Der chinesische Hersteller Eastman überzeugt schon seit Längerem mit gediegener Handwerkskunst in seinen geschmackvollen eigenen Designs und das passt so gar nicht in das weit verbreitete Klischee des fernöstlichen Billigherstellers. Vor allem die auf hohem Niveau gearbeiteten Jazz Boxes sind unbedingt einen näheren Blick wert!
Die 1992 von Qian Ni in Peking gegründete Firma Eastman Strings hat sich längst zu einem weltweit operierenden Unternehmen entwickelt. Eastmans Katalog ist demgemäß umfassend. Angeboten wird von der schlichten Ukulele bis hin zur High-End-Custom-Shop-Archtop so gut wie alles, was sich mit Saiten bespannen lässt.
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Tradition im Hier und Jetzt
Mit dem Modell AR603CED-15 legt Eastman ein rundum aus massiven Tonhölzern gebautes Archtop-Modell in klassisch modernem Stil vor. Für den handlichen 15″-Korpus mit gerundetem Venezianischem Cutaway kam Mahagoni für den fast unsichtbar mittig gefügten, gut gewölbten Boden und die Zargen zum Einsatz. Die darauf platzierte spiegelgleich gefügte Decke aus feinjähriger Fichte zeigt ebenfalls elegante Wölbung und ist mit überraschend filigranen, parallel gesetzten Balken aus Fichte unterbaut.
An dieser Stelle sehen wir oft recht massive Trägerleisten, die auch nicht immer mit der letzten Sorgfalt bearbeitet wurden, wie das bei diesem Instrument lobenswerterweise der Fall ist. Tja, was man nicht ohne Weiteres sieht, ist ja auch kein schnelles Verkaufsargument. Die Ausspiegelung des Innenraums durch die klassisch gestalteten und großzügig geschnittenen f-Löcher lässt jedenfalls keinen Zweifel mehr an der Achtsamkeit aufkommen, mit der bei Eastman auch alle dem Auge verborgenen Aspekte, wie eben die internen Beleistungen oder die Riemchen zur Verbindung der Korpuselemente handwerklich auf den Punkt gebracht werden. Decke und Boden sind überdies von Mehrfach-Bindings eingefasst, die f-Löcher einfach belegt.
Der dreiteilig gefügte Hals aus Mahagoni mit ausgewogen rundlich gestaltetem „Traditional Even C“-Profil ist mit großem Halsfuß in den Korpus eingebracht und trägt ein gebundenes Griffbrett von 12″ Radius aus glänzend poliertem Ebenholz. Einlagen finden wir nicht, aber schwarze Dots im Binding aus Ivoroid auf der Sichtkante geben ausreichend Orientierung. 22 Medium-Jumbo-Bünde (Jescar 47104) zeigen akkurate kantenrunde Verarbeitung. Das Firmenlogo ziert als Perlmutteinlage die Kopfplatte auf eingebundener schwarzer Front; Gotoh SG360-EN01-Mechaniken mit Ebony Buttons gewähren lässiges Stimmen. Die Saiten laufen über einen Sattel aus Knochen mit einer Mensurlänge von 635 mm hinüber zur Adjustable Gotoh Bridge. Deren Fuß aus Ebenholz ist der Deckenwölbung perfekt angepasst, liegt also vollkommen plan auf. Der auf die Zarge hinten geschraubte „Ebony on Brass“-Saitenhalter aus Messing ist namensgerecht mit einem Stück Ebenholz verziert – elegante Lösung!
Für die elektrische Umsetzung sind Seymour Duncan Jazz Pickups mit Alnico-5-Magneten in der Hals-(SH-2N) und Stegposition (SH-2B) zuständig. Der Toggle Switch auf der Decke vorn oben schaltet die Humbucker ganz konventionell einzeln oder zusammen; Zugriff auf Output und Tonfarbe gewähren individuelle Volume- und Tone-Regler.
Bleibt noch das vorn an den Halsfuß montierte und ansonsten lediglich von zwei kleinen Gummi-Pads auf der Decke abgestützte Pickguard aus Ebenholz mit Ivoroid-Binding zu erwähnen. Die Regler-Knöpfe und die kleine Abdeckung für den Halsstabzugang sind im Übrigen ebenfalls aus Ebenholz gefertigt – schöne Details. Die satte rotbraune „Classic“-Farbgebung, von dünn aufgebrachter Nitrocellulose-Lackierung effektvoll in Szene gesetzt, gibt der Archtop einen angemessen attraktiven Look. Geliefert wird die beispielhaft detailgenau verarbeitete Gitarre in einem guten Hardshell Case.
Holzgetränkt & elektrisch elegant
Die Eastman AR603CED-15 ist mit lediglich 2,5 kg ein angenehm leichtes, aber darüber hinaus auch bestens handhabbares Instrument, das bei rund 7 cm Zargentiefe am Halsansatz optimale Ausrichtung und Griffbrettaufsicht bietet. Der substanzielle Hals ist mit gut verrundeten Schultern geradezu handschmeichlerisch ausgeformt und bietet Spielvergnügen pur. Das ist natürlich auch der angenehm flach eingerichteten Saitenlage über dem glänzend polierten Ebenholzgriffbrett mit optimal abgeglichener Bundierung zu danken. Zudem sind die hohen Lagen wegen des tief geschnittenen Cutaways ebenfalls leicht zu bespielen.
Schon mit den ersten Akkorden wird das optische Versprechen der aparten Archtop auf souveräne Klangkompetenz mit perkussiver Ansprache, perfekter Saitentrennung und seidiger Auflösung von Mehrklängen akustisch bestätigt.
Ihr Basisklang ist von holzgetränktem Tonverhalten geprägt, ein raunendes Timbre wie aus dem Lehrbuch für Jazzgitarren-Sounds. Auf den Basssaiten angeschlagene Noten vermitteln mit pointiertem Attack-Verhalten und leicht knochiger tonfarblicher Attitüde jenen trockenen Ton, der Begleitakkorden Griffigkeit und schnell gespielten Linien Struktur verleiht. Das Sustain der Gitarre ist nun nicht einmal bemerkenswert lang, aber ausgeglichen über das ganze Griffbrett erzielbar. Jazz-Spieler legen eh mehr Wert auf Anschlagspräsenz und die plastische Darstellung von Akkorden und Melodielinien und in diesen Aspekten steht unser Kandidat ganz vorn an der Bühnenkante.
Gehen wir in den Amp, so erweisen sich die Jazz-Pickups von Seymour Duncan mit ihrem „Vintage Output“ als angemessene elektrische Tonübersetzer. Der SH-2N in der Halsposition vermittelt jedenfalls den akustischen Holzton der Gitarre recht authentisch. Spontan in der Ansprache und konkret in der Artikulation wird auch der Anschlag markant herausgestellt.
Die Darstellung von Akkorden ist verstärkt von plastischer Prägnanz gekennzeichnet. Linienspiel profitiert von der perkussiv klar umrissenen Struktur, die schnell gespielte Melodien wie auf Perlenkette gezogen höchst präsent in den Raum stellt. Alle Aktionen sind zudem von einem erdigen Anteil in der Tonfarbe geprägt, die dem allgemeinen Ausdruck ein samtiges Raunen verleiht.
Schalten wir auf den Bridge-Pickup, nicht gerade der bevorzugte Tonwandler im Jazz-affinen Spiel, so überrascht zunächst die drahtige, aber immer noch sehr natürliche Darstellung dieser Schaltposition.
In alternativen Einsätzen, etwa bei der Umsetzung von funky Jazz/Fusion-Sounds, macht das dann schon Sinn, etwa mit schmackig kompakt umsetzenden Begleitakkorden, oder auch beim Solospiel im luftigen Overdrive. Im Umgang mit Zerrpositionen des Amps ist natürlich Zurückhaltung angeraten, andernfalls reagiert die sensible akustische Schönheit umgehend mit Feedback-Protest.
Als Partner für den zentralen Hals-Pickup wird der SH-2B in dieser Gitarre wohl stärker gefragt sein. In Kombination lassen sich damit nicht nur Klangfarben in feiner Abstimmung kalibrieren, auch wird die leicht glasige Präsenz der Zusammenschaltung Interesse wecken. Perlfrisch, plastisch rund, aber doch mit leicht knurrigem Unterton in der frischen Darstellung kann diese Schaltoption absolut überzeugen.
Den Zugriff auf den Klang durch jeweils beide Volume- und Tone-Regler würde man sich allerdings grundsätzlich effektiver wünschen. Die Summenregler sind eigentlich nur im ersten Drittel des Regelwegs wirksam, bedämpfen schon an dessen Anfang die Höhen, aber auch die Tonpräsenz stark, dahinter geht das Signal quasi gegen Null. Die Tonregler sind ebenfalls nur in etwa der gleichen Range nutzbar und teilen das Phänomen des starken Präsenzverlustes bei Abregelung.
Merke: Auch ein samtiger Handschuhton will plastisch zugegen sein und nicht im dunklen Sumpf unverständlich murmelnd versinken. Das ist auch gleich der einzige Punkt, in dem ein gespitztes Ohr noch Potential für Optimierung hören kann.
Kehren wir aber unbedingt noch einmal ins vornehmlich starke elektrische Licht dieser Archtop zurück, um den von den Pickups perfekt transportierten Ton, die Reaktionsschnelligkeit und sensible Ansprache zu loben. Schon das Spiel mit Hammer-ons und Pull offs allein ist die reine Wonne. Die dynamische Beweglichkeit dieser Gitarre ist einfach großartig!
Resümee
Die Archtop AR603CED-15 von Eastman nährt den Verdacht, dass ihr selbst hartgesottene Skeptiker des chinesischen Gitarrenbaus verfallen könnten. Das elegant gestaltete Modell ist nicht nur aus vollmassiven Tonhölzern bester Qualität in detailgenauer Präzision gebaut, es spielt sich auch hervorragend und noch wichtiger: es klingt aus so! Elektrische Gitarre, Jazz – die Amerikaner haben es halt erfunden und diesen Nimbus wird wohl kaum jemand jemals einfangen können.
Abgesehen davon ist die Welt aber universeller geworden und letztlich zählt, was funktioniert. In diesem Sinne braucht es längst keine verpflichtenden Originale mehr, die Welt ist ein globales Dorf (wie Marshall McLuhan, der diesen Begriff prägte, schon in den frühen 60er-Jahren erkannte) und wer käme schon auf die Idee, einem amerikanischen Geigenbauer vorzuwerfen, er würde Europas Erbe plündern? Also ja: auch Chinesen können großartige Jazzgitarren bauen, wie Eastman mit der klangstarken Archtop AR603CED-15 wieder einmal nachdrücklich beweist. Ein persönlicher Test ist dringend angeraten!