu der Länge des Griffbretts. Bei der Slanted-Fret-Variante, sind die Bünde schräg in das Griffbrett eingesetzt, jedoch unter Beibehaltung der konventionellen Abstände. Neuen Schwung in das Thema Bundierung brachte Ralph Novak, der die ursprüngliche Idee modifizierte und das unter dem Namen „Fanned-Fret“ bekannte System 1989 patentieren ließ. Zuerst nur auf den eigenen Novax Gitarren erhältlich, wurden diese Instrumente durch den Jazz-Gitarristen Charlie Hunter einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Sheldon Dingwall war der erste Hersteller, der im Jahr 1992 diese Idee für den Bassbau aufgriff. Der ungewöhnlichen Bundierung liegt der Gedanke zugrunde, dass jede Saite dann am besten klingt, wenn sie über eine optimale Mensur verfügt. Entsprechend werden die Bünde bei dem Fanned-Fret-System in das Griffbrett eingesetzt, was schließlich zu der fächerartigen Optik führt. Das vorliegende Instrumente von Dingwall besitzt folglich auch fünf unterschiedliche Mensuren, wobei sich besonders die verlängerte Mensur der H-Saite positiv gestaltet, da durch die Verlängerung auf 892 mm eine erhöhte Saitenspannung auftritt, die für einen sehr klaren und definierten Ton sorgt.
Die Dingwall Special J5 in der Praxis
Eines darf man gleich zu Anfang nicht, nämlich nachdenken und mit zuviel Respekt an den Fünfsaiter gehen. Einfach loslegen, denn der Dingwall spielt sich eigentlich von alleine. Am Anfang greift man vielleicht schon einmal mitten auf ein Bundstäbchen, aber das legt sich sehr schnell. Zwischen 4. und 14. Bund gibt es eigentlich überhaupt keine Eingewöhnungsprobleme, da hier die Bünde nicht zu schräg eingesetzt sind. In den höchsten Lagen wird es bei solistischen Ausflügen etwas gewöhnungsbedürftiger, da hier die Bünde etwas schräger ausfallen und auch in den untersten Lagen sollte man bei weiter auseinanderliegenden Intervallen am Anfang etwas vorsichtiger agieren. Der enorme Spielspaß lässt jedenfalls ganz schnell das Fanned-Fret-System in Vergessenheit geraten. Das Instrument wiegt noch nicht einmal 4 kg und hängt ausgewogen und stabil am Gurt, von Kopflastigkeit keine Spur. Der seidenmatt lackierte Hals, der ein mittelflaches C-Profil aufweist, hat absolutes Suchtpotential. Diesen Fünfsaiter will man gar nicht mehr ablegen.
Unverstärkt hört man klar die Einflüsse der Holzkonstruktion. Der fünfteilige Ahornhals mit aufgeleimten Griffbrett fördert eine sehr direkte und exakte Tonansprache, sorgt für eine prägnante Klanghärte und einen enormen Obertonreichtum. Das Korpusmaterial aus Erle fügt einen soliden, gutmütigen Bassanteil hinzu. Knackig und definiert präsentiert sich der Dingwall natürlich auch im verstärkten Modus. Durch die verlängerte Mensur kommt die H-Saite mit einer unglaublich präzisen Wucht herüber. Dabei jedoch ganz klar definiert und sauber, sodass zu keiner Zeit Mupf aufkommt. Auch die anderen Saiten profitieren von dem Fanned-Fret-System. Der Dingwall spielt sich wie aus einem Guss. Das jede Saite über eine andere Mensur verfügt, fällt überhaupt nicht auf. Absolut ausgewogen präsentieren sich die einzelnen Saiten, sowohl vom Spielgefühl als auch von ihrer klanglichen Abstimmung. Spielbarkeit, Resonanz, Klarheit und Gleichheit über das ganze Griffbrett zeichnen den Fünfsaiter aus.
Diese hervorragenden Qualitäten werden durch eine exquisite elektronische Ausstattung entsprechend verarbeitet. Schon passiv ist ein sehr weiter übertragener Frequenzbereich und ein äußerst detailreicher Holzton konstatierbar. Dafür verantwortlich sind die aus eigener Fertigung stammenden, rauscharmen Splitcoils, die filigranste Feinheiten erfassen, und dabei H- und E-Saite klar und sauber, D- und G-Saite jedoch fetter, mit etwas mehr Wärme übertragen und somit wesentlich zum homogenen Klangbild beisteuern. Dabei liefern die beiden Tonabnehmer im Prinzip die zu erwartenden Grund-Sounds; der Bridge-Tonabnehmer tönt leicht knöchern und nasal, während der Halstonabnehmer naturgemäß eher pfundiger überträgt. Bei der parallelen Schaltung werden die Mitten ausgelöscht und ein kultivierter HiFi-Sound mit normalem Output bietet eine gesunde Basis für eher funkige Ausrichtungen. Die Serienschaltung der beiden Super-Fatty-PUs bietet jedoch einen absoluten Mörderbass. Der Ton gewinnt im Vergleich zu den anderen Einstellungen enorm an Punch und Tiefmitten. Im aktiven Modus kommt diese Wucht noch einen guten Zacken gewaltiger daher, aber selbst bei dem kellertiefsten Pfund verliert die H-Saite nicht ihre Contenance, wirklich beeindruckend!
Zusätzliche Flexibilität bietet der Glockenklang-Zweiband-EQ, der gepflegt und unaufdringlich, effektstarke und geschmackvolle Eingriffe in das Klangbild ermöglicht. Anhebungen und Absenkungen sind wirkungsstark und bestens abgestimmt für eine praxistaugliche Anwendung.
Resümee
Den Dingwall sollte man in die Hand nehmen und einfach spielen. Die anfängliche Skepsis wegen der ungewohnten Bundierung legt sich ganz schnell, und macht einer lustvollen Begeisterung Platz. Druckvoll, dynamisch, differenziert, sauber, tight, und mit einer beeindruckenden Tonartikulation und ausgewogener Klangabstimmung der einzelnen Saiten ausgestattet, ist dieser Fünfsaiter ein erstaunliches Instrument. Respektabel gestaltet sich zwar auch der Preis, aber das wunderbare Spielgefühl und der ausgewogene Ton vermitteln mehr als jedes optische Sperenzchen, dass hier große handwerkliche Fähigkeiten und jede Menge Know-how am Werke waren. Hochwertige Hardware, erstklassige Hölzer, perfekte Verarbeitung, ein Instrument in dieser Qualität wird man kaum zu einem günstigeren Preis erwerben können. Einzig und allein die Fender-Anbiederung hinterlässt einen faden Beigeschmack, denn das hätte man sich sparen können. Wer solch überzeugende Instrumente bauen kann, der sollte das nicht nötig haben.