Hybrid-Strat

Test: Fender American Acoustasonic Stratocaster

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(Bild: Dieter Stork)

Ein Highlight im Fender-Programm des letzten Jahres war ohne Frage die Acoustasonic Telecaster, die nicht nur bei Akustikgitarristen auf Interesse stieß. Da war ein entsprechendes Stratocaster-Modell natürlich Pflicht, das auch prompt zu Beginn dieses Jahres an die kalifornische Sonne kam.

Mehrere Jahre war Fender unter der Leitung von Brian Swerdfeger mit der Entwicklung der Acoustasonic-Casters beschäftigt, in die auch der Pickup-Hersteller Fishman einbezogen wurde, der den größten Teil der Elektronik beisteuerte.

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AUßEN STRAT, INNEN HOHL

Um einer auf den ersten Blick klassisch anmutenden Strat auch unverstärkt zumindest halbwegs die Klangfülle einer Akustikgitarre zu entlocken, bedarf es vor allem korpusseitig einer speziellen Konstruktion. So besteht der Body aus hälftig gefügtem, massivem Mahagoni, das bis auf die 3 cm dicke Zarge und den 8 mm starken Boden komplett hohlgefräst wurde. Für Armauflage und Rippenspoiler, beides kleiner als gewohnt, musste natürlich an entsprechenden Stellen Material reserviert werden. In die Zarge hat man eine mit zwei Längsleisten verstärkte, ca. 2,5 mm dicke massive Decke aus Sitkafichte eingelassen.

Das seidenmatte Polyester-Finish bestimmt die Farbe der Gitarre. Zur Wahl stehen Schwarz, 3-Tone Sunburst, Dakota Red, Natural und Transparent Sonic Blue. Alle weiteren Oberflächen wurden mit mattem Urethan überzogen, um die natürliche Mahagonifärbung und den holzigen Grip zu erhalten. Zur Optimierung der akustischen Eigenschaften und zusätzlichen Stabilisierung der Decke verwendet Fender das zum Patent angemeldete Stringed Instrument Resonance System (SIRS), einen ins Schallloch eingelassenen massiven Mahagoni-Ring, der etwa 1 cm vom Boden entfernt endet, zu diesem somit keinen Kontakt hat.

Ein klassischer Ebenholzsteg mit kompensierter Kunststoffeinlage und sechs Steg-Pins halten die werkseitig aufgespannten Fender-Dura-Tone-Coated-Phosphor-Bronze-Saiten (.011-.052). Die Klinkenbuchse, die gleichzeitig einen Mini-USB-Anschluss mit Status-LED zum Laden des On-Board-Akkus bietet, hat man in die Zarge eingelassen und zweifach verschraubt.

Auf der Rückseite verschließen zwei zur Oberkante bündig eingelassene Aluplatten die Zugänge zu Pickups und Elektronik.

Auch die Konterplatte der vierfachen Halsverschraubung schließt bündig ab, in der eine Bohrung direkten Zugang zur Neck-Tilt-Inbusschraube bietet, mit der der Halswinkel und damit auch die Saitenlage variiert werden können. Der einteilige Mahagonihals sitzt stabil in seiner präzise gefrästen Ausnahme. 22 perfekt bearbeitete Medium-Jumbo-Bünde verteilen sich auf dem Ebenholzgriffbrett, auf dem weiße Punkte und Sidedots die Orientierung erleichtern.

Offensichtlich sind Griffbrett und Hals bereits erheblich eingelaufen, denn sämtliche Bünde treten an beiden Seiten scharfkantig heraus.

Der vorbildlich abgerichtete Black-Tusq-Sattel führt die Saiten zu den geschmeidig und präzise arbeitenden gestaggerten Fender-Mechaniken. Ein Stringtree erhöht den Satteldruck der E1- und H2-Saiten. Zum Justieren der Halskrümmung steht oberhalb des Sattels ein direkt zugänglicher Stahlstab zur Verfügung.

Gleich drei Pickup-Systeme übertragen die Schwingungen der Acoustasonic Stratocaster, nämlich ein Undersaddle Transducer unter der Stegeinlage, ein Body Sensor im Korpusinnern unter dem Steg, beides von Fishman, sowie der sichtbare magnetische Fender Acoustasonic Noiseless N4 Singlecoil.

Eng bepackte Platine im E-Fach
Pickup-Kammer mit Akku und Saitenführung

Die große Platine, auf der die Fishman Acoustic Engine untergebracht ist, trägt auch zwei Trimmer zum Pegelabgleich der Fishman-Pickups, gespeist wird das Ganze von einem am Pickup-Deckel befestigten Akku, der über das mitgelieferte USB-Kabel und ein handelübliches 5-Volt-USB-Netzteil geladen wird. Letzteres zählt nicht zum Lieferumfang.

Die Acoustasonic Stratocaster lässt sich wie eine Strat spielen, erst Recht von denen, die .011-.052er-Saiten gewohnt sind. Einzige Einschränkung: Die umwickelte G-Saite sträubt sich gegen Bendings, und die Kompensation der Stegeinlage dürfte bei E-Gitarrensaiten Stimmprobleme bereiten. .010-.047-Bronzesaiten wären jedoch eine Alternative. Und vielleicht könnte man noch eine entsprechende zweite Stegeinlage dazulegen.

Halsübergang mit Neck-Tilt-Zugang (Bild: Dieter Stork)

GUITAR MODELS

Die Hybrid-Strat bietet sieben Modelle von klassischen A-, und drei von Fender-E-Gitarren, die über den Fünf-Wege-Schalter und den Mod-Mix-Regler angewählt werden. Der Schalter gestattet Zugriff auf fünf Soundbänke, die jeweils in Model A und B unterteilt sind. Zwischen diesen blendet das Mix-Poti stufenlos über und mischt gleichzeitig beide Klänge miteinander. Ganz zugedreht ertönt Model A, komplett aufgedreht Model B.

Master Volume kontrolliert die Gesamtlautstärke. Leider machen es die Ebenholzknöpfe dem User nicht leicht, die Potis mit nur einem Finger zu bewegen. Hier wären (schwarze) Standard-Strat- oder Tele-Knöpfe sicherlich praktischer gewesen. Folgende Gitarrenmodelle stehen zur Wahl, wobei die Schalterposition 5 die zum Hals gerichtete ist:

Position 5: Klassische Akustikgitarren

A: Dreadnought mit Sitkafichtendecke und Palisanderkorpus. Tiefe Bässe und präsente Höhen für traditionellen Akustikklang, empfohlen für voluminöses Strumming-Spiel.

B: Triple-0/OM mit Alpenfichtendecke und Palisanderkorpus. Dichter und heller für moderne Popsounds und detailliertere Mitten für Strumming und/oder Fingerpicking.

Position 4: Alternative A-Gitarren

A: Kleine Gitarre mit Engelmannfichtendecke und Ahornkorpus. Parlor-orientierter Klang, hell und artikuliert für gefühlvolles dynamisches Fingerpicking.

B: Dreadnought mit Sitkafichtendecke und Mahagonikorpus. Kraftvolle Bässe und prägnante Mitten für intensives Strumming oder Fingerpicking.

Position 3: Perkussiv und obertonreich

A: Dreadnought mit Sitkafichtendecke und Rio-Palisander-Korpus. Fett und erdig mit breitem Obertonspektrum.

B: Wie 3A, erhöht die Anteile des Body Sensors und liefert perkussivere Höhen und verstärkte Obertöne.

Position 2: Acoustic mit zumischbarem Fender-Pickup.

A: Dreadnought mit Sitkafichtendecke und Mahagonikorpus. Großformatige, kraftvoll, erdig und sehr artikuliert klingende A-Gitarre mit sehr guter Dynamik.

B: Wie 2A, jedoch mit zumischbarem Fender-Pickup. Reichhaltiger akustischer Rhythmus-Sound trifft auf elektrischen, dezent gesättigten Fender-Sound.

Position 1: E-Gitarre

A: Cleane Fender-Style E-Gitarre. Ob Tele oder Strat ist schwer zu definieren. Sehr klarer, runder E-Sound mit geschmackvoll dosierten Höhen. Klingt klasse über Acoustic-, aber noch authentischer über E-Gitarren-Amps. Mit guten Verzerrern sind sogar fette, sustain-reiche Rocksounds möglich. Wegen Feedback-Gefahr jedoch nicht überdosieren.

B: Fetter, dezent anzerrender Fender-Sound. Klingt ebenfalls gut über Acoustic-, aber authentischer über E-Gitarren-Amps. Auch hier lassen sich mit Verzerrern klasse Rocksounds erzielen, allerdings besteht auch hier Feedback-Gefahr bei zu viel Gain.

Klinkenbuchse mit Mini-USB-Anschluss und Ladestatus-LED (Bild: Dieter Stork)

Sämtliche Gitarrenklänge wurden von Fishman erstellt, indem man die jeweiligen Instrumente mit Studiomikrofonen aufgenommen und nachgebildet (gemodelt) hat. Die Electric-Sounds wurden indes über cleane bzw. übersteuerte Fender-Amps eingespielt. Die Models klingen sehr authentisch und zeigen exzellente Dynamik. Während bei den reinen Acoustic-Sounds Nebengeräusche kein Thema sind, macht sich leichtes Brummen bemerkbar, sobald der magnetische Einspuler ins Spiel kommt.

Aber nicht nur verstärkt, sondern auch rein akustisch bietet die Acoustasonic Strat respektable Performance. Dass sie nicht wie konventionelle A-Gitarren klingen kann, dürfte jeder/jedem klar sein, liefert sie doch einen leicht blechernen wenn auch warmen und perfekt ausgewogenen Klang, und den mit beachtlicher Lautstärke. Song-Begleitung am Lagerfeuer, unplugged Jam Sessions, üben, komponieren – alles ist möglich und inspiriert immens.

(Bild: Dieter Stork)

RESÜMEE

Ich könnte wetten, dass die Fender Acoustasonic Stratocaster zukünftig häufiger auf Bühnen auftaucht, und zwar überall dort, wo akustische Gitarren klanglich und feedback-mäßig problemlos verstärkt werden müssen, oder wo eine Acoustic auch mal als Electric gefragt ist. Dank flacher Saitenlage, gewohnten Strat-Halses und -Shapings und nicht zuletzt geringen Gewichts lässt sich die Hybrid-Axt sensationell komfortabel bespielen, zeigt gleichzeitig beste Schwingungseigenschaften und hält ein breites Spektrum erstklassig gemodelter Sounds bereit, die sich paarweise sogar mischen lassen.

Einziger Wermutstropfen sind die an beiden Griffbrettseiten austretenden Bünde. Ungeachtet dessen präsentiert sich die Acoustasonic Strat als perfektes Werkzeug für E-Gitarristen mit A-Gitarren-Phobie bzw. Akustikgitarristen mit E-Gitarren-Ambitionen. Well done, Fender!

PLUS

● Konzept & Design
● A- und E-Gitarren-Sounds
● Klangangebot & -vielfalt
● Unplugged-Performance
● Halswinkel/Saitenlage justierbar
● Fishman-Elektronik
● Spielbarkeit/geringes Gewicht
● Verarbeitung
● Optik

MINUS

● seitlich austretende Bünde

(erschienen in Gitarre & Bass 05/2020)

Kommentare zu diesem Artikel

  1. Gitarrenklang wird gemacht von den Fingern der MusikerInnen, von den Saiten
    und von den Grund-Materialien des Instruments. Und wenn man liest dass billige schlecht abgelagerte Hölzer verwendet werden muss man gar nicht weiterlesen – alles andere ist unnützer Schnickschnack. Warum gibt es keine guten großen Gitarrenhersteller mehr ??

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  2. Scheint ein gelungener Wurf zu sein. Ein schönes Klangbeispiel hatte ich gerade zufällig entdeckt: Youtube suche [Dire Straits – Sultans of Swing – Acoustic Guitar Cover by Kfir Ochaion – Fender]
    Viel Spaß

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