(Bild: Dieter Stork)
Seit 2005 schlägt die Firma Source Audio immer wieder Wellen im schier unendlichen Effekt-Ozean. Die Wellen, die das Spectrum und vor allem das C4 Pedal dieses Jahr aufgewühlt haben, sind besonders hoch. Spoileralarm: Die Bedienungsanleitung für diese kleinen, possierlichen Pedale umfasst um die 50 Seiten…
Das Gehäuse ist aus gebürstetem Aluminium, Gummifüße liegen bei, die Bedienelemente sind überschaubar: Vier Regler, ein Fußschalter, ein Minischalter auf der Oberseite, ein kleiner Druckknopf auf der Stirnseite. Mit diesem Druckknopf allerdings ruft man für jeden Regler eine zweite Funktion auf, was immerhin schon mal acht Parameter einstellbar macht, und man ruft eine zweite Bank zu drei Presets am Minischalter ab. Auch der Fußschalter hat es in sich. Die Frage nach True Bypass oder gebuffertem Bypass beantwortet Source Audio einfach mit: was dir lieber ist! Universal Bypass nennt sich das und kann über die Software eingerichtet werden. Zur Verbindung mit ebenjenem Neuro Desktop Editor am Rechner haben die Pedale eine Buchse für einen USB Mini Stecker Typ B, mobil kann über die Neuro App auf Presets zugegriffen und editiert werden. An der Stirnseite findet sich die Standardbuchse für das beiliegende 9V-Netzteil. Ein Batteriebetrieb ist wegen des Stromhungers der lieben Kleinen sinnvollerweise nicht vorgesehen.
Die Miniklinkenbuchse daneben ist für den Anschluss von Tap-Schalter, Expression-Pedal, Hot Hand Controller oder Neuro-Hub-MIDI-Interface – alle optional erhältlich. Zwei Eingangs- und Ausgangsbuchsen komplettieren die Ausstattung der beiden Pedale. Auch die haben doppelten Boden: Der Anschluss von Smartphone oder Tablet erfolgt von deren Kopfhörerbuchse mit einem Kabel von Miniklinke stereo auf große Klinke stereo. Presets werden so als piepsende Nullen und Einsen übertragen (unhörbar, keine Bange). Verbindet man mehrere Pedale der Serie mittels der entsprechenden Kabel miteinander, kann man sich sogar alle über nur einen Eingang vornehmen!
128mal mehr als Quak, Quak
Fangen wir doch mal mit dem purpurnen Spectrum Pedal an, welches die vielversprechende Bezeichnung Intelligent Filter trägt. Ich liebe Filter! Envelope Filter aka Auto Wahs sind ein Faible von mir, ein alter MXR Envelope Filter und ein noch älterer Electro-Harmonix Bassballs sind meine Favoriten. Aber dieses Pedal ist so viel mehr … Bevor es losgeht, sollte man das Pedal auf das Instrument einpegeln, doppelt wichtig weil es auf Anschlagsstärke reagiert. Dafür einfach den Inputregler aufdrehen, bis die LED rot wird. Was hinter dem Preset Tron steckt, kann man ja schon erraten, hier quakt es à la Mu-Tron, einer DER Ikonen auf dem Gebiet. „Dumpling“ lehnt sich mit mehr Resonanz an den Lovetone Meatball an, während „Thrust“ einen Filter mit einem Octaver auf OC-2 Basis kombiniert. Entweder indem man den Fußschalter im Bypass tritt und hält, oder indem man den ALT-Druckknopf betätigt und den Preset-Schalter bewegt, kommt man in die zweite Preset-Bank. Dies wird durch die nun rot leuchtende LED angezeigt.
Thrust wird vom Low Pass zum Bandpass und bekommt mehr Punch, Dumpling kombiniert jetzt Octaver, Fuzz und Phaser, und Thrust bietet Oktaven nach unten und oben. Spätestens jetzt ahnt man, dass hier mehr an Bord ist, und das waren erst die Werks-Presets! Beherztes Drehen an Reglern kann den Ton dabei völlig auf den Kopf stellen, und dann gibt es ja noch die zweite Bedienebene. Hier steckt mit dem Mix-Regler ein wichtiges Werkzeug, da kann der selbstgebastelten quakenden Säge mit Phaser-Garnierung der saubere Basston wieder zugemischt werden.
Apropos selbstgebastelt: vielleicht möchte man diese Kreation ja speichern? Tritt und hält man den Fußschalter für ca. fünf Sekunden, ist das Preset überschrieben. Bemüht man die Software, gibt es noch mehr Möglichkeiten. Da kann einerseits alles abgespeichert werden und jederzeit wieder aufs Gerät geladen werden, über die Hardwareeinstellungen ist aber auch der Presetmodus wählbar. Ab Werk ist das Pedal so eingestellt, dass ein geänderter Sound futsch ist, wenn man in den Bypass geht oder zwischendurch ein anderes Preset aufgerufen wird, dessen Einstellungen wiederum mit der physischen Einstellung der Regler nichts zu tun hat. Im Control Mode ist das ähnlich, mit dem Unterschied, dass man in den Bypass gehen kann und danach, solange man nicht das Preset wechselt, der eingestellte Sound wieder da ist. Im WYSIWYG-Modus (also „what you see is what you get“) gibt die Stellung der Regler die Einstellung der primären Reglerfunktion wieder.
(Bild: Dieter Stork)
Wo das Pedal schon mal am Rechner/Tablet/Fon hängt: Ein einfacher Weg, die klanglichen Möglichkeiten des Geräts kennenzulernen, ist der Weg über die Community, wo praktisch täglich neue Kreationen hochgeladen werden. Gefällt einer, landet er in der persönlichen Library und kann von da aus per „Burn“ auf das Pedal übertragen werden. Bei Nutzung des Smartphones ist wichtig, dass die Lautstärke am Kopfhörerausgang ordentlich aufgerissen ist, sonst versteht das Pedal nicht, was man ihm mitteilen möchte. Per USB geht es immer zuverlässig, hier gibt es in der Neuro Desktop App vollen Überblick über alle Editiermöglichkeiten, und ich kann nur sagen: hui! 25 Filter warten darauf, ausprobiert zu werden, 11 Envelope Follower, Duale Filter (hallo, Bassballs!), 14 LFO-Kurven, 13 Verzerrer … Und das natürlich alles nicht fix sondern editierbar! Dazu verschiedenste Routings innerhalb des Pedals wie auch die Möglichkeit, unterschiedlich bearbeitete Signale auf beide Ausgänge zu legen. Komplex? Unbedingt! Aber dabei nicht kompliziert, man sollte nur Neugier und Zeit mitbringen, wenn man alles mal gehört haben will.
Auf dem Desktop ist auch ein weiterer Lieblingsregler von mir zu finden: Lo-Retain Freq. setzt im Wet-, also Effektanteil, einen Low Pass Filter, unterhalb dessen Frequenz alles unbearbeitet durchgeht. Damit ist es ein leichtes, auf eine fette, saubere Basis fräsende Synthie-mäßige Sounds zu setzen! Mein Tipp: Erst den Effektsound zurechtschrauben, dann mit Lo-Retain und Dry/Wet probieren, auf welche Art – falls nötig – der reine Basston am effektivsten zugemischt werden kann.
The saw is the law
„Synthie-mäßig“ ist dann auch eine gute Überleitung zum C4. Der Traum, Synthsounds direkt und ohne speziellen Tonabnehmer mit dem eigenen Bass zu spielen, ist so alt wie die Menschheit und so groß wie der Traum vom Fliegen. Könnte es mit dem C4 etwas werden? Immerhin verspricht Source Audio, nicht weniger als einen Eurorack Synthesizer in dieses Pedal gepackt zu haben, also eine dieser modularen Wundertüten mit schier unbegrenzten Möglichkeiten. Das C4 kann praktisch alles, was das Spectrum Pedal auch kann, die Presets sind in der Community abrufbar.
Das ist aber erst der Anfang … Wie der Name andeuten soll (ein Schelm, wer an Sprengstoff denkt) hat das Pedal vier unabhängige Stimmen am Start. Die können mit drei verschiedenen Oszillatoren belegt werden, danach kann jede Stimme durch Zerrer, Filter, Pitchshifter, Harmonizer und zwei Sequenzer gejagt werden, bevor sie den beiden Ausgängen zugeordnet werden. Die Regler bieten primär Input-Anpassung und Mix, sekundär Sense für die anschlagsempfindlichen Effekte und Ausgangslautstärke, Control 1 und 2 können verschiedene Parameter zugeordnet bekommen.
Die Presets haben hier keine Namen, sondern die Symbole Kreis, Dreieck und Quadrat – eigentlich ganz praktisch, wenn man alle Sounds mit eigenen Kreationen überschrieben hat, die mit der original Bezeichnung nichts mehr gemein haben. Wie gut, dass in der App Platz für 128 Speicherplätze ist! Ab Werk finden sich hier Pure Octaves, Taurus und EDM Swell in der ersten Bank, Poly Pitch Swell, Funk Dragon und Flashlight Bass in der zweiten. Die beiden Dreiecks-Presets sind meine Favoriten, beide mit Sägezahn-Wellenform – herrlich wie es da knarzt und knurrt! Wer sich im Live-Betrieb nicht mit sechs Sounds zufrieden geben möchte, kann mit dem Neuro Hub bis zu fünf Pedale der One Series und Soundblox2 ansteuern und hat dann mit einem MIDI-Pedal vollen Zugriff.
Die wichtigste Frage bei einem Pedal dieser Art ist natürlich: wie trackt es denn? Ich kann nur sagen, es trackt beeindruckend gut! Natürlich muss man sich auf einige Dinge einlassen. Langsam anschwellende Sounds sollte man nicht versuchen, mit Fingerfunk-Staccato anzuspielen, manche nach unten oktavierte Klänge kommen beim Bass irgendwann an ihre Grenzen, wenn man zu weit in den Keller spielt. Manche dieser Presets lassen sich in der Oktavlage umbauen, manche verlieren dann allerdings ihren Charakter und sollten so genommen werden wie sie sind. Auswahl genug gibt es ja, und es wird jeden Tag mehr. Auch und gerade hier macht das Experimentieren mit Lo-Retain und Dry/Wet Mix Riesenspaß!
Stereo spielen die wenigsten Bassisten, aber neben der schon erwähnten Möglichkeit, Signale unterschiedlich zu routen, kann auch zwischen Output 2 und Input 2 per Software ein Effektweg erstellt werden, in den weitere Pedale eingeschleift werden können – die Routing- Möglichkeiten sind mehr als üppig. Der Eurorack-Synthie im Pedalformat ist kein leeres Versprechen!
Resümee
Im Normalfall ärgert man sich, wenn der schöne Bass plötzlich so gar nicht nach sich selbst klingt. Bei den beiden Source Audio Pedalen ist mir das Grinsen geradezu ins Gesicht gemeißelt, gerade weil der Bass oft nicht wiederzuerkennen ist. Die Bedienbarkeit am Gerät, vor allem aber mit der App auf Desktop oder mobil ist exzellent gelöst, da kommt richtig Bastelspaß auf. Eine große Hilfe ist dabei die umfangreiche Bedienungsanleitung, die beim Spectrum Filter sehr anschaulich bebildert und in einer guten Übersetzung auf https://shop.warwick.de zu finden ist. Mission Filter und Synth grandios erfüllt!
PLUS
- Sounds!
- Verarbeitung
- Tracking
- Editiermöglichkeiten
(erschienen in Gitarre & Bass 01/2020)