Neue Pedale braucht das Land!

Interview: Walrus Audio

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(Bild: Walrus Audio)

Auf dem Guitar Summit trifft man nicht nur Musikerkollegen, sondern auch manchen Hersteller persönlich. Aus Oklahoma-City kamen die Köpfe des Pedal-Herstellers Walrus Audio nach Mannheim.

Colt Westbrook und Jason Stulce präsentierten zuerst in einem Workshop ihre Firmen-Philosophie und neue Produkte und standen danach gut gelaunt Rede und Antwort.

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Interview

Wann seid ihr zu Walrus Audio gekommen?

Colt: Jason und ich kamen 2014 zu Walrus Audio. 2001 hat Keeley Electronics in Oklahoma-City angefangen und viele Gearheads sind dort hingezogen und haben gelernt Pedale zu bauen. Viele haben dann bei einer Pedal-Part-Firma angefangen, die Gehäuse, Potis und Buchsen gebaut hat. Walrus wurde dann 2011 gegründet. Brady Smith hat dort gearbeitet, der vorher bei Keeley und Mammoth war. Er hat die Firma zweieinhalb Jahre lang geführt und dann Old Blood Noise gegründet. Als er ausstieg, sind wir eingestiegen! In Oklahoma-City gibt es jetzt also Keeley, Walrus, Old Blood Noise und Mammoth Electronics – das passt.

Seid ihr beide Musiker oder kommt ihr von der technischen Seite?

Jason: Wir sind beide Musiker und spielen Gitarre. Ich habe einen Abschluss in Elektrotechnik. Daher kommen meine Designs.

(Bild: Walrus Audio)

Habt ihr je daran gedacht eure Firma von Oklahoma-City in eine Musikstadt wie New York, Los Angeles oder Nashville zu verlegen?

Jason: Nein, an eine Musikstadt haben wir nie gedacht. Wenn, dann würden wir nach Portland, Oregon ziehen, wo es wirklich schön ist. Das könnten wir machen, aber wir werden es nicht tun.

Colt: In vielen dieser Zentren wie New York oder L.A. gibt es unheimlich viele Firmen, bei denen Bands, die in der Stadt sind, vorbeischauen könnten. In Oklahoma gibt es nicht viel. Daher kommen sie in unseren Laden und wir gehen Mittag essen. Es gibt wenig Konkurrenz.

Welche Vorteile hat Oklahoma-City noch?

Colt: Tolle Menschen! Es ist ein preiswerter Ort zum Leben und wir haben ein professionelles Basketball-Team. Der Kaffee und das Bier sind auch sehr gut… (lacht) Jason: Was braucht man mehr? (lacht)

Woher kommen die Ideen für neue Pedale?

Jason: Meistens werden wir von Sounds inspiriert, die wir hören. Entweder im allgemeinen Sinn, dass wir zum Beispiel ein Reverb hören und in der Richtung etwas machen wollen. Aber es gibt auch speziellere Geschichten, wie das Monument Tremolo oder den 385 Overdrive, bei denen wir Sounds auf einer Platte gehört haben, die sehr speziell waren und die wir persönlich mochten. Wir dachten, die laufen irgendwie unter dem Radar und wir müssen diese Sounds reproduzieren und mit anderen Leuten teilen.

Colt: Beim Deep 6 V3 kamen viele der Veränderungen und Innovationen durch das Hören von Cory Wong und seiner Musik mit Vulfpeck.

Viele eurer Pedale haben ja ein komplexeres Konzept als z. B. lediglich ein Fuzzface zu reproduzieren. Was ist der Grund dafür?

Colt: Es gibt Fulltone und ein paar andere Firmen, die Vintage-Effekte nachbauen und die sind richtig gut darin, haben ein Gespür dafür. Das können wir nicht so gut, aber wir versuchen neue Werkzeuge herzustellen, mit klassischen Sounds und modernen Innovationen, die Leute im Studio oder auf Tour nützlich finden.

Wie läuft der Prozess bei einem neuen Pedal ab?

Jason: Es kommt ganz auf den Sound an, den du willst. Ist es ein Overdrive, Distortion oder Reverb? Wenn du das festgelegt hast, hast du als Designer verschiedene Werkzeugkästen, aus denen du dich bedienst, je nach Art des Effekts. Es gibt nur eine Handvoll Arten einen Overdrive zu bauen und das meiste basiert auf Technik, die 50 Jahre alt ist. In dem Bereich gibt es nicht viel Neues, es wird nicht viel entwickelt, denn abseits des Musikbusiness ist der Markt dafür klein und verlangt keine Innovationen. Wir gehen deswegen immer zu denselben Bauteilen zurück und dabei geht es darum, verschiedene Arten von Transistoren, Op-Amps, Dioden und Signalwegen zu kombinieren, um dem Sound in deinem Kopf nahezukommen.

(Bild: Walrus Audio)

Analysierst du auch das Equipment, dass auf einer Platte benutzt wurde und suchst danach die Komponenten aus oder hörst du einfach den Klang und weißt, was du benötigst?

Jason: Das ist oft eine Kombination aus beidem. Wenn wir wissen, welches Equipment benutzt wurde, versuchen wir das im Laden aufzubauen. Wenn es also ein alter Supro war, kaufen wir den und fügen ihn unserer Gear-Sammlung hinzu, damit wir den Sound in echt hören und fühlen können.

Sind eure Pedale eher digital oder analog?

Jason: Hauptsächlich analog. Es gibt nur ein paar digitale Pedale. Die meisten unserer neuen Pedale haben Relay-Bypassing, von daher gibt es digitale Elemente, die Dinge kontrollieren, aber die Schaltung der meisten Pedale ist komplett analog. Es ist eine Herausforderung, Regler und Innovationen hinzuzufügen, die nützlich sind, aber den Signalweg trotzdem analog zu halten. Wir denken aber, dass es das wert ist und uns abhebt.

Ich habe mal mit Josh von Lovepedal gesprochen und er sagte, er lötet Bauteile in ein Pedal, hört es sich an und entscheidet dann, ob er einen anderen Transistor o. ä. benötigt.

Jason: Das ist genau der Weg!

Machst du das alles allein?

Jason: Das meiste ja, aber ich habe ein kleines Team, das mir hilft. Ich kann nicht alles gleichzeitig machen, also gebe ich bestimmte Aufgaben oder Teile an andere Leute ab und bringe am Schluss alles zusammen. Manche Effekte baue ich aber auch komplett allein.

(Bild: Walrus Audio)

Und du, Colt, hast damit gar nichts zu tun?

Colt: Nein, absolut nicht.

Jason: Er sagt mir nur, ich soll leiser machen. (beide lachen)

Habt ihr bestimmte Leute oder Musiker, die eure Produkte testen?

Jason: Ja, wir haben viele Freunde gefunden im Laufe der Jahre, die Künstler und Musiker sind. Viele sind ganz wild darauf, wenn wir sie fragen, ob sie zur Testgruppe gehören wollen. Natürlich ganz vertraulich, sie dürfen nicht darüber reden, aber auf diese Weise bekommen wir sehr wertvolle Rückmeldungen.

Kannst du ein paar Namen nennen oder sind die geheim?

Colt: Corey Wong von Vulfpeck hat uns bei ein paar Sachen geholfen und Scotty Mills von Colony House. Dann gibt es einen Typ aus Atlanta/Georgia namens Lee Baker, Nate Dugger, der viel Sessionarbeit in Nashville macht und Mason Stoops aus Los Angeles, ein Session- und Tour-Gitarrist.

Also eher „Working Musicians“ als Superstars.

Colt: Ich will ehrlich sein. Wir senden die Prototypen an Leute, die wirklich unglaublichen Musiktheorie-Verstand, Ton-Verstand, Gitarren-Verstand haben, und oft sind das nicht die Typen, die in großen Bands spielen, sondern die, die im Hintergrund arbeiten, Albumtracks einspielen, beim Songwriting helfen und auf Tour gehen. Diese Leute sind das Gehirn und der Klebstoff der Gitarrenwelt, mit solchen Leuten möchte ich arbeiten.

(Bild: Walrus Audio)

Ihr habt auch immer einen sehr speziellen grafischen Stil auf euren Pedalen. Wie hat sich der entwickelt?

Colt: 2011 gab es nicht viel, was die Kosmetik von Gitarrenpedalen anging. Etwas Kunst in Form eines Siebdruckes hinzuzufügen war eine Möglichkeit, die Pedale hervorstechen zu lassen. Es ist ein Weg, das Pedal so gut aussehen zu lassen, wie es klingt! Wir arbeiten mit einem Team aus vier Künstlern zusammen.

Gibt es denn so etwas wie einen Firmen-Stil?

Colt: Sie haben alle ihren eigenen Stil, aber wir geben einen Rahmen vor, damit die Pedale alle zueinander passen.

Jason: Eine der Gemeinsamkeiten ist, dass alles von Hand illustriert wird, alles handgezeichnet, das ist die Regel. Echte Kunst!

Das Walrus-Audio-Team (Bild: Walrus Audio)

Wie viele Leute arbeiten in eurer Firma?

Colt: Im Moment 13. Wir haben vier bis fünf Pedalbauer, einen Produkttester und Leute für das Verpacken, die Qualitätskontrolle, den Versand, die Buchhaltung, das Marketing und den Einkauf.

Ihr habt also völlige Kontrolle über die Firma?

Jason: Ja, alles passiert im Haus und zwischen uns beiden. Colt kümmert sich mehr um die geschäftliche Seite und ich bin für die Entwicklung und die Produktion zuständig.

Welches eurer Pedale verkauft sich am besten?

Colt: Der Julia Chorus. In den letzten sechs Monaten hat sich das Monument Tremolo auf Platz zwei vorgearbeitet.

(Bild: Walrus Audio)

Habt ihr ein Lieblingspedal?

Jason: Wir mögen beide den Julia Chorus sehr gerne. Es ist gar nicht so selbstverständlich, dass ein Modulations-Pedal als inspirierend angesehen wird, aber das Julia Pedal bringt dich dazu, alle möglichen Sachen spielen zu wollen.

Habt ihr auch Lieblingssounds aus der Gitarren-Geschichte?

Jason: Die Platte ‚High Hope‘ von Blake Mills hat viele der Sounds inspiriert, die du bei unseren Pedalen hören kannst.

Colt: Für mich hat alles mit Third Eye Blind angefangen. Ich weiß, dass das keine sehr populäre Meinung ist, aber das ist mir egal. Bei ihnen habe ich mich zum ersten Mal in Gitarren-Sounds verliebt. Sie werden oft in die Pop-Rock-Kiste gesteckt, aber ihre Gitarrenarbeit ist absolut unglaublich! Ihre ersten drei Platten hatten ein paar wirklich originelle Gitarrensounds, die mir die Augen geöffnet haben.

Habt ihr auch ältere Einflüsse?

Colt: Natürlich haben wir alle unsere Wurzeln bei Jimmy Page und den Beatles. Ich habe auch viel Inspiration bei Mike Campbell gefunden. Oft überlege ich mir: Was würde Mike tun? (lacht) Er verschwendet nie Zeit oder Noten, er ist sehr bedacht bei dem, was er spielt.

In einem anderen Interview hast du mal gesagt: Die Herausforderung ist es, Produkte zu bauen, die die Leute brauchen. Welche Art von Pedalen braucht die Gitarren-Gemeinde?

Colt: Ich denke, es geht darum, klassische Sounds zu kreieren, die die Leute lieben und diesen dann moderne Verbesserungen hinzuzufügen, wie unterschiedliche Wellenformen für Modulation oder Tap Tempo und Sync-Möglichkeiten bei zeitbasierten Effekten. Dinge, die die Leute heute benutzen, die es aber früher nicht gab.

Jason: Eine Sache, die mich antreibt, ist die Frage: Ist es schwer, einen guten Sound hinzubekommen? Meiner Meinung nach sollte es das nicht sein, du solltest nicht hart daran arbeiten, viel einstellen und lernen müssen, um ein Pedal zu benutzen. Du willst einen coolen Sound haben und spielen! Ich denke also immer daran, ob es benutzerfreundlich ist und ob es schlechte Sounds produziert. Wenn das so ist, muss ich etwas daran ändern. Wir hören oft über unsere Designs, dass man sie nicht schlecht klingen lassen kann und das ist mein Ziel, denn es gibt so viele Pedale da draußen, die wirklich schrecklich klingen können!

Es gibt ja so eine Tendenz in der Gitarrenszene, sich mehr auf Sound und Equipment zu konzentrieren als auf das Musikmachen. Seht ihr die Gefahr, dass sich das mit immer neuen Pedalen noch verstärkt?

Colt: Wir werden oft gefragt, welches Pedal braucht ein junger Gitarrist und ich sage immer: Übe Gitarrespielen! In der Musikindustrie und auch in der Outdoor- und Sportindustrie gibt es dieses Phänomen, sich obsessiv mit der Ausrüstung zu beschäftigen und nicht mit der eigentlichen Kunst oder Aktivität. Ich ermuntere Leute immer, weniger Zeit auf Gear-Seiten zu verbringen und stattdessen mehr zu üben. Ist das Herstellen von Pedalen dafür verantwortlich? Das kann sein, aber wir predigen zu üben, eine Band zu gründen und mit anderen Musikern zu arbeiten. Es gibt tolle Sachen wie Garageband und billige DAWs, mit denen sich Leute Files schicken und ein Album machen können, aber wir raten den Leuten wirklich, in einer Band zusammenzukommen, anstatt alleine am Rechner zu sitzen und Sounds zu erstellen.

Was sind eure nächsten Projekte? Stehen die schon fest?

Jason: Klar! Ich kann dir versichern, es wird noch mehr Pedale geben. (lacht) Ich glaube aber nicht, dass es jemals Amps oder Gitarren von Walrus geben wird. Wir lieben Pedale!

Wie gefällt euch der Guitar Summit?

Colt: Ich liebe Mannheim, ich liebe den Veranstaltungsort. Er ist gut aufgeteilt, alles ist sehr gut organisiert, der Geräuschpegel ist niedrig, was sehr hilfreich für Gespräche ist. Ich denke, wir kommen wieder!

Danke für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!

(erschienen in Gitarre & Bass 12/2019)

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