(Bild: Franz Holtmann)
Heute ist Epiphone den meisten Spielern nur noch als Hersteller preiswerter Versionen populärer Gibson-Designs bekannt, einst aber gehörte Epiphone zu den führenden amerikanischen Herstellern von hochwertigen Archtops…
Als die New-Yorker-Firma Mitte der 50er-Jahre finanziell ins Schlingern geriet, konnte Gibson sich den lästigen Konkurrenten einverleiben. Die griechischstämmige Familie Stathopoulo, deren Geschichte des Instrumentenbaus bis ins Jahr 1873 zurückreicht, war 1903 nach Amerika ausgewandert und hatte sich in Queens/New York niedergelassen. Firmengründer Anastasios Stathopoulo blieb der alten Heimat verbunden und fertigte unter seinem Namen weiterhin Instrumente mit griechischem Bezug, wie Bouzoukis und Mandolinen. Nach seinem Tod 1915 übernahm Sohn Epaminondas, Rufname Epi, das Geschäft und begann 1924 mit der Produktion von Banjos. Schon bald wurde der Firmenname Epiphone Banjo Company eingeführt und bereits 1928 widmete man sich dem ambitionierten Gitarrenbau, der Anfang der 30er-Jahre mit den Archtops der berühmten Masterbuilt Line erste Erfolge feiern konnte.
(Bild: Franz Holtmann)
1935 wurde der Name in Epiphone Inc. geändert und das Programm um elektrifizierte Archtops und Verstärker erweitert. Unter dem Namen Electar bot man aber auch noch andere elektrifizierte Instrumente an, etwa hawaiianische Lap Steels. Schon 1939 hatte Epiphone Modelle wie Century, Coronet oder Zephyr mit Pickups ausgerüstet und der findige Epiphone-Entwickler Herb Sunshine entwickelte bereits 1937 mit dem „TruBalance“-Pickup, einen Tonabnehmer mit einzeln justierbaren Polschrauben, der fortan die zuvor verwendeten Horseshoe Pickups ersetzte. Am Ende des Jahrzehnts hatte sich Epiphone zu einem ersthaften Konkurrenten für die bis dahin im amerikanischen Gitarrenbau führende Gibson Company entwickelt.
Der weitsichtige, aber auch dem rauschenden Nachtleben sehr zugewandte Geschäftsmann Epi Stathopoulo starb 1943 an Leukämie, das Geschäft wurde von seinen Brüdern Orphie und Frixo übernommen. Nach dem Krieg lief die Produktion von elektrischen Archtops zunächst noch erfolgreich, Single Cutaway Archtops wie Emperor oder DeLuxe wurden eingeführt und prominente Spieler wie George Van Eps, Al Caiola oder Oscar Moore unterbauten den hohen Status der Firma. Mit Beginn der 50er-Jahre aber begann der Stern von Epiphone zu sinken, nicht zuletzt ausgelöst durch einen Streik, der zu viermonatigen Produktionsausfällen in der New-Yorker-Fabrik führte.
Epiphone verlegte seine Fertigung daraufhin nach Philadelphia, wo man mit Prototypen elektrischer Solidbody-Gitarren zu experimentieren begann, die es allerdings nie zur Produktionsreife schafften. Mit dem Tod von Frixo Stathopoulo 1957 endete dann die Unabhängigkeit von Epiphone.
Gibson erwarb Epiphone im Mai 1957 und war eigentlich vor allem an deren Kontrabassproduktion interessiert. Am Ende des Tages hatte man dann aber die gesamte Firma mit allem Inventar an Maschinen, Gitarren, Bässen, Amps, Parts etc. für nur 20.000 Dollar übernommen und versetzte die gesamte Produktion nach Kalamazoo, Michigan. Der schlaue Gibson-Chef Ted McCarty machte Epiphone zu seiner zweiten Linie, vornehmlich um drängende Händler zu beliefern, die durch Vertragshändlerbindung nach damaligem Handelsrecht nicht mit Gibson- Gitarren versorgt werden konnten.
Bereits 1958 wurde ein umfassendes Programm an akustischen wie elektrischen Gitarren und Kontrabässen unter dem Namen Epiphone vorgestellt, das zwar auf noch vorhandene Parts aus dem Epi- Inventar und auch auf Namen älterer Modelle zurückgriff, aber dennoch keine Fortführung der Firmentradition von Epiphone darstellte. Immerhin wurden die neuen Epiphones nun in Kalamazoo von bewährten Fachkräften mit den identischen Materialien wie die Gibson-Gitarren auch gefertigt. Die Qualität dieser frühen Bauphase der Epiphones stand also jener von Gibson-Gitarren kaum nach. Mitte der 1960er-Jahre machten Epiphone-Instrumente schon etwa ein Drittel von Gibsons Gesamtproduktion aus.
(Bild: Franz Holtmann)
Zu vielen Gibson-Modellen gab es ein Äquivalent in der Epiphone-Reihe. Bei den höherwertigen Ausführungen war der größte und augenfälligste Unterschied die Montage von Mini-Humbuckern anstelle der Full-Size-Doppelspuler bei Gibson. Weiteres Charaktermerkmal war das Frequensator Tailpiece, designed vom oben schon genannten Epiphone-Erfinder Herb Sunshine.
Top-of-the-Line machte das Epiphone-Thinline-Modell Sheraton mit zusätzlicher exklusiver Ausstattung in Form von aufwendigen Griffbretteinlagen, Multi-Bindings, goldener Hardware und dem schönen floralen Inlay auf der Kopfplatte Gibsons Spitzenmodell ES-355 durchaus ernsthafte Konkurrenz. Auch war sie teurer als eine Gibson ES-335.
(Bild: Silvertone Records)
Vermittler zwischen Blues und Rock
Vorzeigespieler für die Epiphone Sheraton war Bluesman John Lee Hooker, sehr schön portraitiert auf dem Cover des Albums ‚Mr. Lucky‘. John Lee spielte den Großteil seiner Karriere auf Epiphone- Gitarren und nannte seine Sheraton gerne „an outdid 335“, also die bessere 335. Aber natürlich beschränkte sich die hübsche Sheraton nicht auf Blues-Spieler, sie machte auch Rocker an, wie etwa Jorma Kaukonen (Jefferson Airplane, Hot Tuna) bis hin zu Noel Gallagher von Oasis, der ein überaus gutes Verhältnis zu späteren Epiphone-Gitarren entwickelte und unter anderem eine Sheraton 2 mit den alten Ausstattungsmerkmalen spielte. Sein berühmtes Union-Jack-Modell mit Full-Size-Humbuckern und Stop Tailpiece hatte mit der 60er-Sheraton oder auch der vorgenannten Reissue-Version (Mini-Humbucker, Frequensator Tailpiece) eher weniger zu tun. Das Modell Sheraton wurde offiziell nicht vor 1965 in Cherry Red gebaut, Ausnahme war ein kleiner Run von 1962. Ein Vibrato wurde optional ab 1961 angeboten.
Das abgebildete Modell von 1967 aus Gregor Hildens Sammlung erweist sich als famoser Vertreter der späten Epiphone-Phase. Wie alle Hälse der Gibson-Gitarren die nach 1965 das Werk in Kalamazoo verließen, ist auch dieser am Sattel nur etwas mehr als 40 mm breit, öffnet sich aber schnell nach oben hin, sodass am 5. Bund bereits fast 46 mm erreicht sind, was die Handhabung absolut komfortabel macht. Elektrisch lassen die Mini-Humbucker wirklich nichts vermissen. Der Hals-Pickup überträgt die Saitenschwingungen volltönend, keinesfalls schmalbrüstig, eher elegant. Dem Steg-Pickup können wir schon eine schlanke Tonwandlung nachsagen, dennoch sind über ihn ebenfalls kraftvolle Sounds von eigenem Charme und Charakter zu erzielen. Die Mittelposition wurde mit einer bei Blues-Spielern beliebten Out-of-Phase-Schaltung (Peter Green) modifiziert, was den bekannten schmalbrüstig crispen Ton mit starken Auslöschungen erzeugt. Diese lassen sich dann mit beiden Volume-Potis stufenlos wieder aufheben, was schöne In-between-Sounds ermöglicht.
Statistik
Produziert wurden im Verlauf der 60er-Jahre Modelle mit Vibrato (308) und ohne Vibrato (320) zu fast gleichen Teilen. Die Sheraton gehört zu den eher selten zu findenden Gitarren. Preise am Vintage-Markt beginnen bei etwa $ 7000 für Modelle aus der zweiten Hälfte der 60er-Jahre und reichen für die wenigen blonden Exemplare der frühen Phase auch schon mal bis zu $ 25.000 hinauf. Auch wenn es bei solch stolzen Preisen eher ums Sammeln denn ums Spielen geht, muss man der Epiphone Sheraton in Summe doch den Status einer High-End-Thinline-Semiacoustic unbedingt zugestehen.
(erschienen in Gitarre & Bass 10/2019)
Schöner Bericht über meine Epi. Danke Franz!
Eine kleine Korrektur möchte ich noch anfügen: Die Out-Of-Phase-Schaltung für die Mittelposition ist hier tatsächlich original und nicht nachträglich gemacht worden. Das hat es in dieser Form bei vielen Sheratons und Rivieras aus dieser Zeit so gegeben – und ergibt auch einen super charmanten Sound.
Danke für diesen informativen Artikel. Ich finde Euren Newsletter wirklich super und empfehle ihn auch immer wieder auf meiner Facebook Site und in meinem Newsletter… 🙂
Nachmals gracias!
Lieber Franz. Was für ein schöner Artikel. Wer sonst kann die Geschichte des Gitarrenbaus besser und liebevoller weitertragen. Ich habe die Al Caiola im 100% Original Zustand und liebe sie pur gespielt. Herzlichen Dank und Gruß
vom Guitardoc
Ein schöner Bericht, aber neben der Beschreibung von Geschichte und Sound wäre es auch schön, etwas über konstruktive Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erfahren, z.B. Bauarten und Materialien (verwendete Holzarten, Tailpiece, Mensur, Bridge) und Mensur zu erfahren.