Schlagzeugprogrammierung ist eine fiese Spaßbremse, besonders wenn man eigentlich gerade mit der rechten Gehirnhälfte an einem revolutionären Gitarren-Riff dran ist. Aber leider haben wir selten einen Drummer neben uns sitzen, der auf unsere Instruktionen wartet. So sind wir doch meist selbst gefordert, und müssen neben unserem Part als Musiker auch noch Computer-Fachmann, Toningenieur, Produzent und manchmal eine Art DJ sein, wenn wir aufnahmetechnisch irgend etwas auf die Beine stellen wollen.
Tragischerweise kann man bei so vielen Baustellen den ursprünglichen musikalischen Zweck leicht aus den Augen verlieren. Darum widme ich diese Folge einem einzelnen Programm, welches als Musterbeispiel der Gattung „virtuelles Instrument“ oder eher „virtueller Musiker + Instrument“ dabei hilft, die eigenen Ressourcen durch einen effizienteren Workflow zu schonen: EZdrummer 2 von Toontrack.
Auch wenn die meist etwas anders ausgelegte Konkurrenz von StevenSlateDrums, FXpansion, XLNAudio, Native Instruments, usw. ebenfalls durch beeindruckende Features und hervorragende Klangqualität glänzen kann, habe ich bislang noch keine Software gefunden, bei der man schneller, einfacher und intuitiver natürlich klingende Drum-Tracks (nach den eigenen Ideen!) erstellen und anpassen kann.
Nur um Missverständnisse zu vermeiden: EZD2 ist nicht der bestklingendste Drumsampler auf dem Markt, das wäre zu diesem Preis ein Wunder. Dennoch klingt er auch für anspruchsvolle Maßstäbe mehr als nur gut (siehe Audio-Files). Vor allem aber ist er in seiner Handhabung gerade für uns Gitarristen und Bassisten ein Traum, da wir ja meist keine Lust haben, die Nächte in feindlich gesinnten Editoren zu verbringen.
Die Bedeutung guter Drums muss man niemandem erklären, leider ist der Weg dahin schwerer als bei jedem anderen Instrument. Man braucht: Guten Drummer, gutes Kit, frische, ordentlich gestimmte Felle, großen, klingenden Aufnahmeraum, dutzende teure Mikros, standesgemäßes Aufnahme-Equipment, scharf geschaltete Aufnahmetaste. Das alles beißt sich mit einer spontanen Session so sehr, dass man als normaler Musiker bezüglich „echter“ Drums auch mal Fünfe gerade sein lassen muss.
Trotzdem sind ernst gemeinte Drums auch im Low-Budget-/ oder Hobby-Bereich Pflicht, denn billige Drums kriegt man selbst von einem Keyboarder gnadenlos um die Ohren gehauen. Auf der anderen Seite gibt es aber das Problem, dass „vorgefertigte“ Drums bei ansonsten handgemachter Musik ziemlich verpönt sind. Wenn die Drums aus der Konserve kommen, dann müssen sie schon gut gemacht sein, damit man es nicht merkt.
Lange Rede: Mit schlau gemachter Software wie EZD2, oder allem was in dieser „easy“-Machart noch kommen wird, erhöht sich die Chance, dass das künstlerische Resultat auch dem entspricht, was man ursprünglich im Kopf hatte! Dadurch lohnt sich wiederum eher der Aufwand einer späteren, groß angelegten Aufnahme-Session mit einem lebenden Schlagzeuger, welcher dann direkt einen guten Guide-Track zur Hand hat. Quasi ein musikalisches Perpetuum mobile!
Anhand der unten beschriebenen State-of-the-Art-Möglichkeiten kann nun jeder checken, ob er mit seinem Workflow vielleicht doch zu viel wertvolle Kreativzeit verschenkt. Los geht’s: Am Anfang steht meist ein Riff oder ein Akkord-Pattern, für welches man einen passenden Groove sucht. Dieser nimmt durch Tempo, Pattern, Feel und Sound schon ziemlich genau vorweg, in welche Richtung die Drums des künftigen Songs gehen (und somit auch der Song selbst). Dieser entscheidende Groove sollte also idealerweise auf der eigenen Komposition basieren und nicht umgekehrt.
Während ein echter Drummer im Proberaum passend zum Riff etwas vorschlägt oder spätestens nach einem vorgesungenen Rhythmus weiß was gemeint ist, muss man beim Drumsampler erst mal ein längeres „Pattern-Casting“ einplanen, über das so manche Songwriting-Aktion an schlechten Tagen nicht hinauskommt. Hier ist man mit EZD2 gleich zu Beginn gut beraten.
Mit der „Tap2Find“-Funktion kann man per Maus, Tastatur oder Trigger einen rudimentären Rhythmus zum Klick einspielen. Dieser kann danach ausgewertet werden woraufhin das Programm passende MIDI-Patterns aus der großen Library auflistet. Diese Grooves und Fills sind inzwischen übrigens herstellerübergreifend von talentierten Musikern live eingespielt und nicht quantisiert, was zusammen mit den aufwendigen Drum-Samples zu einem sehr realistischen Eindruck führt.
Das erste Pattern als Grundstein für einen Song ist also schnell gefunden, nun heißt es, etwas Sinnvolles drum herum zu basteln. Ein guter Drummer würde nun ungefragt und on-the-fly etwas Passendes herzaubern. Am Computer war man dafür bisher erst mal eine Weile beschäftigt, um z. B. aus dem Rhythmus mit gerader Hi-Hat eine Bridge mit Offbeat-Ride o. ä. zu basteln.
Zudem musste man die jeweiligen Blöcke kopieren und strukturieren, oder erledigte dies etwas planlos nach und nach. In EZD2 zieht man seinen Ausgangs-Groove in den „Song-Creator“ und bekommt passend dazu für jeden Song-Part eine Handvoll Patterns zur Auswahl gestellt. Diese werden nicht plump aus den benachbarten Ordnern der Vorlage hervorgekramt, sondern über einen Algorithmus aus allen installierten, unterschiedlichsten MIDI-Packs auf Verwandtschaft zur eigenen Groove-Idee hin unterwegs.
Auch der nächste Schritt zum kompletten Drum-Arrangement ist wieder nur einen Klick entfernt, in dem man unter „Song Structures“ eines von verschiedenen Layouts wie z. B. „AABA Long“ auswählt, und EZD2 die entsprechenden Blöcke automatisch und schön bunt in der eigenen Time-Line anordnet. Wenn man an dieser Stelle mit seinem Drum-Arrangement noch nicht fertig ist, ist das ein gutes Zeichen, denn bis jetzt fehlen natürlich noch die organischen Feinheiten, die gute Musik ausmachen.
Toontrack hat aber auch für die weitere „kreative“ Arbeit clevere Unterstützung zu bieten. So würde man als nächstes z. B. im „Edit Play Style“-Fenster mit einfachsten Mitteln Variationen einfügen, um für Kontraste und einen Spannungsbogen zu sorgen: Selektiert man ein Instrument des Kits und klickt 1-2 mal auf das „+“ neben „Amount“, so werden weitere (musikalisch sinnvolle) Schläge und Ghost-Notes als Steigerung eingefügt.
Genauso einfach fügt man weitere Toms, Becken oder Percussion-Elemente hinzu, verlegt die Führungshand auf ein anderes Instrument, passt die Anschlagstärke an oder aktiviert in einem Takt ein Crash-Becken auf der Eins. Alle Veränderungen werden als MIDI-Daten automatisch in den jeweiligen Block geschrieben und können dupliziert oder für gezieltere Eingriffe in den Editor der DAW gezogen werden. Es ist allerdings erstaunlich lange möglich ohne Letzteres auszukommen, da man für einen bestimmten Akzent oder Break auch die Möglichkeit hat, dies schnell und direkt in EZD2 per Mausklick einzuspielen und aufzunehmen.
In der Praxis kann man so ohne Probleme in wenigen Minuten ein komplettes Drum-Layout basteln ohne einem Stift oder Piano-Roll-Editor zu begegnen. Die Schweden haben’s drauf, das muss man schon sagen: Programmierst du noch oder spielst du schon dein Solo ein? Alles Weitere, z. B. die Auswahl des Drumsets, der Austausch einzelner Kit-Elemente, die Auswahl verschiedener, stilistisch gestalteter Drum-Mixes inkl. vorbereiteter Effekt-Ketten oder auch die Multichannel-Ausgabe der einzelnen Mikrofone zwecks eigener Drum-Mischung in der DAW ist wie der Rest des Programms selbsterklärend und kann am besten anhand der 10-Tages-Demoversion in einer eigenen Writing-Session unter die Lupe genommen werden. Ja dann, viel Bass!
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