"The flavour is in the fat"

Interview: Popa Chubby

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(Bild: Cristina Arrigoni)

Der New Yorker Gitarrist, Sänger und Songwriter, geboren als Ted Horowitz, hat in zahllosen Bands gespielt, bevor er den Blues für sich entdeckte und durch Altmeister wie B.B. King, Albert King, Stevie Ray Vaughan und Johnny Winter seine eigene Spielart fand. Seit dem hat sich der „big boy“ aus der Bronx, Jahrgang 1960, mit seinem Blues-Rock, authentischen Sounds und beneidenswertem Vintage-Equipment eine globale Fan-Gemeinde erspielt.

Zuletzt feierte er mit seinem Longplayer ‚It’s A Mighty Hard Road‘ und einer ausgedehnten Tour sein 30-jähriges Bühnenjubiläum.

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Gratulation zu 30 Jahren! Was kommt dir beim Blick zurück als Erstes in den Sinn?

Oh Mann! Ich habe so viel erlebt, da ist es unmöglich einen Moment herauszustellen. Ich durfte viele bewundernswerte Menschen und Musiker kennenlernen wie Peter Green, Johnny Winter oder Hubert Sumlin. Ich kann nur sagen, dass ich mich jeden Tag freue Musik machen zu dürfen und dass die Leute mich mögen! Keine Ahnung, warum.

Dein Jubiläums-Album heißt ‚It’s A Mighty Hard Road‘ und sollte ursprünglich ein vertontes Kochbuch werden. Der Opener heißt bezeichnenderweise ‚The Flavour Is In The Fat‘!

Ich koche für mein Leben gern, da macht das Sinn, oder? Es ist eine Allegorie auf mein Leben und meine Musik. Wenn ein Stück Fleisch zu mager ist, schmeckt’s einfach nicht! In der Musik ist das ähnlich: Ein Gitarrist mag eine blitzsaubere Technik drauf haben, schafft es aber nicht, dich zu berühren. Und dann hörst du einen Typ der nur eine Note spielt, aber die bringt dich zum Heulen!

Du hast alle Songs in deinem Homestudio selbst eingespielt. Wie ist deine Herangehensweise?

Zuerst geht es immer darum, wer vor dem Mikrofon steht und nicht um das Mikrofon selbst! Das ist das Wichtigste! Ich hab eine ziemlich große Sammlung alter Mikros, Gitarren und Verstärker. Allein meine Mikrofonsammlung aufzuzählen würde den ganzen Abend dauern! Hast du so viel Zeit? (lacht) Aber als Essenz: Ein guter Tontechniker kann mit jedem Equipment seine eigene Handschrift finden und eine tolle Platte aufnehmen. Es ist der Zauberer, der die Magie macht, nicht sein Zauberstab! (lacht)

Du coverst ‚Kiss‘ von Prince. Hätte man nicht unbedingt von dir erwartet.

Prince war der beste Gitarrist unserer Zeit! Wirklich! Egal, was er musikalisch machte und wie sich sein Stil veränderte – er war zuallererst Gitarrist. Wenn du seine Songs analysierst, wirst du es merken. ‚Kiss‘ habe ich jedenfalls für meine Freundin gecovert, als kleine Überraschung. Und später sagte jeder, diese Version müsse unbedingt aufs Album.

Wie hat sich dein Songwriting entwickelt und damit dein Spiel?

Ich habe anfangs in vielen Bands gespielt, Rock, Punk, Hardcore, alles Mögliche. Als ich dann den Blues entdeckte, fühlte es sich erstmals richtig an. Anfangs stellte ich mir die Frage: Ist das authentisch, was ich da spiele? Aber dann spürte ich, dass es egal ist, was ich spiele, solange ich mir selbst treu bleibe. Also gab ich mir die Freiheit zu spielen, was immer ich fühle.

Und wie haben sich dein Spiel und dein Equipment im Laufe der Jahrzehnte verändert?

Ich hab in den kleinen Bars New Yorks angefangen. Damals wohnte ich im vierten Stock und musste mein Equipment selbst schleppen. Ich suchte deshalb einen kleinen Combo und entschied mich für einen Fender Deluxe Reverb, den ich heute noch habe. Als ich erfolgreicher wurde, leistete ich mir einen Fender Super Reverb, weil ich gehört hatte, dass Stevie Ray Vaughan diesen Amp gespielt hat. Ein toller Verstärker mit 4×10“-Speakern und nicht zu laut. Auch den besitze ich noch, ein 1969er Silverface. Als ich begann weltweit zu touren bekam ich einen Deal mit Fender und sie gaben mir zwei ‘65 Twin Reverb Reissues. Die meisten Tontechniker hassten mich, weil ich unglaublich laut war! (lacht) Auf dieser Tour habe ich einen Fender ‘65 Twin Reverb Reissue und einen Marshall JCM 900 dabei. Das wird sich aber bald ändern. Ich bin in Kontakt mit den Jungs von Kelt Amps in Frankreich. Sie brachten einen ihrer Verstärker zu einem Gig von mir mit, ein 50-Watt-Head mit 6L6-Röhren und zwei Kanälen. And this amp killed me! Der klingt warm, weich und laut. Großartig!

Tour-Power: Marshall JCM 900 Halfstack, daneben ein Fender Twin Reverb Reissue
Pedalboard (v.l.n.r.): Wampler Tape Echo, MXR Univibe, Maxon OD808 Overdrive, MXR Phase 95, Dunlop CBM95 CryBaby Mini Wah

Du spielst sowohl Fender- als auch Gibson-Gitarren, also Instrumente mit unterschiedlichen Mensuren, Halsprofilen, Griffbrettradien, Klangkonzepten und Pickups. Wonach entscheidest du, damit du dich wohl fühlst?

Reine Gefühlssache. Hör dir Jeff Beck an: Er klingt immer genial, ob Strat, Tele oder Les Paul. Er ist einer der besten Gitarristen aller Zeiten. Für mich war das auch nie eine Frage. Es gibt Fender-Hälse, die ich hasse. Die können völlig verschieden sein. Teles aus den 50ern haben einen Hals wie ein Baseball-Schläger. Anfang der 60er-Jahre sind sie dann wieder so dünn, dass ich Ähnlich ist es bei Gibson: Ich habe eine 1956er Les Paul Custom Black Beauty. Sie hat einen leichten V-Neck, der wundervoll ist! nicht darauf spielen mag. Am liebsten mag ich mittlere C-Profile. Die Handwerkskunst von Gibson war in den 50er-Jahren wirklich phänomenal.

1966er Fender Stratocaster Sunburst – ohne Sunburst. Mit zwei Fender Stacked Singlecoils und Seymour Duncan Little ‘59 in Bridge-Position. (Bild: Stefan Woldach)

Auf Tour spielst du seit Jahren deine 1966er-Stratocaster.

One man, one guitar! Das ist eine Sunburst, auch wenn vom Finish nicht mehr viel übrig ist. Sie ist ziemlich ramponiert. Aber sie ist meiner Meinung nach die beste Gitarre der Welt. Sie hat mich nie im Stich gelassen, hält die Stimmung perfekt, ist traumhaft bespiel­bar und klingt von Jahr zu Jahr besser. OK, sie ist inzwischen vier­mal bundiert worden, aber das ist nun mal so. Sie hat zwei Fender Stacked Singlecoils und einen Seymour Duncan Little ’59 Humbu­cker an der Bridge-Position, wenn ich wieder mal meine, wie Eddie Van Halen klingen zu wollen! (lacht)

Was hast du noch in deiner Sammlung?

Hast du Zeit? (lacht) Ich habe viele wundervolle Strats und Teles aus den 50er- und 60er-Jahren, die ich jedoch nicht mit auf Tour neh­men würde. Übrigens: Ein Satz zu den Fender-Custom-Shop-Gitar­ren: Ich höre immer wieder: “They’re just like the real thing!” Rich­tig: Sie sind fast wie das Original. Aber eben nur fast! Wenn du eine alte Stratocaster spielst, fühlst du den Unterschied. Du verstehst plötzlich, warum sie so gesucht sind. Ich wünschte, ich hätte mir ein paar Strats aus den 50ern gekauft, als sie noch erschwinglich waren.

Du besitzt auch einige Gibsons, unter anderem Les Pauls und Juniors aus dieser Zeit.

Und einige Acoustics! Ich habe eine L-1 Archtop von 1902 mit einem Mahagonikorpus und einem sensationellen V-Neck – eine wunder­volle Parlor-Gitarre. Sie spielt sich hervorragend! Dann habe ich eine Harp-Guitar von 1914, die braucht allerdings noch eine Menge Arbeit um sie spielbar zu machen. Flip Scipio, der Bob Dylans Gitar­ren betreut und repariert hat (auch die von Jackson Browne, Leni Stern u.a.), wird sie mir herrichten. Dann habe ich noch eine blonde 1949er ES-5 mit drei P-90-Pickups. Eine Gitarre wie ein Cadillac! Sehr lange gebraucht habe ich, um drei wirklich gute Les Pauls in TV Yellow zu finden, und zwar als SG Special, Junior und Double Cutaway, letztere von 1961 mit einem Wraparound-Tailpiece.

Und Verstärker?

Das Goldstück meines Homestudios ist ein 1959er Fender High Power Tweed Twin, wie ihn auch Keith Richards, Ronnie Wood und Neil Young spielen. Dieser Amp und meine 1964er-Stratocaster, die ich aus dem Nachlass von Robert „Bob“ Quine (1942-2004, u.a für Lou Reed, Tom Waits, Lloyd Cole) habe, klingen zusammen unfassbar! Zwei weitere wichtige Amps sind meine Fender Princetons, einer von 1964, der andere von 1965. Nicht zu vergessen mein 1952er Tweed Twin.

Einer deiner neuen Songs heißt ‘The Best Is Yet To Come‘: Was würdest du gerne noch erreichen?

Ich bin ein unerschütterlicher Optimist. Ich glaube an den friedli­chen Fortbestand der menschlichen Rasse. Menschlichkeit wird sich auszahlen und am Ende siegen. Die meisten Menschen sind im Herzen doch ziemlich OK!

Vielen Dank fürs Gespräch!

(Bild: Cristina Arrigoni)

Diskografie

  • It’s Chubby Time (1991)
  • Gas Money (1993)
  • Booty And The Beast (1995)
  • The First Cuts (1995)
  • Hit The High Hard One Live (1996)
  • One Million Broken Guitars (1997)
  • The Best Of Popa Chubby (1998)
  • The Best Of Popa Chubby Live (1998)
  • Brooklyn Basement Blues (1998)
  • One Night Live In NYC Live (1999)
  • How’d A White Boy Get The Blues? (2000)
  • Flashed Back (2001)
  • The Good, The Bad And The Chubby (2002)
  • Black Coffee Blues Band (2002)
  • The Hungry Years (2003)
  • 2003: Old School (2003)
  • Live At Fip (2004)
  • Peace, Love & Respect (2004)
  • Wild Life! (2005)
  • Big Man Big Guitar (2005)
  • Ten Years With Popa Chubby (2005)
  • Stealing The Devil’s Guitar (2006)
  • 2006: Electric Chubbyland (2006)
  • Deliveries After Dark (2007)
  • 2008: Vicious Country (2008)
  • The Fight Is On (2010)
  • Back To New York City (2011)
  • Universal Breakdown Blues (2013)
  • I’m Feelin’ Lucky (2014)
  • Big, Bad And Beautiful (2015)
  • The Catfish (2016)
  • Two Dogs (2017)
  • It’s A Mighty Hard Road (2020)

(erschienen in Gitarre & Bass 03/2020)

Kommentar zu diesem Artikel

  1. Da habe ich ihn wohl in einer schlechten Phase erwischt. Als er vor Jahren bei uns in Linz, Oberösterreich, war hat er auf der Bühne seine Musiker niedergemacht, das Publikum beschimpft und ist schließlich, als er sich selbst ans Schlagzeug setzte, dort dilletiert und die Becken umgeworfen hat, hinausgepfiffen worden.
    Schlechtestes Konzert ever.

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