von Michael "Doc" Schneider, Artikel aus dem Archiv
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Nach drei Beiträgen mit vorbereitenden Arbeitsschritten rund um das Thema Tune-o-matic-Bridge, geht es nun mit der Montage eines frischen Stegs weiter.
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Ein Stammkunde hat sich eine schöne gebrauchte Gold Top gegönnt und sie direkt ordentlich gerockt. Die überenthusiastische Anschlagshand hat dann recht schnell die E-Saite weggeknipst, was zu einem spontanen Saitenwechsel geführt hat. Nach diesem trivialen Eingriff war aber die Freude über das neue Instrument stark getrübt, da nun die E-Saite Sitar-ähnlich schepperte.
ADDITION DER FEHLERQUELLEN
Bei einem Neuzugang mit solchen Symptomen verfällt man dann recht schnell in Panik und sucht nach allen möglichen und unmöglichen Fehlerquellen. In der Selbstdiagnose wurden zu tiefe Kerben im Reiter als Fehlerursache ausgemacht. Die angedachte Reparatur (neuer Steg) scheiterte aber für meinen Kunden an den ungekerbten Einzelreitern der Neuware, weshalb an dieser Stelle meine Werkstatt ins Spiel kam.
Bei der Begutachtung des Stegs fiel sofort auf, dass die Saite auf der Intonationsschraube auflag (Abb. 1) was unweigerlich zum Sitar-Effekt führte. Neben der tiefen Nut fiel aber auch auf, dass die Intonationsschraube schräg nach oben stand – der Reiter also nicht sauber und gerade auf den Führungen des Stegs saß.
Zudem konnte man von oben erkennen (Abb. 2), dass der Reiter maximal nach hinten gesetzt wurde. In Verbindung mit der recht tiefen Nut des Reiters (Abb. 3/unten) kommt es schnell zu einer Addition von Fehlerquellen, die dann das beschriebene Szenario herbeiführen. Bei dem verwendeten ABR-Steg sitzt der Reiter mit seiner Intonationsschraube in keiner klar definierten Führung (Abb. 3/oben). Unter Umständen kann er sich daher schräg setzen und die Intonationsschraube steht hoch.
Die ausgereizte Längeneinstellung lässt in diesem Fall aber keine einfache Korrektur zu. Normalerweise kann der Reiter mit leichtem Druck von oben auf die Intonationsschraube dazu überredet werden, sich wieder gerade in die Nut zu setzen, was vielleicht dazu geführt hätte, dass Schraube und Saite genügend Abstand voneinander haben. Das „Klemmen“ durch die maximale Längeneinstellung verhindert diese „Erste Hilfe“-Maßnahme jedoch.
Hier hätte ein Lösen der Intonationsschraube etwas mehr Spiel gebracht und durch etwas Drücken und Probieren wäre auch mit der alten Hardware höchstwahrscheinlich ein befriedigendes Ergebnis erzielbar gewesen. Vor dem Saitenwechsel war ja auch alles mehr oder weniger im grünen Bereich.
BEFRIEDIGEND IST OFT NICHT AUSREICHEND
Da man sich als stolzer Neubesitzer eines Instrumentes jedoch ungerne mit einer befriedigenden Teillösung zufrieden gibt, stand für die Gold Top fest: Ein neuer Steg soll zukünftig das Sitar-Szenario verhindern. In einem Vorgespräch hatte ich den Kunden auf die sehr gute Hardware der Firma ABM aus Berlin hingewiesen.
Aufgrund langer Lieferzeiten fiel die Entscheidung dann doch zunächst auf einen frischen Gibson-ABR-Steg (Abb. 4/oben). Kurioserweise konnte dann doch noch ein ABM-Steg besorgt werden – aus England (Abb. 4/unten). In der komfortablen Position, wählen zu können, fiel die Entscheidung letztendlich auf den ABM-Steg, da dieser durch die kraftschlüssige Führung sowie die auch in anderen Details sehr saubere Verarbeitung und die verwendeten Materialien punkten konnte.
Nach der Auswahl geht es schnurgerade zur Montage. Wenn es Material und Zustand zulassen, verwende ich in der Regel die originalen Studs (Abb. 5). Wenn diese gut sitzen und den neuen Steg sauber aufnehmen, besteht kaum ein Grund, in diesem Punkt schlafende Hunde zu wecken. Schnell platzt mal etwas Lack ab oder das Gewinde im Holz greift nicht mehr so sauber – also: Wenn an den Studs alles OK ist, ruhig verwenden und keine neue Baustelle aufmachen.
Im Anschluss setze ich zunächst den ungekerbten Steg auf die Studs, stimme die Gitarre und stelle sie grob ein. Ein ungenauer und fragwürdiger Zwischenschritt, der aber durchaus seine Berechtigung hat.
STOLPERFALLE UND LEHRGELD
Wie in einem vorangegangenen Repair Talk angesprochen, kann durch die Orientierung der Einzelreiter noch das letzte Quäntchen Intonationsweg herausgearbeitet werden. Dazu muss man die Reiter ggf. drehen.
Die Abb. 7 zeigt eine Stolperfalle, in die ich vor noch nicht allzu langer Zeit hineingetreten bin. Der Auftrag: Bei einer alten ES liefen die Saiten nicht konform zur Griffbrettkante. Die Ursache waren falsch führende Kerben in den Reitern des Steges. Um den Originalsteg zu erhalten, sollten nur die Kunststoffreiter getauscht werden.
Also Standardprozedur: Reiter getauscht und in einer typischen 2/4er-Ausrichtung angeordnet (siehe Abb. 6). Anschließend die Reiter gekerbt (gemäß Repair Talk 03/2020), Instrument besaitet und versucht, im Zuge des Setups die Intonation einzustellen. Es blieb beim Versuch, da bei diesem Vintage-Instrument die Studs zu weit vorne saßen, sodass die Intonation am Steg sehr weit nach hinten eingestellt werden musste.
Die gewählte 2/4er-Orientierung ließ aber keine exakte Einstellung zu und war ausgereizt. Ein Drehen der Reiter war nicht möglich, da in den seltensten Fällen die Kerbe mittig im Reiter verläuft. Ein Drehen verändert dann den angestrebten Saitenverlauf und man erkennt schnell in welche seltene und daher umso heimtückischere Falle man getappt ist.
Während der Hobbytuner ggf. bereit ist, diesen Flop unter dem Überbegriff „Lehrgeld zahlen“ zu schlucken, ist dieser Fehltritt für eine kommerziell arbeitende Handwerker-One-Man-Show wirtschaftlich das, was man am wenigsten braucht, weshalb ich den Vorabtest aus Abb. 6 durchführe. Durch die alten Saiten liefert er zwar keine exakten Resultate, hilft aber, die Lage auf dem Instrument besser einzuschätzen und somit Fehlerquellen zu umschiffen.
Beim ABM-Steg lief der Vortest zufriedenstellend und die Nuten in den Reitern können angezeichnet und gefeilt werden. Dieser Vorgang wurde im vorangegangenen Repair Talk ausführlich beschrieben. Die Abb. 8 zeigt einen feinen Grat am Grund der Nut für die Saite, der beim Feilen entsteht und zu unsauberen Tönen führen kann. Nach dem Feilen also ggf. die Kanten überprüfen und entgraten – dann klappt es auch mit dem sauberen Ton.
ERST SETZEN DANN FINETUNEN
Ist der Steg soweit montiert und vorbereitet, kann es ans Fine-Tuning gehen. Damit meine ich das Anpassen der Saitenlage und das Einstellen der Intonation. Dazu verwende ich frische Saiten, da sich gebrauchte und eventuell geknickte Saiten nicht eignen, um die Intonation sauber einzustellen.
Nach dem Saitenwechsel drücke ich zunächst die Saiten etwas nach (Abb. 9) damit sie sich besser setzen. Es ist nur ein leichtes Drücken, um der frischen Saite beim sich Setzen zu helfen. Das macht sie natürlich auch von selber (also ohne Drücken) jedoch häufig erst nach einiger Zeit, sodass dann das vorher eingestellte Finetuning ggf. nicht mehr stimmig ist.
Nach dem „Setzen“ stelle ich zunächst an den Rändelschrauben die Saitenlage ein (Abb. 10) bevor ich dann die Intonation einstelle (Abb. 11). Diese Vorgänge sind Teil eines kompletten Setups und setzen voraus, dass die anderen relevanten Parameter des Instrumentes (Sattelnut/Halskrümmung) auf das angestrebte Ergebnis abgestimmt sind.
Ist das Setup stimmig, der Saitenverlauf aber noch nicht konform mit dem Griffbrettradius (Saitenlage der einzelnen Saiten folgt nicht dem Radius) kann durch Anpassen (Feilen) der Nut im Reiter dies noch optimiert werden. Durch vorsichtiges Nachfeilen wird die Saite auf die anvisierte Saitenlage gebracht. Da reichen in der Regel wenige Feilenstriche, um das Optimum aus dem neuen Bauteil herauszukitzeln.
Beim ABM-Steg sind die Arbeiten abgeschlossen und die Paula macht wieder Spaß – die Saiten ecken nirgends an (Abb. 12). Damit sind die Brückenbauarbeiten abgeschlossen, dieser Repair Talk neigt sich dem Ende zu und zur Auflockerung gibt es in der nächsten Folge ein paar Quick-Tipps für zwischendurch.
Ich habe eine zweite Rändelmutter nach unten zum Korpus gedreht, wunderbar rappelfest und meiner Meinung nach insgesamt stabiler.