Bluesman goes Mainstream

Interview: Kenny Wayne Shepherd

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(Bild: Matthias Mineur)

Was Erfahrung und musikalische Reife doch ausmachen können: Als wahrer Bluesrock-Pistolero und Saiten-Heißsporn rief Kenny Wayne Shepherd zu Beginn seiner Karriere nicht nur Begeisterungsstürme, sondern gelegentlich auch Stirnrunzeln hervor. Doch der 41-Jährige hat dazugelernt, speziell kompositorisch. Sein neues Album ‚The Traveler‘ verzichtet größtenteils auf halsbrecherische Fingerakrobatik und stellt stattdessen die kompositorische Qualität in den Mittelpunkt seiner Kreativität. Und während so mancher Shredder-Fan vom Mainstream-Kurs des Amerikaners überrascht sein mag, hat das Radio seit einigen Jahren die Shepherd-Stücke für sich entdeckt.

Anfang Juli gastierte der Ausnahmemusiker aus Shreveport, Louisiana auf der Hamburger Stadtparkbühne und zeigte auch dort, dass trotz seiner unverkennbaren Weiterentwicklung aus dem jungen Wilden kein brav schnurrender Schmusekater, sondern ein weiterhin dynamischer Musiker mit großartigen technischen Fähigkeiten geworden ist. Wir haben Kenny Wayne Shepherd kurz vor dem Konzert getroffen und bei dieser Gelegenheit auch einige spannende Informationen über die (bevorstehende) zweite Generation seiner Fender-Signature-Stratocaster erhalten.

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Interview

Kenny, die wichtigste Frage zuerst: Welches Schätzchen befindet sich eigentlich in dem betagten Gitarrenkoffer, den man auf dem Cover deines neuen Albums sieht?

(lacht) Das ist ja mal eine ungewöhnliche Intervieweröffnung! Also: In dem Koffer befindet sich eine Fender-Parlor-Akustik- Gitarre, die ich seit einigen Jahren besitze und die man in Amerika für spottbillige 250 Dollar bekommt. Ich nutze sie unterwegs zum Warmspielen und Üben. Kein besonders teures Modell, sondern eines, das trotz seines geringen Preises erstaunlich hochwertig und robust ist und mir gute Dienste leistet.

Welche deiner Fender-Signature- Strats hast du auf dieser Tour dabei?

Es sind vor allem die etwas betagteren Modelle, die ich vor ein paar Jahren entwickelt habe. Darunter das schwarze 2015er-Modell mit den silbernen Racing- Streifen. Hinzu kommen die Strat mit dem Finish in Arctic White und dem Kreuz sowie den Custom-Voiced-Kenny-Wayne-Shepherd-Pickups, plus meine 3-TS mit den Fender-KWS-Custom-Singlecoils. Eines der 3-Tone-Sunburst-Modelle gehört übrigens zu meinen Prototypen, aus denen letztlich die Signature-Serie entstanden ist. Die andere 3-TS hat das Graph-Tech-Acoustic-Pickup-System, mit dem man auf einer elektrischen Klampfe den Sound einer akustischen Gitarre erzeugen kann. Diesen Effekt setze ich allerdings nur im Intro des Songs ‚Blue On Black‘ ein und schalte dann zurück auf die Singlecoils.

Fender Kenny Wayne Shepherd Signature Strat, Baujahr 2015
Kenny Wayne Signature in Arctic-White mit Custom-Voiced-Kenny-Wayne-Shepherd-Pickups
Prototyp der Fender KWS Signature 3-TS

Ich hörte, dass im kommenden Jahr ein neues Fender-Signature-Modell von dir erscheinen soll.

Ja, das stimmt, allerdings darf und möchte ich dazu noch nichts sagen, da wir zurzeit an einigen abschließenden Details arbeiten und somit den letzten Feinschliff vornehmen.

Wird die nächste Generation der Gitarre einen geänderten Namen bekommen?

Nein, es bleibt bei Fender Kenny Wayne Shepherd Signature Strat, obwohl es eine Reihe interessanter neuer Features gibt.

Waren bei der Entwicklung der zweiten Generation dein Ziel und dein Anspruch anders als beim ersten Mal?

Das Ziel ist diesmal, ein Instrument weiterzuentwickeln, das mir auf den Leib geschneidert wurde. Also haben wir erneut alle Specs derjenigen Gitarren genommen, die ich bis dato modifiziert habe, um daraus ein noch besseres Modell zu machen. Dazu gehören beispielsweise die Jumbo Frets oder auch die Graph-Tech-Saitenreiter. So etwas ist im Detail immer sehr viel Arbeit. Bei der ersten Generation meiner Signature-Modelle haben wir allein am Klang der Pickups mehr als ein Jahr gearbeitet. Der Sound ist wirklich speziell, sehr natürlich, rund, warm und so organisch wie nur irgend möglich, ohne dabei Dynamik, Lautstärke und Klarheit einzubüßen. Das Profil des Halses ist dem meiner originalen 1961er Fender Stratocaster sehr ähnlich, allerdings ein klein wenig dicker. Der Radius des Griffbrettes beträgt 12“ und ist damit etwas flacher, was sich bei Bendings positiv bemerkbar macht. Der Korpus ist aus Erle, das Fretboard aus Palisander, also alles das, was ich auch bei meinen modifizierten Gitarren bevorzuge.

Shepherds Gitarrentechniker Dustin Sears (Bild: Matthias Mineur)

Ehrlich gesagt war ich erstaunt, dass du auf ‚The Traveler‘ neben deinen Strats unüberhörbar auch eine Les Paul gespielt hast.

Und auch eine ES-335! Aber weshalb sollte ich das nicht tun?

Weil du für mich der personifizierte Strat-Mann bist. Soweit ich mich erinnern kann, habe ich dich überhaupt erst einmal mit einer ES-335 spielen gesehen.

Ja, das mag stimmen, aber im Studio geht es darum, möglichst viele verschiedene Sounds zu bekommen. Und deshalb greife ich dann gerne auch schon mal zu einem anderen Gitarrentypus. Für den Song ‚Long Time Running‘ hatte ich beispielsweise von Beginn an einen Les-Paul-Sound im Kopf, in ‚Tailwind‘ wiederum kam eine ES-335 zum Einsatz. Es ist immer der Song, der das jeweilige Instrument bestimmt. In ‚I Want You‘ nahm ich für die Strophe eine Akustik-Gitarre und für den Rhythmuspart eine Strat, während ich das Solo mit einer ES-335 eingespielt habe.

Dennoch bist du schwerpunktmäßig der typische Stratocaster-Spieler, was sicherlich auch mit deinen Vorbildern zusammenhängt, oder?

Stimmt, einige meiner größten Vorbilder sind Strat-Spieler, also Eric Clapton, Jeff Beck, Stevie Ray Vaughan, Buddy Guy, insofern war es naheliegend, dass ich auch zur Strat greife. Trotzdem hatte ich schon zu Beginn meiner Laufbahn nicht nur eine Fender Stratocaster sondern auch eine Epiphone Les Paul. Allerdings fühlte sich für mich die Strat irgendwie natürlicher an. Die Form, die Kontur des Korpus, die Position der Knöpfe, die Pickup- Schalter, für mich war hier alles in perfekter Balance. Abgesehen davon mochte ich von Beginn an den Sound, wobei man bei einer Strat eigentlich nicht von nur einem Sound, sondern von sehr vielen verschiedenen Sounds sprechen muss, denn die Gitarre ist ja absolut flexibel einsetzbar.

Aber wie schon gesagt: Es gibt trotzdem Songs, bei denen ich eine andere Gitarre verwenden möchte, weil ich nach einem ganz speziellen Sound suche.

Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang der richtige Amp? Ich habe gelesen, dass du als junger Musiker mit einem alten Peavey angefangen hast.

Richtig, mein erster Amp war ein kleiner Peavey-Combo, den ich übrigens viele Jahre lang gespielt habe. Danach habe ich mir einen der allerersten Fender Twin Reissues zugelegt, das muss so um 1990 gewesen sein. Es ist eine Limited Edition, die meines Wissens nach nur kurz im Handel erhältlich war. Den Twin Reissue habe ich jahrelang auf der Bühne gespielt, und er ist auch auf meinen ersten Scheiben zu hören.

Die Fender-Amps: Zweimal Twin Reverb, einmal Bassman (Bild: Matthias Mineur)

Seit ein paar Jahren baut mir Alexander Dumble meine Amps. Dies hat sich unglaublich positiv auf mein Spiel ausgewirkt, denn der Sound ist einfach grandios und total inspirierend. Ich habe den Eindruck, dass ich plötzlich Sachen spielen kann, zu denen ich vorher nicht in der Lage war. Es sind absolute Maßanfertigungen, die mir eine völlig neue Welt des Gitarrenspielens eröffnet haben.

Erstaunlich, dass ein Amp einen dermaßen hohen Einfluss auf dein spielerisches Vermögen haben kann.

Oh ja, absolut! Das ist übrigens auch das Ziel, das Alexander mit seiner Arbeit verfolgt. Der Amp reagiert intuitiv auf das, was ich spiele, es entsteht eine Wechselwirkung, und die ist für die Kreativität natürlich sehr förderlich. Man muss nichts erzwingen, alles passiert auf natürliche, spielerische Weise. Plötzlich entstehen Dinge von ganz alleine, ohne dass man sie beabsichtigt hatte. Es ist wirklich faszinierend. Ich hätte früher, bevor ich diese Amps kennengelernt habe, nie gedacht, dass ich so limitiert bin.

Das Pedalboard mit Boss TU-3, Voodoo Lab Amp Selector, Tinsley Audio Sir Henry, Voodoo Lab Pedal Power 2 Plus, MXR Carbon Copy Delay, Analogman Bi-Chorus, Jam Pedals Delay Llama, Analogman King Of Tone, Ibanez TS 808 Overdrive, Tycobrahe Octavia und Dunlop WahWah (Bild: Matthias Mineur)

Limitiert etwa auch in puncto Songwriting? Keines deiner früheren Alben klang so vielschichtig und zugleich massenkompatibel wie deine neue Scheibe ‚The Traveler‘.

Na ja, ich bin mittlerweile fast 30 Jahre im Geschäft, und irgendwann sollte man seinen Job beherrschen, oder?

Ich habe über die Jahre einige Scheiben veröffentlicht, habe auf unzähligen Bühnen gestanden und permanent an neuen Songs gearbeitet. Letztendlich entwickelt man sich als Künstler dadurch automatisch weiter. Und möglicherweise hat dann auch der fantastische Sound meiner Amps dazu beigetragen. Aber im Grunde genommen sind es immer viele verschiedene Komponenten, die zur Weiterentwicklung eines Musikers beitragen.

Gehört dazu auch das Covern von Songs? Mit ‚Mr. Soul‘ von Buffalo Springfield und der Joe-Walsh-Nummer ‚Turn To Stone‘ sind zwei eher unbekannte Stücke auf ‚The Traveler‘ zu finden.

Bei ‚Mr. Soul‘ und ‚Turn To Stone’ handelt es sich um Stücke, die ich für zwei besondere Ereignisse herausgesucht habe. Eines davon war zu Ehren von Joe Walsh, deshalb steuerten alle Anwesenden einen Joe-Walsh-Song bei. ‚Mr. Soul‘ habe ich zusammen mit Stephen Stills und Neil Young bei einem Benefizkonzert gespielt. Auch das hat riesigen Spaß gemacht, somit lag die Idee nahe, Studioversionen beider Nummern aufzunehmen.

Wichtig ist, dass man bei solchen Stücken versucht, einen eigenen Ansatz zu finden. Wenn ich Songs nachspiele, versuche ich mehr Dynamik und Aggressivität in meine Version zu bringen. Gleichzeitig möchte ich natürlich das einzigartige Flair des Originals nicht zerstören, also beachte ich immer auch die stilistische Ausrichtung der Vorlage. Ich versuche herauszufinden, welches Ziel der Originalkünstler mit seinem Song verfolgt haben könnte, um dann eine Neuinterpretation mit meinen eigenen musikalischen Fähigkeiten vorzunehmen. Cover-Versionen fremder Stücke klingen immer anders als die Originale, da sie von Musikern mit völlig anderen technischen Eigenheiten gespielt wurden. In meinem Fall sind es vor allem meine Rock’n’Roll-Wurzeln, die sich auf das Resultat auswirken.

Kanntest du die beiden Songs schon vor den erwähnten Performances?

Oh ja, allerdings kam mir die Idee eigener Versionen erst nach den besagten Veranstaltungen.

Die Kenny Wayne Shepherd Band (Bild: Matthias Mineur)

Beide Stücke, wie übrigens die gesamte neue Scheibe, klingen wie live im Studio eingespielt.

So war es auch. Wir haben uns im Studio getroffen und die Songs live mitgeschnitten. Ich habe versucht, immer auch sofort das Solo einzuspielen. Anschließend haben wir uns die Version angehört und entschieden, ob wir das Solo behalten oder austauschen. Eine der wenigen Ausnahmen war ‚Tailwind‘, bei dem ich das Solo nicht mitgespielt, sondern die Rhythmusgitarre durchgezogen und das Solo erst anschließend hinzugefügt habe. Denn bei dieser Nummer war es wichtig, eine möglichst lebendige Rhythmusgitarre zu haben, um den tollen Drive der Band nicht zu unterbrechen. So etwas entscheiden wir immer von Song zu Song, abhängig vom Temperament der betreffenden Nummer. Wie gesagt: Oberstes Gebot ist stets, ein möglichst lebendiges Feeling zu bekommen.

Wie hast du im Studio deine Gitarren mikrofoniert?

Die Mikrofonierung ist natürlich immer abhängig von den Amps, die im jeweiligen Studio zur Verfügung stehen. Diesmal hatten wir ein Mikro direkt auf die Kalotte ausgerichtet, ein zweites seitlich dazu und ein drittes im Raum platziert, um anschließend die bestmögliche Mischung aller drei Signale herausfiltern zu können.

Welche Amps waren es im Fall von ‚The Traveler‘?

Ein Ultra Phonix Fender Bandmaster von Dumble, ein Pro Reverb Head, den Alexander gebaut hat, ein Bassmaster von ihm, darüber hinaus der bekannte ‚Tweedle-Dee Deluxe‘, der von Dumble auf der Grundlage eines 57er-Deluxe-Tweed modifiziert wurde. Ach ja, und dann hatten wir noch einen kleinen Combo, der auf einem Fender Champ basiert. Alles in allem kein Hexenwerk, sondern eine tolle Mischung aus klassischen Vorlagen und großartigen Modifikationen.

Danke für das Gespräch, Kenny, und weiterhin viel Erfolg!

(erschienen in Gitarre & Bass 09/2019)

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