Teil 25

Homerecording: Orientierungshilfen

Anzeige

In dieser Folge möchte ich ein paar Hilfsmittel und Orientierungshilfen für den Mix vorstellen.

Anzeige

In den letzten drei Folgen ging es um die Kompression, welche einerseits ein unverzichtbares und mächtiges Instrument für „großen“ Sound darstellt, andererseits besonders bei mutigeren Einstellungen einiges an Know-how und einen Satz guter Ohren erfordert, um Dynamik und Transienten nicht zu verunglimpfen. Es ist auch für erfahrene Leute oft nicht leicht zu entscheiden, welcher Kompressionsgrad zu viel oder „zu wenig“ ist, ob die Over-All-Dynamik im grünen Bereich liegt, ob der Gesang laut genug ist, ob der Bassbereich zu dick oder zu dünn ist usw.

Denn das menschliche Gehör hat die Eigenschaft sehr schnell zu adaptieren, auch bei gestandenen Engineers. Das betrifft nicht nur das Lautstärkeempfinden, sondern auch das Gefühl für die „richtige“ Frequenz-Balance im Mix. Was einem nach einer längeren Musik-Pause als offensichtlich ins Gesicht springt, ist nach ein paar Stunden Mixing leicht zu überhören.

Deshalb ist die einfachste aber wahrscheinlich beste Orientierungshilfe ein Referenz-Mix, welcher während des Mischens immer wieder in wichtigen Fragen wie Levels, Balance und Sitz im Mix zu Rate gezogen werden kann, sozusagen als schneller Ohren-Reset. Der Referenz-Track muss immer „Back in Black“ von AC/DC sein … nee, war nur Quatsch, aber die Referenz sollte selbstredend etwas Inspirierendes, und nach dem allgemeinen Konsens abartig gut Klingendes sein. Wichtig dabei ist, dass die Lautstärke des ausgewählten Referenz-Titels an die des eigenen Mixes angepasst wird, da bei Umschaltprozessen das lautere Stück immer als besser empfunden wird.

Man kann seinen Referenz-Track von CD oder vom Media-Player abspielen, praktischer ist es aber, den Track direkt in der DAW griffbereit zu haben. Wer beim Mischen einen Kompressor auf der Summe hat, so wie ich es in der letzten Ausgabe unter „stereo/master-buss“ beschrieben habe, der sollte sich für ein bequemeres Umschalten zwischen eigenem und Referenz-Mix folgendes Routing einstellen: Man leitet alle Spuren (außer dem Referenz-Track) nicht auf den Master, sondern auf eine Stereo-Subgruppe, (die nun den neuen Master darstellt). Hier können wie gehabt ein Master-Kompressor und ggf. sonstige Summen-Plugins (wenn man genau weiß was man tut) eingeschleift werden. Diese Subgruppe wird dann auf den DAW-Master geroutet, genauso wie die Referenz. Im DAW-Master dürfen nun keine Audio-Bearbeitungen mehr stattfinden, es bietet sich aber an, hier einen FFT-Analyzer und gute Level-Meters (s. u.) einzuschleifen, sodass man auch optisch die Referenz mit seinem eigenen Mix vergleichen kann.

Eine weitere große Hilfe beim Mix ist eine ausreichend hohe und im Optimalfall fest definierte Referenz-Abhörlautstärke. Unser Gehör nimmt bei niedriger Lautstärke Höhen und Bässe im Vergleich zu den Mitten leiser wahr. So kann jemand, der bei Flüsterlautstärke mischt, es mit Kick, Bass und Höhen leicht übertreiben (besonders, wenn er keinen Referenz-Mix benutzt). Zudem sind häufige Wechsel in der Abhörlautstärke so, als würde jemand ständig am EQ rumfuschen (>google: „Kurven gleicher Lautstärke“).

Deshalb ist es sehr sinnvoll, das Gehör an ein Referenz-Level zu gewöhnen. Empfindet man dann bei dieser Referenz-Lautstärke seinen Mix als zu laut, weiß man, dass man zu stark komprimiert und sollte anstatt den Monitor leiser zu drehen lieber die Kompressor-Einstellungen überdenken.

Wer Monitor-Controller, Mischpult oder Verstärker-Poti als Lautstärke-Regler hat, kann sich eine Referenz-Einstellung markieren und nach Möglichkeit für den gesamten Mix dort stehen lassen. Fürs Solo-Hören/Bearbeiten darf man natürlich kurzzeitig lauter stellen. Damit man dies durchhält, muss die Referenzlautstärke gut gewählt sein.

Im Prinzip kann man einfach seinen Referenz-Track nehmen, welcher hoffentlich nicht übermäßig komprimiert und noch mit einem gesunden Dynamik-Umfang ausgestattet ist. Dieser muss in der DAW wie oben beschrieben in punkto empfundener Lautstärke an den eigenen Mix nach Gehör angepasst werden. Nun stellt man, am besten nach einer Nacht Ohren-Pause die Abhörlautstärke so ein, dass es angenehm laut ist und alle Details gut hörbar sind, aber ohne dass man den Drang verspürt, leiser machen zu müssen. Das ist unser Referenz-Level für diese Mischung.

Wem das zu ungenau ist, oder wer etwas mehr Zeit in dieses Thema investieren möchte, kann sich in das sogenannte K-System einarbeiten. Dieser von Bob Katz vorgeschlagene und sich breiter Beliebtheit erfreuende Standard für Abhörlautstärke empfiehlt, seine Monitore folgendermaßen einzupegeln (mehr Infos unter www.digido.com):

Ein auf –20 dBFS (+3 dB RMS) kalibriertes Full-Range Pink Noise Signal wird in der DAW ohne Lautstärkeänderung (bei 0 dB am Kanal- und Master-Fader) abgespielt. Ein Schallpegelmesser steht an der Abhörposition und wird für die nun folgende SPL-Messung auf „C-Weighting“ und „slow“ eingestellt. Dann spielt man das Rauschen über nur einen Monitor ab und stellt die Lautstärke so ein, dass das Messgerät 83 dB SPL anzeigt. Das ganze wiederholt man für den anderen Monitor (wenn man die Boxen einzeln einpegeln kann).

Zum Testen kann man jetzt noch eine Stereo-Messung machen, wobei sich der Pegel um ca. 3 dB erhöhen sollte. Falls nicht, hat man es mit Kammfiltern an der Abhörposition zu tun, und muss überprüfen, ob die Monitore optimal aufgestellt sind (siehe auch meinen Workshop).

An dieser Stelle muss kurz erwähnt werden, dass das K-System für professionelle, große Regieräume mit Mid- und/oder Farfield Monitoren gedacht ist. Wer ein normales Zimmer mit Nearfields hat, dem werden bei obiger Einmessung mit 83 dB SPL die Ohren wegfliegen. Wenn man mit dieser Anleitung also auf keinen grünen Zweig für eine angenehme Abhörlautstärke kommt, kann man seine Monitore getrost 3 bis 6 dB leiser einpegeln als oben beschrieben.

Nun hat man eine Referenz-Abhörlautstärke für die dynamischste der drei K-System Kategorien namens K-20. Diese ist für sehr dynamische Musik wie Klassik oder z. B. Pink Floyds ,Dark Side Of The Moon‘ (Original, nicht das Remaster) gedacht. Ein erstrebenswerter Dynamikumfang für Rock, Pop etc. entspricht der Kategorie K-14. D. h. der Durchschnittspegel liegt bei etwa -14 dBFS RMS (fortissimo Passagen wie z. B. Refrain auch bis –10 dBFS RMS).

Für solche Musik müsste der nach dem K-System eingestellte Monitorregler um 6 dB leiser gedreht werden, damit es eine angenehme Lautstärke ergibt. Der größte Teil aktueller Musik ist jedoch lauter, teilweise sogar deutlich, was vor allem dem langjährigen Irrglauben geschuldet ist, ein Mix müsse möglichst laut sein. Wer sich unter dem Stichwort „Loudness War“ bislang noch nichts Genaues vorstellen konnte, der muss sich unbedingt dieses YouTube-Video anschauen. Eine kompaktere und bessere Erklärung gibt es nicht.

Ein tolles Beispiel für dynamischen, transientenreinen Rock ist ,Killing In The Name Of‘ von Rage Against The Machine. Dieses Stück entspricht etwa K-12, sodass der kalibrierte Monitorregler bei –8 dB (in Bezug auf die gemessene Referenzposition für K-20) gut passen müsste. Lauter sollte die eigene Musik aber nicht sein, da es nach den neuen, weltweit nahezu einheitlichen Lautheitsstandards fürs Fernsehen (in Europa der „EBU R 128-2011“) ab sofort keinen Grund mehr gibt, seine Musik möglichst laut zu machen.

Für das Radio gibt es durch den MPX-Leistungs-Standard schon seit einigen Jahren eine Norm-Lautheit, sodass auch hier übermäßig komprimierte Musik nicht mehr durch höhere Lautheit sondern eher durch schlaffen Sound dem Hörer ins Ohr springt. Und auf den Lautstärkeregler an der heimischen Anlage hat man ohnehin keinen Einfluss.

Also, K14 ist ein sehr guter Startwert für die Lautheit des eigenen Mixes, mit satten 14 dB Headroom für Transienten-übersprudelnde Drums und knackige Akzente mit ordentlich Wumms. Falls ein solcher Mix jemandem (dem Endkunden?) aus irgendeinem Grund trotzdem zu dynamisch ist, kann man im Mastering immer noch mit Leichtigkeit lauter machen. Andersrum hingegen ist schwierig.

Eine weitere Hilfe für den Mix ist ein adäquates Level-Meter. Passend zur K-System Monitor-Kalibrierung gibt es z. B. das K-Metering, bei welchem je nach Einstellung bei –12/–14/ oder –20 dBFS die „0“ Markierung liegt, und man parallel RMS, Peak und „Dynamikumfang“ (Differenz aus Peak und RMS) sieht.

Prinzipiell ist es aber egal, welches Meter man als Orientierung nimmt, Hauptsache man kann die Anzeige gut interpretieren und weiß, wo seine „0“ ist. Generationen von Engineers sind mit einem VU-Meter großgeworden, welches, ähnlich RMS, recht gut das Lautheitsempfinden widerspiegelt und für viele immer noch besser zu lesen ist als eine lange Balkenanzeigen.

Bei klanghelm.com gibt es ein günstiges aber authentisches VU-Meter Plugin namens „VUMT“, bei welchem man seine „0“ beliebig kalibrieren kann. Oder man nutzt das modernste Werkzeug zur Lautheits-Visualisierung, ein LU-Meter (LU für „Loudness Unit“) nach dem neuen, oben schon erwähnten Lautheitsstandard der ITU-R BS 1770-2 (die Mutter des europäischen EBU-4711-Schießmichtot).

Beim ITU-Standard wird die Lautheitsmessung in 3 Zeitfenstern angezeigt, wobei für unsere Zwecke die sogenannte „short-term-loudness“ (3 s) ein perfekter Ersatz für RMS und VU ist. Ein LU entspricht einem dB, sodass man nicht umdenken muss und sich z. B. für eine angestrebte K-14 Dynamik bei etwa –14LUFS (absolut, bzw. +9 LU relativ) als Anker orientieren kann.

Bei dieser Gelegenheit kann man auch einen Blick auf die anderen nützlichen neuen ITU-Anzeigen riskieren, wie z. B. die integrierte Lautheit eines beliebigen Zeitraums oder dessen Dynamik Umfang „LRA“. Beides ist z. B. zum Vergleichen mit anderen Songs sehr interessant. Auch die True-Peak-Anzeige ist nicht zu verachten, welche erstmalig (verrückt aber wahr) nach zig Jahren Digital-Audio zuverlässig „unsichtbare“ Intersample-Peaks sichtbar macht, die z. B. bei der Umwandlung in mp3 zu Verzerrungen führen können. Soweit erst einmal, und trotz der vielen Theorie: viel Bass!


Alle Folgen zum Homerecording: www.gitarrebass.de/thema/homerecording

Tiefergehende Informationen zur gesamten Bandbreite der Recording-Welt gibt es auf: www.soundandrecording.de

Die Workshop- & Community-Plattform für alle Recording-, Mixing- & Mastering-Engineers sowie Produzenten: www.studioszene.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.