Parts-Lounge: Röhrentausch

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Für unser aktuelles Thema ist kaum ein Ort im Magazin besser geeignet als die Parts-Lounge-Kolumne. Denn der Austausch der Röhren gehört nach wie vor zur häufigsten Maßnahme bei Verstärkerdefekten. Gleichzeitig scheint auch kaum ein Thema die Anwender ähnlich stark zu fordern. Kurzum: Es fehlt das ange­messene Bewusstsein zu unseren Glaskolben.

In unseren Autos meldet sich längst die Öl-Anzeige im Display, wenn der Motor mal wieder durstig nach Schmiermitteln ist. Und selbst die Funkmaus meines Computers zeigt mir rechtzeitig an, wann ein Batterie­wechsel ansteht. Bei Röhrenverstärkern ist das ganz anders: So­lange was rauskommt, scheint doch alles gut… Tatsächlich ist der Verschleiß schleichend, zieht sich über Jahre, manchmal Jahr­zehnte hin. Und keine Anzeige verrät, wann es Zeit wird für einen Wechsel.

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Frisches TAD-Röhrenset in einem Fender Tweed Twin (Bild: Udo Pipper)

Am Telefon beklagen viele meiner Kunden, der Verstärker mache von Zeit zu Zeit komische Geräusche: da knackst, bruzzelt, zischt und wummert es. Aber kaum jemand scheint darauf zu kommen, dass die Röhren im Spiel sein könnten. Röhren verhalten sich im Grunde wie Glühbirnen. Manche halten scheinbar ewig, andere versagen schon nach wenigen Tagen oder sogar Stunden. Selbst die Vertriebe, die ihre Glaskolben aus China oder dem Ostblock beziehen, sind einen enormen Ausschuss bei Neuware gewohnt. Teils müssen schon beim Zwischenhändler bis zu 50 Prozent der Ware aussortiert werden − Nachhaltigkeit sieht anders aus!

Wir müssen mit diesen Ungereimtheiten leben. Weltweit tourende Profis stellen daher auch ihre klanglichen Vorlieben gegenüber der Zuverlässigkeit eines Röhrenfabrikats hinten an. Röhren sind hier nicht viel mehr als Gitarrensaiten oder die Batterie im Fußtreter. Schon nach ein, zwei Konzerten kann da Schluss sein mit der ge­forderten Dynamik, Rauscharmut oder Bassstabilität. Und schnell und routiniert wechselt dann der Gitarrentechniker für seinen Arbeitgeber sämtliche Glaskolben gegen einen frischen Satz. Si­cher ist sicher! Nur fehlt den Meisten diese Routine im Umgang mit den fragilen und oft glühheißen Glasflaschen. Und Strom ist doch hier auch im Spiel. Also lieber die Finger davon lassen?

Keineswegs, und dazu möchte ich hier aufrufen! Ich bekomme zahllose Verstärker in die Werkstatt gebracht, die gar nicht hier sein müssten, wenn die Besitzer zwei Voraussetzungen mitbringen würden: Einmal sollte wirklich jeder Besitzer eines Röhrenverstär­kers einen Reserve-Satz parat haben. Und zweitens sollte man wissen, wie ein Röhren-Wechsel vonstattengeht. Und genau das werde ich hier noch einmal erklären.

Links eine defekte EL84 mit weiß verfärbtem Schriftzug (Bild: Udo Pipper)

Die Röhren sind die wohl empfindlichste Baugruppe eines Verstärkers. In ihnen befindet sich eine kleine und daher äußerst fragile Miniatur-Mechanik, die alle möglichen Fehlerquellen parat hält. Es erfordert schon bei der Fertigung hohe Handwerkskunst, um diese Elektronik genau so in den kleinen Kolben zu bauen, dass sie auch einwandfrei funktio­niert. Schon hierbei machen auch die erfahrensten Handwerker Fehler. Und so wird schon ab Werk jede Menge Ausschuss produ­ziert, der dann nicht mal an den Vertrieb weiter versendet wird, sondern gleich vor Ort entsorgt wird.

Denn die Röhre muss nicht nur einwandfrei funktionieren, sondern das auch möglichst streng nach ihren elektronischen Kenndaten. Schließlich sollte sie mit einer bestimmten Funktion in der Verstär­kerschaltung auch immer wieder die gleichen (klanglichen) Eigen­schaften gewährleisten. Allein das ist eine große Herausforderung für die Hersteller.

EL84 Röhre (Bild: W-Music Distribution)

In der Blütezeit der Röhren-Herstellung − etwa zwischen den Dreißiger- und Sechzigerjahren − arbeiteten in den zuständigen Fabriken oft perfekt ausgebildete Techniker, die logischerweise zuverlässiger ihr Werk verrichteten als ein schnell angelernter Tagelöhner in einer Massenproduktion. Doch ganz ohne diese Handwerkskunst geht es nun auch nicht, denn sonst würde der Ausschuss während der Produktion einfach zu groß. Ich habe selbst schon Röhrenwerke besichtigt und währenddessen nicht schlecht über die Gewissenhaftigkeit und die eigenen Ansprüche der Mitarbeiter gestaunt.

Zugegeben, diese Zunft stirbt aus, denn die kleinen Kolben werden nur noch für Gitarren- oder bestimmte Hifi-Produkte benötigt. Und das ist ein schrumpfender Markt. Schon nach dem Zweiten Welt­krieg begann der Siegeszug der Transistor-Technik, was den Bedarf an Verstärkerröhren sehr stark senkte. Und dennoch glühen sie immer noch Tag für Tag in unseren Amps und sind vorläufig auch trotz der Verbreitung von Amp-Modeling noch nicht wegzudenken.

Nur alt und verschmutzt oder schon defekt? (Bild: Udo Pipper)

Während die Glühmittel in unserer Hausbeleuchtung bei einem Defekt gar keinen Zweifel daran zulassen, dass sie schlicht kaputt sind, kann man das bei Verstärkerröhren oft gar nicht so leicht feststellen. Auch einem Techniker wie mir bleibt oft nichts anderes übrig, als nach dem Ausschlussverfahren vorzugehen, wenn ich einen Röhrenschaden vermute. Denn bevor eine Röhre ganz aus­fällt (was etwa bei Vorstufenröhren nur ganz selten der Fall ist), schleichen sich Fehlfunktionen ein, deren Herkunft oft nur schwer zu lokalisieren ist.

Vorstufenröhre 12AX7 ECC83 (Bild: W-Music Distribution)

Auch das kann für den Laien zu Hause eine große Hilfe für einen grundsätzlichen Funktionstest sein. Und den sollte man (wie den TÜV beim Auto) regelmäßig durchführen. Und das ist einfacher als man oft denkt. Die meisten Verstärker ermöglichen den Zugriff auf die Glaskolben, in dem man eine der Rückwände (falls vorhanden) abschraubt. Das ist selbst für den Nichtheimwerker meist keine große Herausforderung. Bevor man das tut: Unbedingt den Netz­stecker ziehen! Das gilt übrigens für alle Arbeiten am Amp.

Möchte man ganz sicher gehen, schaltet man den Verstärker vor­her ein (Netz und Standby) und schaltet dann nur den Netzschal­ter wieder aus. Der Standby bleibt eingeschaltet. das garantiert in den meisten Fällen, dass die Netzteil-Elkos sich entladen können. Diese speichern andernfalls teils über lange Zeit ihre Betriebsspan­nung (bis 500 Volt oder mehr).

Ist die Rückwand entfernt und Sicht und Zugang zu den Röhren hergestellt, steckt man den Netzschalter wieder ein und schaltet den Amp wieder ein. Nach etwa zwei Minuten ist er betriebsbereit. Dann kann man, falls man sich das zutraut, die Röhren nacheinan­der mit einem isolierten Gegenstand (ich verwende dazu stets ein chine­sisches Ess-Stäbchen aus Holz) vor­sichtig abklopfen. Tauchen dabei Geräusche auf, hat man den Übeltäter meist entlarvt − man hat eine defekte oder stark mikrofonische Röhre gefunden. Mikrofonisch heißt in diesem Fall, dass die Röhre auf Klopfen oder leichte Erschütterun­gen mit einem deutlich hörbaren „Pling“ oder „Wumm“ reagiert.

Solche Röhren sind teils so empfind­lich, dass man die Geräusche auch schon vernimmt, wenn man eine benachbarte Röhre berührt oder nur vorsichtig an das Gehäuse tippt.

Vorstufenröhren-Sortiment verschiedener Hersteller (Bild: Udo Pipper)

Eine schlechte Vorstufenröhre gibt zu ihrem technischen Zustand leider keinen optischen Hinweis, es sei denn, der Heizglühfaden bleibt völlig dunkel. Bei Endstufenröhren lässt sich ein Komplett­ausfall oft an einem weißen Niederschlag (siehe Foto) erkennen. Der Glaskolben, der innerlich vakuumiert wurde, hat dann Luft gezogen, und da Sauerstoff sich bekanntlich bei Hitze entzündet, hinterlässt dieser Vorgang entsprechende Brandspuren.

Rechts eine defekte Endröhre mit weißem Belag (Bild: Udo Pipper)

Wer sich diese Prozedur nicht zutraut, kann die Röhren (Netzste­cker ziehen zwischendurch nicht vergessen) einfach nacheinander austauschen, bis der Geräuschverursacher entdeckt wird. Das setzt natürlich voraus, dass man Ersatzröhren parat hat und genau weiß, was man hier tut (Mehr dazu in der nächsten Folge). Teilweise be­finden sich im Verstärker verschiedene Röhrentypen, die man stets nur durch gleiche Typen ersetzen sollte. Die genaue Bezeichnung, etwa „12AX7“ oder „6L6“ steht meist gut lesbar auf dem Glaskol­ben. Ist das nicht der Fall, kann man sich beim Hersteller oder heutzutage einfach mal im Netz erkundigen, mit welchen Röhren der Verstärker bestückt ist. Im Zweifelsfall ruft man eben einen erfahre­nen Techniker an und fragt mal nach (solche Auskünfte erteile ich beinahe täglich, und das auch immer ganz umsonst).

Das Ausstatten mit einem Ersatz­röhren-Sortiment ist eigentlich für jeden Röhrenverstärker-Besit­zer Pflicht. So lernt man mit der Zeit, den Tausch auch wirklich stressfrei zu bewältigen und spart sich bisweilen den Besuch beim Techniker.

In der nächsten Ausgabe beschäf­tigen wir uns mit den Tücken eines Wechsels, denn auch hier kann man einiges falsch oder richtig machen…


Hier geht’s zu Teil 2


(erschienen in Gitarre & Bass 02/2020)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Vergleichbarer Fall beim H&K Tubemann II.
    Muss auch die verbrauchte Rühre wechseln

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  2. Naja, bis dahin soweit o. k., aber nicht jeder Verstärker stellt die Ansteuerung automatisch ein.

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  3. Liebe Redaktion,

    wo hat der Autor seine Werkstatt? Nicht dass ich dort aus Versehen mal einen Amp hintrage.

    Wenn ich solchen Unfug lese wie “…da Sauerstoff sich bekanntlich bei Hitze entzündet…”

    Der weisse Niederschlag sind keine Brandspuren.
    Das ist einfach das verbrauchte Gettermetall, welches eigentlich Restgase fangen soll und bei der Röhre im Bild vollständig mit eingedrungenem Sauerstoff reagiert hat.
    Ja, das ist eine Oxidation – Nein, gebrannt hat das absolut NIX

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  4. Platter geht es eigentlich nicht mehr.

    Bei dieser Aufbereitung und Darstellung des Themas klappt es mir als Fachmann, und Person mit ingenieurwissenschaftlichen Hintergrund, ganz einfach nur die Fußßnägel nach oben.

    Leute, was ist denn mit Euch los. Wie kann ich als sogenanntes “Fachmagazin” solch unseriösen Journalismus betreiben.

    Schämt Euch!

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  5. Daniel hat recht. In der Sache ist das zu salopp beschrieben, denn da “brennt” nichts und daher auch keine Entzündung. Eine Stilblüte meinerseits. Im Ergebnis sind solche Röhren jedoch tatsächlich durchgebrannt. Kritik ist immer gut und willkommen, zum “Tonfall” und Daniels Begrifflichkeiten will ich mich aber nicht äußern. Das hört sich schlimm an. Man sieht: “Ingenieurwissenschaftlicher Hintergrund” hat offenbar nichts mit Höflichkeit und Respekt zu tun. Als unseriös sehe ich mich deshalb nicht. Und für die Reparatur der “hochgeklappten Fußnägel” übernehme ich gern die Reparaturkosten 🙂

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    1. Hier muss ich Udo Pipper mal den Rücken stärken. Als Maschinenbau-Ingenieur und Hobbygitarrist lese ich ständig seine Workshops. Diese sind allerdings nicht für Elektronikfachleute oder Ingenieure geschrieben, sondern für Hobbygitarristen und somit meistens Elektronik-Laien. Für Gitarristen und Musiker ist das eine sehr verständliche Art und Weise, einem Laien die Funktion einer hochkomplizierten Elektronenröhre zu erklären. Lieber Udo Pipper, lassen Sie sich nicht entmutigen und bitte machen Sie weiter so!
      Und, Höflichkeit ist leider bei vielen Leuten immer weniger die Regel!
      Manche brauchen vielleicht mal einen Benimm-Workshop?

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