Young scandinavian Blues

Interview: Black River Delta

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(Bild: Julian Fertl)

Die Ruhe vor dem Sturm? Bei Black River Delta findet man sie. Nahezu jeder ihrer Songs beginnt wie ein widerwillig schnaufender Bummelzug, der sich schwerfällig durch die (natürlich nur bildlich gesprochenen) Baumwollfelder des Mississippi-Deltas schleppt, um von Zeit zu Zeit mit Hochdruck den Dampf seiner Heizkessel auszustoßen. Wobei, dieser Bummelzug durchstreift vornehmlich nordische Wälder, denn die dreiköpfige Band stammt nicht etwa aus der Küstenregion Louisianas, sondern aus dem kleinen Städtchen Bollnäs in Nordschweden, schwitzt aber trotzdem das staubig-hitzige Flair traditioneller Blues-Songs der 50er- und 60er-Jahre aus.

Wie es zur Gründung dieser höchst talentierten Band kam, und mit welchem Instrumentarium die drei Musiker ihr Tagwerk verrichten, haben uns Sänger/Gitarrist Erik Jacobs (EJ) und Leadgitarrist Pontus Ohlsson (PO) bei einem Konzert in Hamburg erzählt. Dabei wurde natürlich auch das Thema „Bassist“ erörtert, denn derzeit komplettiert nur Schlagzeuger Erik Nilsson die Gruppe, einen Tieftöner sucht man derweil vergebens.

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Interview

Zunächst einmal: Könnt ihr bitte kurz eure Entstehungsgeschichte skizzieren?

EJ: Gegründet wurde Black River Delta 2014 mit dem Ziel, rauen Blues zu spielen. Als wir einiges an Material angesammelt hatten, verschanzten wir uns mit unserem eigenen und einigem geborgten Studio-Equipment im Ferienhaus meiner Eltern, das in einem Wald in Nordschweden steht, von wo wir stammen. Dort nahmen wir innerhalb von zwei Wochen unser Debüt-Album auf. Die Scheibe nennt sich ‚Devil On The Loose‘. Seitdem sind wir damit beschäftigt, uns als Band weiterzuentwickeln.

Was euch mit der zweiten Scheibe‚Vol. II‘ zweifelsohne gelungen ist. Allerdings gab es die zwei ersten Alben in eurer Heimat überhaupt nicht zu kaufen.

PO: Nur über Import und bei unseren Konzerten. Wir hatten bislang einen Plattenvertrag in Deutschland und der Schweiz, versuchen aber gerade, mit unserem dritten Album, das bereits fertig aufgenommen ist, einen neuen Deal zu bekommen, der dann hoffentlich auch andere Länder umfasst.

Würdet ihr euer Alter verraten?

EJ: Das möchtest du nicht wissen … (lacht). Ich bin 32, Pontus ist 30 und unser Schlagzeuger Erik ist erst 24.

Wie kommt man als so junger Musiker an traditionellen Blues?

PO: Mein Vater ist ein großer Fan von Rockbands der 70er-Jahre, durch ihn habe ich auch Jimi Hendrix kennengelernt. So kam alles ins Rollen. Außerdem stellten wir fest, dass kaum jüngere Bands diese Art von Musik machen. Wir fanden, dass Schweden eine neue Blues-Band dringend braucht. (lacht) Allerdings haben wir dann erst einmal ausschließlich in Deutschland getourt. (lacht noch lauter) Jimi Hendrix und Stevie Ray Vaughan sind für mich die Gründe, weshalb ich diese Musik machen möchte.

EJ: Bei mir war es ganz ähnlich, auch mein Vater besitzt eine große Schallplattensammlung, die ich verbotenerweise nach und nach zu meiner eigenen machte. So entdeckte ich The Doors, Santana, Chicago, und kam anschließend zu Blues-Bands wie The Black Keys oder Black Rebel Motorcycle Club. Sie haben mich – und letztlich auch Pontus – stark beeinflusst.

PO: Das stimmt. Außerdem gab es in Bollnäs nur einen einzigen gleichaltrigen Typen, der auch diese Musik hörte, und das war Erik. Es war also klar, dass wir eine Band gründen mussten.

Habt ihr vom ersten Tag an ausschließlich Vintage-Instrumente gespielt?

PO: Nein, wir hätten es gerne getan, konnten uns das meiste Zeug aber nicht leisten. Ich besaß nur eine alte Framus, die ich billig geschossen hatte und die sehr gut klang. Aber nach und nach verdienten wir ein wenig Geld und so konnten wir uns einige Schätzchen kaufen.

Gitarrist Pontus Ohlsson (Bild: Matthias Mineur)

PO: Meine Gibson ES-125 stammt übrigens auch aus Amerika. Ich habe sie vor einem halben Jahr gekauft, als wir drüben waren, um unser nächstes Album fertigzustellen. Vor ein paar Monaten habe ich mir außerdem eine neue Hagström Viking zugelegt, nachdem ich 35 Kilometer von meinem Haus entfernt eine alte Viking von 1965 entdeckt und für kleines Geld gekauft hatte. Ich schätze, es ist eines der allerersten Exemplare, die gebaut wurden. Beim Vorbesitzer hatte sie seit 1971 nur an der Wand gehangen, entsprechend marode war die Elektrik. Außerdem hatte ich vom ersten Tag an die Sorge, dass sie ganz kaputt geht, wenn ich nicht sehr sorgsam mit ihr umgehe. Deshalb habe ich mir ein neues Exemplar aus dem Jahr 2012 gekauft.

Ohlssons Hagström Viking, Baujahr 2012, mit Lundgren Heaven 77 Pickups
Die Danelectro The 59, Baujahr 2006
Seine Gretsch Bobtail Resonator G9220
Seine 1957er Gibson ES-125

Und klingt dein 1965er Modell besser als dein 2012er?

PO: Ja, es klingt cooler.

EJ: Es ist nur nicht so zuverlässig.

PO: Nein, zuverlässig ist die 65er-Viking nun wirklich nicht. (lacht) Manchmal bekommt man keinen einzigen Ton aus ihr heraus. Sie ist komplett hollow und daher sehr leicht, weshalb man ständig mit Feedbacks zu kämpfen hat. Aber sie klingt einfach wunderbar.

EJ: Es hat also gute Gründe, dass zum Beispiel Fender Reissues ihrer 50er-Jahre-Modelle bauen.

Die Verwendung von Reissues spiegelt sich auch in euren Pedalboards wieder, die aus alten und neueren Stompboxes bestehen.

EJ: Es gibt alte, neue und Reissues alter Geräte, wie zum Beispiel mein Ibanez Tube Screamer. Pontus und ich haben das gleiche Lieblingspedal, ein Fulltone-69-Fuzz-Pedal, und das ist absolut Vintage.

Ohlssons Pedalboard mit TC Electronic Hall Of Fame 2, MXR Carbon Copy, Boss Super Octave OC 3, Boss Tuner TU-3, Lovepedal Eternity Overdrive, Dunlop Jimi Hendrix Octavio, Ibanez TS 9 und Fulltone 69 Fuzz
Jacobs Pedalboard mit Zoom Ultra Fuzz UF-01, Electro Harmonix Big Muff, Fulltone 69 Fuzz, Roland Space Echo RE 20, Boss Blues Driver BD-2, Ibanez NTS NU Tubescreamer, TC Electronic Polytune

PO: Und es klingt auch wirklich Vintage, so richtig nach alten 60ern und 70ern.

Das kann man auch von euren Amps behaupten. Ist es Zufall, dass Pontus auf Marshall und Eric auf Fender steht. Oder ist das bewusst so gewählt?

EJ: Hinsichtlich der unterschiedlichen Frequenzen ist das natürlich großartig.

PO: Ehrlich gesagt haben wir uns anfangs darüber überhaupt keine Gedanken gemacht, doch dann stellte sich heraus, dass es für unseren Gesamt-Sound von enormem Nutzen ist. Es hat Vorteile, dass Eriks Fender Twin einen höheren Ton erzeugt und meine Marshalls die gewohnt basslastigeren Sounds produzieren.

Ohlssons Marshall 5510, 100W, Baujahr 1985
1997er Marshall JTM50 Bluesbreaker 1962 Reissue mit Celestion Greenbacks
Ziemlich abgerockt: Jacobs Fender Twin, Baujahr 1973

EJ: Bemerkt haben wir dies vor ein paar Jahren auf einer Tour mit DeWolff, bei der wir uns zusätzlich ein paar Marshalls geliehen hatten und dann feststellten, dass die Kombination aus Fender Twins und Marshall Combos für unsere Musik perfekt ist. Daraufhin haben wir gezielt eigene Amps gekauft.

Wie wichtig sind Vintage-Sounds, wenn ihr komponiert?

EJ: Die Sounds sind bei einem derartigen Songwriting natürlich nicht unwichtig, aber vor allem geht es uns um starke Riffs und gute Refrains.

PO: Oft gibt es eine Art klassische Vorlage, einen Song aus der Blues-Historie, den wir lieben und an dem wir uns mit unserer eigenen Komposition orientieren. Natürlich sind diese Songs dann nicht so unsterblich wie die Originale, aber immerhin etwas Neues, Anderes.

EJ: Im Blues ist das Meiste ja eh schon gesagt und besungen. Wie soll man da etwas wirklich Neues kreieren? Man kann also nur eine eigene Version von etwas machen, das es so ähnlich schon mal gab.

PO: Die Ideen entstehen meist in Eriks oder meinem Kopf, doch dann wird der Song gemeinschaftlich arrangiert, wodurch er eine eigene, typische Black-River-Delta-Note bekommt.

Gitarrist/Sänger Erik Jacobs
Jacobs Eastwood Airline MAP DLX 1962 Tribute, Baujahr 2018
Seine Epiphone 335 Dot, Baujahr 2005

Wovon erzählen eure Songs? Worüber singt ein junger Bluesmusiker heutzutage?

EJ: Über die gleichen Themen, über die frühere Bluesmusiker auch schon gesungen haben: Reisen, das Leben auf Tour …

PO: … aber auch über Soldaten, Krieg, Schlachten.

EJ: Um ehrlich zu sein: Wir suchen nach coolen Wörtern und basteln dann eine entsprechende Geschichte drumherum.

PO: Viele Songs behandeln aber auch traditionelle Themen, wie eben das Reisen als Band, Herzschmerz, Sehnsucht, das worüber man als junger Musiker nun einmal singt. Allerdings hat sich das auf unserem dritten Album ein wenig geändert, denn wir haben die neue Scheibe mit einem amerikanischen Produzenten aufgenommen, und der half uns bei den Texten.

EJ: Woraus sich ergab, dass wir auch über Probleme mit den Steuerbehörden, Ärger beim Zoll und so weiter singen. (lacht)

Ihr habt die gesamte Scheibe in Amerika produziert?

PO: Nein, das meiste haben wir wieder in Schweden mit einem Kumpel aus unserer Heimatstadt Bollnäs aufgenommen, aber einige Bässe und vor allem die Gesänge sind in Amerika entstanden.

Das bedeutet: Im Unterschied zu euren Live-Shows gibt es reguläre Bass-Parts auf dem Album?

PO: Ja, zum ersten Mal auf sämtlichen Songs.

Ist das die signifikanteste Veränderung in eurem Sound? Oder gibt es andere künstlerische Weiterentwicklungen, die sich bei euch feststellen lassen?

PO: Der Anteil an Rock´n`Roll hat sich in unserer Musik unüberhörbar vergrößert. Weniger Blues mehr Rock, um es auf diese einfache Formel zu bringen. Außerdem sind unsere Sounds und unsere Spielweisen irgendwie dreckiger geworden.

EJ: Zudem sind unsere neueren Songs etwas schneller und dynamischer.

Eine Folge eurer vielen Live-Shows der letzten Jahre?

EJ: Ja, das spielt auf jeden Fall eine große Rolle. Unser drittes Album ist definitiv mehr Rock´n`Roll, ohne damit auszuschließen, dass wir irgendwann auch wieder ein rein traditionelles Blues-Album aufnehmen.

Ich wünsche euch dabei viel Erfolg, wir werden uns in den kommenden Jahren garantiert noch einmal treffen.

(erschienen in Gitarre & Bass 01/2020)

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