Das Offset-Guitar-Design hat in den letzten Jahren eine erstaunliche Karriere hingelegt. Bereits in den 50er-Jahren mit Blick auf eine besonders ergonomische Handhabung erdacht, konnte sich die asymmetrische Formgebung bei Gitarren erst spät durchsetzen. Wie es scheint, ist der Siegeszug der Offset-Gitarren aber noch längst nicht beendet.
Die größten Verdienste um das Offset-Gitarren-Design sind immer noch dem mäßig musikalischen (spielte gerne Harmonika), aber technisch hellsichtigen Leo Fender zuzugestehen. Der nämlich wollte mit der 1958 als Top-Of-The-Line-Modell vorgestellten Jazzmaster deren höchst erfolgreichen Vorgänger Telecaster und Stratocaster nochmals toppen und hatte dabei die der Gibson-Konkurrenz großteils immer noch treu verhafteten Jazzmusiker im Auge. Interessant, die damals offenbar noch denkbare Idee, mit Jazz ließen sich aussichtsreiche Geschäfte machen. Leo jedenfalls soll bei der Korpusgestaltung sogar an in klassischer Haltung sitzend spielende Jazzgitarristen gedacht haben, was aber keineswegs verhindert, dass die Offset-Formgebung gerade auch am Gurt ungemein komfortable Handhabung garantiert. Trotz der versuchten Annäherung über traditionelle Baudetails, wie das Palisandergriffbrett (mit der Jazzmaster bei Fender erstmals eingeführt) oder größere Pickup-Formate, verschmähte die anvisierte Kundschaft den modernistischen Entwurf vollkommen und die Umsätze blieben deutlich hinter den Erwartungen zurück.
Anzeige
Aller technischen Erfindungsgabe zum Trotz: nicht das erste Mal lag Leo, Freund singender Cowboys, mit seiner Einschätzung, was die Anwendungsbereiche seiner Instrumente angeht und wer sie einmal spielen wird, ganz offensichtlich vollkommen daneben. Nach lediglich überschaubaren Einsätzen im Rock’n’Roll und in Surf Bands fristete die Jazzmaster, wie auch die spätere Schwester Jaguar ein unverdient tristes Randdasein. Erst durch frische Bewegungen wie Grunge und Alternative in den ausgehenden 80er-Jahren und danach kamen diese Offset-Gitarren dann doch noch zu späten Ehren. Junge Musiker mit wenig Geld entdeckten die bis dahin nicht zuletzt auch klanglich unterschätzten Gitarren als gute Möglichkeit, sich vom Mainstream abzusetzen. Heute ist das Offset Design so erfolgreich wie nie zuvor und entsprechend groß ist die Palette der aktuell an den Markt gebrachten Interpretationen verschiedenster Hersteller dieser über lange Zeit verkannten Gitarrenkonstruktion. Man sieht Leo förmlich auf seiner Wolke lächeln.
(Bild: Tom Schäfer)
Starkes Re-Design
Auch die Suhr-Variation zum Thema Jazzmaster trägt als Referenz das Kürzel JM im Namen. Das grundlegende Bauprinzip der Jazzmaster erfährt bei Suhr allerdings die erwartet gründliche Überarbeitung und Neuauslegung, welche das Design, was Handhabung und Klangschöpfung angeht, zu neuer definitiver Höhe führen soll.
Technik: Für den in 3-Tone-Burst lackierten Korpus der Classic JM wurde Erle aus zwei Teilen mittig gefügt und mit großzügigen Konturen auf der Decke für die Armauflage und am Boden für die perfekte Anlage und Ausrichtung am Spieler versehen. Ein zusätzlicher Kehlschnitt im Cutaway unten erleichtert den Zugang zu den hohen Bünden.
Der konventionell über vier Schrauben mit Stahlplatte eingebrachte Hals aus Ahorn mit 60s-C-Vintage-Standard-Profil sitzt passgenau und vollkommen spielfrei in seiner Korpustasche. Im Aufnahmebereich bekam der Korpus hinten eine leichte Abflachung zur zusätzlichen Spielerleichterung. Der mit einem Satin-Finish versiegelte Hals bekam ein Griffbrett aus indischem Palisander mit Compound Radius von 10″-14″ aufgesetzt. 22 Medium-Stainless-Steel-Bünde zeigen perfekte Verarbeitung mit bestens verrundeten Kanten. Dots markieren die üblichen Lagen.
Suhr nennt das Kopfplatten-Design bei diesem Modell hybrid: der Kopf ist etwas großzügiger geschnitten, lässt die firmentypisch pointierte Form aber per Kehlschnitt hervortreten. Suhr-Locking-Tuner mit gestaffelten Zylinderlängen sorgen für ausreichenden Andruck auf den Tusq-Sattel, über den sie in geradem Zug in 648 mm Mensurlänge hinüber zur an drei Federn aufgehängten Gotoh-510-Vibrato-Bridge mit Einsteckarm, einzeln justierbaren Bugblechreitern und Stahlblock geführt werden, das angestützt an zwei Schraubbolzen im Messerkantenprinzip arbeitet – ein bewährtes System.
Elektrik: Zwei Suhr SSV Humbucker sind mit ihren Chrome-Kappen in Hals- und Stegposition auf das großflächige Pickguard geschraubt. Der Toggle Switch zur klassischen Anwahl der Pickups ist oben auf das Schlagbrett gesetzt, zur Kontrolle stehen hinten unten ein generelles Volume-Poti und zwei Tonregler zur Verfügung. Die Potiknöpfe sind bei der Classic JM etwas tiefer als etwa bei der Fender Jazzmaster und damit aus dem Schlagweg heraus positioniert, was mancher Spieler begrüßen wird. Dennoch ist die Arbeit mit dem kleinen Finger (Violining) kein Problem.
Was den Verarbeitungsstatus angeht, kann man von Suhr nur das absolut Beste erwarten. Diesem Anspruch wird auch die vorgelegte Testgitarre wieder einmal ohne jede Einschränkung gerecht.
Ergonomisch stark – elektrisch schlagend
Im Prinzip liegt mit der Suhr Classic JM ein traditionell konstruiertes, aber absolut pointiert gefertigtes Instrument vor, das kritische Punkte des zitierten Fender-Modells (Tremolo Bridge mit flacher Saitenführung, Schalt-/Regelmimik) einfach ausschließt und ihm mit Humbucker- Bestückung und funktionsstarkem Gotoh 510 Tremolo zu beachtlicher Schlagkraft verhilft, rundum konventionell, aber funktional perfekt!
Der asymmetrisch gestaltete und ergonomisch optimal ausgeformte Korpus geht, was den kaum noch zu übertreffenden Spielkomfort betrifft, Hand in Hand mit dem ausgesprochen fluffig profilierten Hals der Classic JM. Perfekt gewichtet in Breite und Tiefe, dazu die vorbildlich abgeglichene und kantenrunde Bundierung mit mittelstarken, so gut wie verschleißfreien Edelstahlbünden im Palisandergriffbrett mit aufsteigend flacher werdendem Compound-Radius – da bleiben einfach keine Wünsche mehr offen.
Die stimmige Konstruktion tritt mit einem kerngesunden Basistonverhalten auf, das die substanzielle Artikulation einzelner Töne zu tief und plastisch durchzeichneten Akkorden zusammenzufassen vermag. Die schon bei einzeln angeschlagenen Noten deutlich das Tonbild belebenden harmonischen Obertöne bestimmen insbesondere das intensive Farbambiente von Mehrklängen. Was in der Beschreibung etwas theoretisch klingt, äußert sich aber ganz praktisch in atmenden Sounds, die wie beseelt öffnen.
Diese bemerkenswerte innere Schubkraft bringen die Suhr-SSV-Humbucker verstärkt besonders effektiv zur Geltung. Mit maßvollem Output übertragen sie Klänge kraftvoll und sauber aufgelöst zugleich. Der Humbucker am Hals stellt Akkorde in der schönen Melange von knackigem Bass, gerundeten Mitten und besonders freien Höhen heraus. Bei gutem Volumen und ordentlichem Tiefgang bleibt dank eines drahtigen inneren Kerns stimmlich stets alles klar definiert und doch harmonisch rund geschlossen. Damit hat der Spieler von straff rhythmischem Comping-Attack bis hin zu differenziertem Akkordspiel alle Optionen auf der Hand. Gehen wir in den Overdrive-Kanal, liefert die Classic JM mit knochentrockenen Powerchords und ausdrucksstarken Linien ebenfalls ein überaus souveränes Bild. Die Ansprache unter Zerrbedingungen scheint nochmals leichter, der Ton schnellt schon bei leichtem Anschlag willig vor, lässt sich mit dem Plektrum in Intensität des Zerrgrads und Farbe bestens steuern – perfekt!
Der Steg-Pickup wartet wie sein Kollege mit sauberer Saitentrennung und schlüssigem Akkordbild auf. Schlank und drahtig im Bass, wenig komprimiert im Mittenbereich und mit guten Höhen ausgestattet, stellt auch dieser Humbucker die Stärken der Classic JM heraus: ausgeglichene Stimmverteilung im Akkord und akzentuiertes, dynamisch effektiv zu steuerndes Anschlagsverhalten. Auf dieser Grundlage ist auch in Gain- Positionen pures Gold zu schürfen. Die Perkussion der Anschlagsspitzen bekommt in höheren Betriebsarten etwas Gefährliches, das es mutig zu packen gilt (nur keine Angst, wir pinkeln hier ja nicht an einen elektrischen Zaun). Entschlossenheit jedenfalls belohnt die Suhr mit kongenialer Angriffslust. Trocken aufreißend im Bass und mit perfektem Respons der hohen Saiten, Eigenschaften, die das Wechselspiel zwischen diesen beiden Opponenten geradezu befeuern. Und wer einem Ton gerne lange hinterher schaut, der kommt dank des ebenmäßigen Tonverlaufs fraglos auch auf seine Kosten.
Wie eigentlich immer, so führt auch die Gewaltenteilung der Pickups bei der JM in Mittelposition des Schalters zu sehr schön aufgeräumten, frisch und offen perlenden Klängen, die in allen Amp-Positionen deutlich mehr sind als nur hübscher Bonus.
Über die Gotoh 510 Tremolo Bridge selbst ist am Ende an sich nichts Neues zu berichten. Die bewährte Vibrato-Einheit arbeitet ohne spürbare Klangeinschränkung gewohnt zuverlässig, wenn sie, wie hier gegeben, mit geradem Saitenzug zwischen den Wickelzylindern der Tuner und gut ausgefeilten Sattelkerben in Funktion gebracht wird. Auf die Vorbild gebende Jazzmaster bezogen aber kann man hier von einer deutlichen Verbesserung in Sachen Spielpraxis und Handhabung sprechen.
Resümee
Mit dem Modell Classic JM weist Suhr wieder einmal sein Gespür für die zeitgerechte Überhöhung von im Grunde konservativ ausgelegten Gitarren- Formen nach. Beim ursprünglichen Offset Guitar Design hakte es noch an verschiedenen Stellen, es richtete sich wohl auch an die falsche Kundschaft, wartete aber bereits mit den richtigen Formgebungen für besten Spielkomfort auf. Bewährte Merkmale wie die Schraubhalskonstruktion und eine vergleichbare Tonholzkombination finden wir bei der Suhr ebenfalls wieder.
Also auch nur eine Gitarre mit sechs Saiten und zwei Humbuckern? Schon richtig, aber den entscheidenden Unterschied macht die Konsequenz der Definition und Vertiefung mit der die Classic JM auf den Punkt gezogen wurde. Allein schon die Halsoptimierung mit Bundierung aus Edelstahl im Compound-Griffbrett und das funktionsstarke Vibrato- System bringen das Design enorm nach vorn und die genannten Humbucker sorgen für elektrische Grandezza, führen natürlich aber auch klangfarblich in eine andere Welt, als vom Urmodell angestrebt. Mit der Classic JM lassen sich jedenfalls alle möglichen musikalischen Türen öffnen. Dieses Suhr-Modell ist von grundlegender Stärke, flexibel auslegbar in jeder Hinsicht und damit ein absolut professionelles Arbeitsgerät.