Im Interview

Leprous & Simen Børven: Bassist und Freigeist

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(Bild: Matthias Mineur)

Als der norwegische Bassist Simen Daniel Børven im Frühjahr 2015 zur Prog-Rock-Formation Leprous stieß, war die Band gerade im Begriff, sich stilistisch grundlegend zu verändern. Der vom Jazz kommende Børven, ein eigenwilliger Musiker und künstlerischer Freigeist, passte daher wie die Faust aufs Auge.

Denn die Musiker hatten begonnen, allzu typische Progressi­ve-Metal-Eigenarten aus ihrem Sound zu eliminieren und nicht mehr in spezifischen Genres zu denken, sondern Songs unabhängig von ihrer stilistischen Ausrichtung zu schreiben. Unter anderem dank Børvens Hilfe haben sich Leprous mittlerweile fast völlig aus dem Metal verabschiedet und ihre Zuhörerschaft damit sukzessive vergrößert. Wir haben den Skandinavier bei einem Lep­rous-Konzert in Hamburg getroffen und viel Wissenswertes über seine Philosophie als Bassist und Komponist erfahren.

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Simen, wie würdest du selbst deinen Spielstil beschreiben? Und inwieweit beeinflusst er den Sound von Leprous?

Natürlich bin ich in erster Linie Bassist, aber mehr noch fühle ich mich als Musiker, der verschiedene Instrumente spielen und ebenso auch komponieren und arrangieren kann. Von mir stammt beispiels­weise der Song ‚Distant Bells‘, die dritte Single vom aktuellen Album ‚Pitfalls‘. Und bei der Nummer ‚Alleviate‘, die unser Sänger Einar Solberg geschrieben hat, gab es zwar bereits eine Basslinie für die Strophe, doch die klang mir irgendwie zu rastlos und gleichförmig, es fehlten Pausen und der Tiefgang. Einar war damit einverstanden, dass ich ein paar Dinge verändere.

Børven mit den Leprous-Gitarristen Oddmund Suhrke und Robin Ognedal. Das Interview mit den beiden Gitarristen folgt in der nächsten Ausgabe von Gitarre & Bass. (Bild: Matthias Mineur)

Dadurch wurde das Stück deutlich melodischer. Es gibt aber auch andere Beispiele, wie etwa das Stück ‚I Lose Hope‘, bei dem ich meinen 78er-Fender-Precision bewusst heavy und sehr Groove-orientiert gespielt habe. Ich sehe mich aller­dings nicht als Metal-Bassist und bin immer ein wenig beleidigt, wenn Leute mich als solchen bezeichnen.

Das musst du näher erläutern.

Ich finde, dass die meisten Metal-Bassisten einfach nur Guitar-Bit­ches sind, wenn du verstehst, was ich meine. Sie dienen nur dazu, diejenigen Frequenzen abzudecken, die eine Gitarre nicht einmal dann erreicht, wenn es sich um eine sieben- oder achtsaitige han­delt. Eine solche Vorgehensweise limitiert Musik ganz generell. Ich finde jedes Instrument und jeder Instrumentalist sollte den Horizont eines Songs erweitern.

Bedeutet das im Umkehrschluss: Auch ein Bass ist ein Lead-Instrument?

Ja, ich sehe das so. Natürlich kann ein Bass auch als Lead-Instru­ment fungieren, er sollte dies nur nicht unablässig tun. Eine alte Jazz-Lektion, die ich gelernt habe: Wie kann ich die wenigen Noten so effektvoll spielen, dass sie dem Song am besten dienen?

Du kommst vom Jazz?

Meine Mutter sang und spielte Gitarre in der Kirche, mein Vater war Toningenieur. Deshalb mussten wir früher in die Kirche als andere Kinder. Meine Eltern standen auf Westcoast-Jazz und Fusion, deshalb waren mir Namen wie Koinonia mit Abe Laboriel und Alex Acuña schon ein Begriff, bevor ich überhaupt selbst Musik machte.

Mit zwölf fing ich an zu singen und Percussion zu spielen. Als der Bassist meiner Band ausstieg, blieb kein anderer übrig, der ihn ersetzen wollte. Also musste ich den Part übernehmen. Zunächst war ich Rock- und Prog-Fan, bis ich mit 16 den Jazz für mich entdeckte und fortan Rock langweilig fand. Das änderte sich allerdings wieder, als mich Leprous zunächst als Session-Bassist und dann als festes Mitglied anheuerten.

Bei Leprous spielst du schon seit Jahren den gleichen Fender Jazz Bass, nicht wahr?

Du wirst lachen: Dieser Fender ist der allererste Bass, den ich jemals besessen habe. Er gehörte einem Typen aus der Kirche, der an einer Überdosis Schlaftabletten gestorben war. Seine Witwe wollte unbedingt, dass ich den Bass bekomme. Ich zögerte natürlich keinen Moment, denn das Teil klingt einfach großartig. Sowohl im Low End als auch in den Höhen, die auch dann noch klar und transparent rüberkommen, wenn man sie leicht anzerrt. Der Fender setzt sich wirklich in jeder Musik durch, egal wie komplex sie arrangiert ist.

Zu Hause habe ich noch einen Jackson-Fünfsaiter und einen viersaitigen Harley Benton aus Plexiglas. Früher hatte ich auch einige aktive Bässe, heute bin ich wieder komplett zu meinem Fender zurückgekehrt. Es ist die American-Deluxe-Version und wurde 2004 gebaut.

Dein Equipment besteht ausschließlich aus einem kleinen Pedalboard, nicht wahr?

Ja, und das, obwohl wir Christoph Kemper persönlich kennengelernt haben, als wir im Vorprogramm von Devin Townsend unterwegs waren. (grinst) Christoph schenkte uns drei seiner Amps, die aber leider an unsere beiden Gitarristen und unseren Keyboarder gingen. Ich weiß nicht, ob das etwas mit mir als Bassist zu tun hat. Jedenfalls bekam ich keinen ab.

Aber aufgrund der vielen Tourneen musste auch ich mein Equipment leichter und transportabler gestalten. Deshalb entschied ich mich für D.I.-Preamps. Zurzeit spiele ich einen Tech 21 VT Bass Deluxe, mit dem unser Live-Mischer ausgesprochen glücklich ist. Wir überlegen, ob wir uns von Kemper den neuen Stage Amp auch für den Bass zur Verfügung stellen lassen und dann ein Profile meines aktuellen Sounds anfertigen. Unser FOH ist damit so superglücklich, dass er ihn auf keinen Fall verändert haben möchte.

Grundsätzlich mag ich Vintage-Fender und einfache Lösungen, denn sie sind weniger störanfällig, als wenn permanent die Software streikt oder irgendwelche digitalen Probleme auftauchen. Je einfacher das System, umso weniger Ärger hat man. Ich sage nur: Murphy’s Law!

Auf deinem Pedalboard kann man weder ein Distortion- noch ein Overdrive-Pedal finden, obwohl man in deinem Spiel deutlich Verzerrung hören kann.

Das stimmt, beide Effekte sind in den VT Bass Deluxe integriert. Als externe Stompboxes habe ich lediglich ein TC Electronic Hall Of Fame, das aber nur gelegentlich hinzugeschaltet wird, vor allem bei den Ambient-Tracks wie unter anderem der Coverversion ‚Angel‘. Wenn es also darum geht, Sounds zu kreieren, die nicht per se typisch für einen Bass sind.

Børvens Pedalboard mit Boss Line Selector LS-2, TC Electronic Hall Of Fame, Boss Tuner TU-3, Tech 21 Preamp‚ VT Bass Deluxe und Electro Harmonix Micro-POG als Octaver (Bild: Matthias Mineur)

Und der Electro Harmonix Micro-POG?

Der kommt weitaus häufiger zum Einsatz. Als Octaver kann man damit eine Oktave höher oder tiefer pitchen und – je nach Belieben – den Ton schärfer oder sanfter machen. Ich schicke zu 50% ein cleanes Signal in den POG und lege die Oktavierung in geringerer Abstufung darüber oder darunter.

Wie nimmst du deinen Bass im Studio auf? Direkt ins Pult?

Wir haben diesmal nur ein paar wenige Overdrive-Pedale eingesetzt, das meiste kam aus einem alten Ampeg SVT Blue Line aus den 1970ern, den wir relativ laut aufdrehten, sodass er eine natürliche Verzerrung erzeugte. Auf früheren Alben haben wir das Signal gesplittet und den Bass über einen Ampeg-Amp und einen Diezel-Gitarrenverstärker aufgenommen.

(erschienen in Gitarre & Bass 04/2020)

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