Sagenhaft

Test: Rübezahl Humbucker

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(Bild: Dieter Stork)

Rübezahl ist der Sage nach ein Riese und/oder Berggeist, der im Riesengebirge im Bereich der tschechisch-polnischen Grenze gelebt haben soll. Wie kommt ein im Westerwald ansässiger Pickup-Hersteller darauf, seine Produkte nach dieser ambivalenten Märchenfigur zu benennen?

Chris Weißenfels und dessen Frau Juli, Betreiber der kleinen Manufaktur von Rübezahl Tonabnehmer, lieben diese alten Legenden und planen, irgendwann mal Rübezahls Heimat zu erkunden. Was die beiden an diesen Legenden am meisten fasziniert, ist die Kombination aus tiefem Kontakt mit der Natur und gleichzeitig absoluter Kraft und Stärke.

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Wo wir schon mal bei Sagen, Mythen und Natur sind: Die vier Humbucker-Typen, die uns zum Test geschickt wurden, tragen allesamt Namen isländischer Vulkane, und zwar Katla, Hekla, Grimsvötn und Bardarbunga. Mal sehen, ob es irgendeinen Bezug zu den jeweiligen Klangcharakteristiken gibt.

PHILOSOPHIE

Rübezahl Tonabnehmer entstehen ausnahmslos in Handarbeit und werden nach individuellen Wünschen der Kunden gefertigt und klanglich abgestimmt. Unkonventionelle Designs und Formen sowie exotische Materialien – nichts ist unmöglich, sofern technisch realisierbar.

Zahlreiche Pickup-Fotos auf der Rübezahl-Website zeugen von Ideenreichtum und geschmackvollen Designs und lassen die handwerklichen Fähigkeiten und den Perfektionismus Chris Weißenfels‘ erahnen. Neben 100%igen Custom-Kreationen haben sich Rübezahl entschlossen, nun auch Serien-Pickups anzubieten, von denen mir für diesen Test die Modelle Katla, Hekla und Grimsvötn als gematchte Sets und ein einzelner Bardarbunga-Humbucker zur Verfügung stehen.

Alle Kappen und Grundplatten bestehen aus Neusilber. Dank kurzer Montagewinkel (short legs) lassen sich die Tonabnehmer problemlos direkt in Body, Rähmchen oder Pickguard montieren. Die geschirmten Anschlusskabel bestehen aus vier Adern plus Masselitze, von denen die Splitanschlüsse (grün und weiß) und Masse (braun und blank) bereits verlötet wurden. Der heiße Anschluss ist hier gelb.

Den Kabelmänteln anhaftende Wachsrückstände lassen erkennen, dass die Spulen gewachst wurden um Rückkopplungen zu minimieren. Rückseitige Aufkleber benennen Hersteller, Pickup-Modell, Position und Fertigungsjahr. Sollte der Aufkleber verloren gehen, markiert ein roter Schrumpfschlauch am Kabelende die Hals-, ein schwarzer die Stegposition.

Zudem lassen schon die Kabellängen erkennen, für welche Position der jeweilige Humbucker vorgesehen ist. Zur Montage werden Gewindeschrauben in Hardwarefarbe und Distanzfedern mitgeliefert. Die penible Verarbeitung der Pickups lässt keine Wünsche offen.

HEKLA

(Bild: Dieter Stork)

Dieses Set vertritt den Typ „klassischer late 50s/early 60s Humbucker“. Chris Weißenfels vermeidet bewusst die Bezeichnung mit den drei Buchstaben, da die Heklas nicht als Repliken, sondern als moderne Interpretationen verstanden werden sollen. Das Test-Set kommt mit Alnico-4-Magneten, goldenen Inbus-Polschrauben und Cover in spiegelblankem dezentem Cosmo Black.

Während der Hals-Hekla 7,0 kOhm Gleichstromwiderstand misst, zeigt das Messgerät beim Steg-Pickup 8,6 kOhm an. Als glückliche Fügung betrachte ich, dass mir während des Tests eine 83er Pre-Historic Reissue Les Paul mit original 61er PAFs (Hals 8,01 kOhm, Steg 7,93 kOhm) zum Klangvergleich zur Verfügung steht. Zwar darf ich die Test-Pickups nicht auf eben dieser Gitarre vergleichen, aber immerhin.

Zunächst geben die Rübezahls etwas mehr Output ab und zeigen präzisere Saitentrennung als die Originale. Der Hals-Pickup klingt ebenso rund und ausgewogen wie sein PAF-Pendant und liefert samtige aber auch etwas straffere, frequenzmäßig nicht ganz so tief reichende Bässe, was sowohl der Transparenz als auch dem Durchsetzungsvermögen zugutekommt.

Der Steg-Hekla punktet derweil mit kompakten kraftvollen Bässen, etwas knackigeren präsenteren Mitten, luftigen klaren Höhen und reichem Obertongehalt. Speziell die Mitten und Höhen gestatten es, dem Sound – je nach Anschlagsintensität – fein dosierbar Biss und Aggressivität zu verleihen.

Im Kombibetrieb tönen beide Pickups ebenso glockig und leicht nasal wie die PAFs, besitzen aber auch etwas mehr klangliche Tiefe und Volumen, ohne die Transparenz zu beeinträchtigen. Am zerrenden Amp zeigen sie mehr Biss, und Leadsounds kommen dank breitem Obertonspektrum auch etwas aggressiver und direkter.

Bereits eine leichte Sättigung der Verstärkerröhren pusht das Sustain und lässt jeden Ton förmlich singen. Die Hekla-Humbucker zeigen exzellente Dynamik und unterstützen damit nuancenreiches Spiel, Tonbildung/Tonformung und die Arbeit mit den Gitarrenpotis. Absolut empfehlenswert für Blues, Bluesrock, Classic- und Hardrock u. v. m..

KATLA

(Bild: Dieter Stork)

Hier haben wir es mit Rübezahls vielseitigsten Humbuckern zu tun, die mit DC-Resistance-Werten von 7,0 bzw. 13,1 kOhm klanglich alles zwischen Jazz und Metal abdecken sollen. Die vorliegenden Modelle besitzen mattierte Nickelkappen und schwarze Inbus-Polschrauben.

Verglichen mit dem Hekla-Set liefern die Katlas, insbesondere das Steg-Modell, höhere Ausgangspegel. Während der Hals-Pickup dies bei gleichem DC-Widerstand wie der Hekla mittels Alnico 5 bewerkstelligt, hat der Steg-Katla einen Keramikmagnet an Bord – die heißere Variante also. Die klangliche Basis der Katlas passt immer noch in die Vintage-Schublade, die des Hals-Pickups in jedem Fall.

Verglichen mit dem 61er Hals-PAF fällt vor allem am cleanen Amp auf, dass der Katla nicht nur mehr Output liefert, sondern insgesamt auch fetter und runder tönt, obgleich die Bässe einen Hauch schwammiger oder weniger straff erscheinen. Nichts Problematisches, alles im grünen Bereich. Die konkreten Mitten und seidig klaren Höhen lässt er indes offen und lebendig aufblühen, mit dem Ergebnis ausgewogener transparenter Akkorde.

Diese Charakteristik zeigt sich auch beim crunchy Rhythmusspiel, bei dem zusätzlich zum warmen Fundament die Höhen einen dezenten Schub erhalten. Bei cleanem Solospiel lässt sich die Klangfärbung des Hals-Katla fast beliebig mit dem Anschlag variieren. Hier reicht das Spektrum von saftig schmatzenden Bässen über perkussive Mitten bis zu knackigen, bei Bedarf auch bissigen Höhen. Seine leicht erhöhte Ausgangsleistung verleiht dezent zerrenden bluesigen Leadsounds mehr Sustain.

Mit verstärkten Bass- und noch höheren Mittenanteilen packt der Steg-Pickup förmlich die Rock-Keule aus. Rübezahl hat ihn dahingehend abgestimmt, dass er die Bässe strafft, den Mitten mehr Punch verleiht und den Höhen unter die Arme greift. So kommen Cleansounds kraftvoll, klar und ausgewogen, Powerchords kompakt und druckvoll, Leadsounds transparent, dynamisch, ausdrucksstark und mit reichlich Sustain.

Der Paarbetrieb hält glockig perlende, luftige Arpeggien und Rhythmusklänge bereit, die sich auch für verzerrtes Solieren anbieten. Ebenso feinfühlig und präzise wie beide Katlas nuanciertes Spiel umsetzen, reagieren sie auf die Regelcharakteristik der Gitarrenpotis. Trotz der unterschiedlichen Magnete ist dem Hersteller mit dem Katla-Set ein bestens ausbalanciertes und sehr vielseitig einsetzbares Humbucker-Paar gelungen.

GRIMSVÖTN

(Bild: Dieter Stork)

Schon das etwas bullige Design der offenen Humbucker, ihre schwarzen klingenförmigen Keramikmagnete, hohen Spulenkörper und Widerstandswerte von 15,2 kOhm (Hals) und 18,7 kOhm (Steg) lassen das anvisierte Einsatzgebiet erkennen … Metal.

Erwartungsgemäß gibt das Rübezahl Grimsvötn-Paar am Amp reichlich Gummi, sprich Output, und sogar noch deutlich mehr als die Katla-Humbucker. An Verstärkern mit entsprechend hohen Clean-Reserven ermöglicht der Steg-Pickup aber auch glasklare, transparente Cleansounds mit straffen knackigen Bässen, kraftvollen Mitten und breitem Obertonspektrum, während der Halstonabnehmer und auch die Kombi Klarklänge in samtweiche wärmere Gefilde verlegen, wo sie sich neben Akkordteppichen und Arpeggien auch für gefühl- und lustvoll schmatzende Melodie- oder Sololinien eignen.

Dennoch stehen die Grimsvötns primär für intensive, aggressive Distortion, aus der ausgewogene Shred- und Metalsounds mit präziser Saitentrennung, druckvollen aber dennoch definierten Bässen, fetten Mitten, bissigen Höhen, breitem Obertonspektrum, jede Menge Sustain und Potenzial für Pinch Harmonics hervorgehen. D

abei zeichnet sich das lavaheiße Paar durch erstaunliche Dynamik aus, die dem Spieler sogar noch Raum für Tonbildung lässt und die Arbeit mit den Volume-Potis unterstützt, deren Wirkung jedoch mit zunehmender Verzerrung nachlässt. Die Klangqualitäten des Grimsvötn-Sets bleiben übrigens auch auf 7-saitigen und dropgetunten Gitarren uneingeschränkt erhalten.

BARDARBUNGA

(Bild: Dieter Stork)

Mit einem DC-Widerstand von 12,5 kOhm und Keramikmagneten wurde dieser Humbucker speziell für Cleansounds bzw. die Verwendung mit Effektpedalen entwickelt. Ursprünglich hatte Chris Weißenfels ihn sogar für Akustik-Gitarren konzipiert. Daher besitzt er auch wenig eigene Klangcharakteristik und wird von Rübezahl eher als Pedal-Referenz-Pickup angeboten.

Der Bardarbunga versteht sich nämlich bestens auch mit alten Pedalen, die, wie beispielsweise alte Fuzzes, bei heißeren Pickups schnell „dicht“ machen. Die markante Färbung des geschlossenen Covers nennt der Hersteller „Vulcano Finish“, das mittels Flamme und Säure entsteht. Die Spulenkörper scheinen extrem hoch zu sein, da die Grundplatte nicht in der Kappe verschwindet, sondern sogar ca. 3 mm herausragt, sodass sie von außen an der Kappenkante verlötet werden musste.

Der Pickup liefert in der Tat glasklare vitale Sounds mit knackigen Bässen und Mitten, brillanten Höhen und reichem Obertongehalt, das alles bei vergleichsweise hohem Ausgangspegel und sehr guter Dynamik. Auch in der Halsposition klingt er extrem sauber, luftig, lebendig und spritzig, lässt aber dennoch eine angenehme Wärme erkennen. Durch mein Pedalboard geschickt zeigt sich, wie akzentuiert speziell die Zerrer klingen und jeder Ton nuanciert mit dem Saitenanschlag geformt werden kann.

RESÜMEE

Mit großer Freude stelle ich fest, dass hierzulande inzwischen eine ganze Reihe von Pickup-Herstellern mit erstklassigen Produkten am Start sind. Zu den renommierten Wicklern gesellt sich immer wieder mal talentierter Nachwuchs mit guten Ohren, tollen Ideen und unkonventionellen Designs.

Vor etwa 5 Jahren startete Chris Weißenfels das Label Rübezahl Tonabnehmer nachdem er 4 Jahre lang unter „CP Pickups“ aktiv war. Alle hier getesteten Set-Paare wurden jeweils pegelmäßig und klanglich perfekt und nicht zuletzt geschmackvoll aufeinander abgestimmt, klingen hervorragend und besitzen exzellente Dynamik. Die Verarbeitung ist über jeden Zweifel erhaben und die Preise für handgefertigte Boutique-Pickups erstaunlich günstig.

Preise (Ausführung der Test-Pickups):
Hekla-Set ohne/mit Kappe: ca. € 180/€ 210
Katla-Set ohne/mit Kappe: ca. € 180/€ 210
Grimsvötn-Set ohne/mit Kappe: ca. € 200/€ 230
Bardarbunga (nur mit Kappe): ca. € 125, Set ca. € 230
Internet: www.ruebezahl-tonabnehmer.com

PLUS

● Klangeigenschaften
● Abstimmung der Sets
● Dynamik
● Optik
● Verarbeitung
● Preis/Leistung

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2020)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Ich kann dem geschrieben nur zu stimmen!!!
    Ich spiele mittlerweile nur noch seine Pickups in meinen Gitarren.
    Sogar einen P94 mit sehr viel output und mit der Option den Output zu ändern. Denn der liebe Chris hat den P94 mit einem tap versehen, sprich an einer Stelle der Wicklungen einen Abgriff geschaffen, damit ich per pushpull am poti so etwas ähnliches wie einen Coiltap habe, obwohl der P94 ja eigentlich ein Einspuler ist…
    Rübezahl Tonabnehmer sind ein prägnanter Teil meines soundes!!!

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