Bei Alvar soll es sich um einen Elfenkrieger aus der norwegischen Mythologie handeln, nicht so groß, trunksüchtig und wild wie die übrigen Wikinger, aber eben doch ein wendiger Kämpfer. Dem stattlichen Semiacoustic-Modell Viking stellt Hagstrom mit der Alvar nun also noch eine kompakte Streitaxt an die Seite.
Die Alvar wird in Hagstroms modernem Hauptwerk in China unter der Leitung von Gitarrenbauer David Lee gefertigt und ist neben Swedish Frost auch noch in den Farben Black Gloss und Wild Cherry Transparent zu haben.
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Kompakter Wikinger
Mit der Hagstrom Alvar liegt uns ein kompakt gebautes Double-Cutaway-Modell zum Test vor, eine Halbresonanz mit den Genen der altbewährten Viking, nur halt etwas eingeschrumpft. Wie beim großen Schwestermodell besteht auch der Korpus der Alvar aus drucklaminiertem Ahorn, allerdings wurde er schlanker und pointierter gestaltet. Die leicht gewölbte Decke ist von einem mehrschichtig unterlegten schwarzen Binding eingeschlossen, die zwei f-Löcher sind wie der Boden einfach eingefasst.
Der mit langem Halsfuß (Long Mortise & Tenon Methode) in den Korpus eingeleimte Hals aus kanadischem Ahorn dagegen wartet mit uneingeschränktem Aktionsradius auf, denn er bietet die gewohnte Größe mit durchaus kraftvoll dimensioniertem Slim-D-Profil und 22-Bund-Tonumfang bei 628-mm-Mensur. Wie alle Hagstrom-Gitarren, so verfügt auch die Alvar über ein Griffbrett aus sogenanntem Resinator Wood mit 15″ Radius. Es handelt sich dabei um einen drucklaminierten Holz-Verbundwerkstoff von sehr dichter und stabiler Struktur, welche die gewöhnlicher Tonhölzer deutlich übertrifft. Zusammen mit dem leichten, absolut verwindungssteifen Hagstom H-Expander Halsstab wird dieses Material mit verantwortlich gemacht für den charakteristischen Hagstrom-Sound. Perloid Block Inlays und gut verarbeitete 22 Medium Jumbo Frets teilen sich dann noch den Raum auf dem schwarzen Griffbrett.
Der abgewinkelte Kopf von firmentypischem Zuschnitt trägt die Hagstrom-Lilie auf seiner schwarzen Front. Die Mechaniken mit 18:1 Übersetzung erinnern an die Originale der 60er-Jahre, sind aber mit etwas kleineren Flügeln komfortabler zu bedienen. Als Sattel wurde eine Graph-Tech Black Tusq XL Nut verbaut; am Korpus laufen die Saiten über die Longtravel T-O-M Bridge zum Hagstrom Trapez Saitenhalter.
Die Elektrik umfasst zwei in schwarzen Rähmchen auf die Decke montierte Hagstrom HJ50 Humbucker mit Alnico-5-Magneten in verchromten Kappen, die sich von individuellen Volume-Reglern mit R/C-Schaltung (Resistor/Capacitor – Treble Bleed Mod) und zwei Klangreglern kontrollieren lassen. Angewählt werden die Tonabnehmer ganz konventionell über einen auf das obere Horn gesetzten 3-Wege-Schalter. Alles also so überschaubar funktional handhabbar wie beim bewährten Viking-Modell.
Die Verarbeitung der Gitarre können wir in jeder Hinsicht tadellos nennen und für die spielgerechte Einstellung vor der Auslieferung vom deutschen Vertrieb gibt es einen Extrapunkt.
Im Gefecht
Diese kleine nordische Streitaxt macht was her, keine Frage. Mit ihrem kompakten Korpus bei angenehm leichtem Gewicht richtet sie sich am Gurt gut aus, auch wenn die leichte Kopflastigkeit nach einem breiten Gurt verlangt. Mit aufgelegtem Arm ist das aber kein Problem und schon sind wir im Geschäft. Die Alvar springt akustisch angespielt schon recht laut und präsent vor. Ihr leicht metallischer Sound ist auf die zwischen Tune-o-matic Bridge und Saitenhalter mitschwingenden Saiten zurückzuführen. Man kann das auch Ambiente nennen. Ansonsten dominiert eine klare Artikulation mit guter stimmlicher Transparenz im Akkord und die sehr direkte und offensive Ansprache.
Mit seinem Slim-D-Profil – dem Slim im Namen will es nicht wirklich gerecht werden, ist es doch eher von gut ausgebauter Schulterweite und gar nicht mal so dünn – fällt der Hals dieser Gitarre uns eher satt in die Hand und lässt sich bei einer Sattelbreite von gut 43 mm einfach rundum gut spielen.
Am Amp erweisen sich die HJ50-Alnico-5-Humbucker als die bewährt seriösen Tonwandler, wie wir sie bereits aus der Viking kennen. Vom Output her eher moderat ausgelegt, wandeln sie das akustische Potential der Alvar in sauber aufgelöste Klänge mit guter Saitentrennung.
Der Hals-Pickup vermittelt Akkorde tiefgreifend und stimmlich sauber gestaffelt ohne auffällige Präferenzen im Frequenzbild. Das ist nicht zuletzt den bestens gewichteten Bässen zu danken, die mit ihrer leicht knochigen Note ein gesundes Fundament für plastisch artikulierende Mehrklänge mit warmen Mitten und offenen Höhen setzen. Der perkussiv herausgestellte Anschlag sorgt für den dezenten semiakustischen Aspekt. In Gain-Schaltungen erfährt dieses pointierte Attack-Verhalten dann aber noch eine gewisse Zuspitzung. Die jedenfalls verleiht Linien plastische Gestalt und sorgt für melodische Griffigkeit. Im Grunde tönt das alles recht gefällig und ist klanglich nicht besonders auffällig, dafür sind diese eher traditionell angelegten Basis-Sounds aber vielfältig auslegbar.
Schalten wir auf den Steg-Humbucker, so schalten wir Extra-Licht zu und der Sound macht einen Sprung vor. Das Klangvolumen schrumpft keineswegs ein, nimmt aber an Präsenz recht deutlich zu. Der vornehmlich um Bassanteile und Tiefmitten reduzierte Klang bekommt über die mehr herausgestellten Mitten etwas fokussiertes und in die Spitze drückendes, was sich im Bereich Klarklang für spritzige Funk-Rhythmen ebenso gut wie auch für strahlende Akkordauflösungen nutzen lässt, denn die Höhen zeigen immer noch achtbares Format. Wiederum ist der präzise und wendige Respons auf den Anschlag zu loben, eine dynamische Flexibilität, die sich vor allem wieder unter Zerrbedingungen beweist. Der oben geprägte Begriff von der kompakten Streitaxt wird im Overdrive mit Nachdruck bestätigt. Mit dem sensibel ansprechenden, aber auch kraftvoll aufreißenden Ton lässt sich pointiert operieren.
Egal ob Powerchord Comping, Heavy Riffing oder exaltiertes Solospiel, die Alvar erweist sich als das erhofft wendige Arbeitsgerät, mit dem sich ihr Spieler auch in komplexen Zusammenhängen problemlos durchzusetzen vermag.
In der Mittelstellung des Pickup-Schalters liegt dann mit der Zusammenschaltung der beiden Humbucker auch noch ein sehr höhenpräsenter, leicht hohler und irgendwie entschlackter Sound an, der das Klangangebot stimmig erweitert und mit luftigem Gestus in allen Betriebsarten eine aufregend gute Figur macht.
Zum Schluss noch: Dank der R/C-Schaltung (Treble Bleed Mod) bleiben die Höhen beim Herunterregeln der Lautstärke weitgehend erhalten, der Ton erhält sich damit seine Vitalität.
Resümee
Die Hagstrom Alvar stellt eine gute Alternative zum vollformatigen Viking-Modell dar. Die kompakt gestaltete semiakustische Gitarre lässt sich im Vergleich zur großen Schwester komfortabler handhaben, bietet aber im Prinzip die gleiche Ausstattung und über ihren toll geformten Hals auch den vollen Aktionsradius. Neben lobenswert guten Spieleigenschaften wartet der kleine Elfenkrieger aber auch noch mit höchst dynamischer Beweglichkeit und einer besonders pointierten Tonumsetzung auf, Eigenschaften, die von den gut klingenden HJ50 Humbuckern direkt und effektiv herausgestellt werden. Besonders über den angriffslustigen Steg-Pickup lässt sich hier eine scharfe Klinge führen.
Gut gedacht, gut gemacht: mit dem klaglos sauber verarbeiteten Modell Alvar ergänzt Hagstrom sein Programm um ein weiteres effektiv zugeschnittenes Instrument, das zu einem günstigen Preis mit überraschend vitalem Temperament und starker elektrischer Kraft beeindruckt. Ausprobieren!
Danke für das Review. Bestätigt meine eigene Wahrnehmung als Besitzer der allerersten Alvar in Deutschland, gekauft und seitdem gerockt im Juni 2019.