Klassik, Latin und Blues

Lieblingsplatten: Peter Finger

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Musiker spielen nicht nur Musik, sie hören auch gerne welche. Manchmal ist es nur ein Song, der jemanden zur Gitarre oder zum Bass greifen lässt. Und dann gibt es noch Alben, die richtungsweisend sein können. Eine eigene Top-3-Liste kommt auf Zuruf jedem in den Sinn. Fast jedem, denn Akustikgitarren-Koryphäe Peter Finger geht umfassender an das Thema Musikhören heran.

(Bild: © Manfred Pollert, 2011)

Peter Finger, 1954 in Weimar geboren, hat die deutsche und internationale Akustikgitarrenszene in vielen Bereichen geprägt. Als Musiker entwickelte er im Laufe der Jahre einen eigenen und komplexen Stil zwischen Folk, Klassik, Jazz und südamerikanischer Musik. Bereits mit sechs Jahren begann er Klavier und Geige zu lernen.

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Schließlich löste er sich von der Klassik, wie Finger erzählt: „In den 70er-Jahren kam diese riesige Folk-Welle auf, das war so ein richtiges Lebensgefühl. Dadurch bin ich zur Akustikgitarre gekommen. Ich habe vorher in einer Band gespielt, wir haben wildere Sachen gemacht, damals gab‘s ja auch schon Black Sabbath und so was. Ich hatte eine super E-Gitarre, das teuerste Modell aus der Musikabteilung von Hertie.“ (Heute auch als „Hertiecaster“ bekannt). Zu jener Zeit erregte Finger mit seiner virtuosen Spielweise früh Aufmerksamkeit. US-Folk-Blues-Ikone Stefan Grossman nahm den jungen Gitarristen unter Vertrag und 1973 erschien das Debüt ,Finger Picking‘. Ein Jahr später avancierte ,Bottleneck Guitar Solos‘ zum bestverkauften Album des Labels.

Es folgten weltweite Tourneen, später spielte Finger auch mit Jazz-Musikern wie Charlie Mariano (sax), Trilok Gurtu (perc) und Florian Poser (vib). Später gründete Peter Finger mit Acoustic Music sein eigenes Label. Auch dem Gitarrenbau wandte er sich zu und veröffentlichte schließlich als Herausgeber die Fachzeitschrift „Akustik Gitarre“. Hier erzählt er nun über seine Lieblingsmusik und die wichtigsten Einflüsse.

„Ich habe keine Lieblingsalben. Ich höre zwar viel Musik in meiner Werkstatt, weiß aber nie von welcher CD die gerade kommt. Bei mir ist es so, dass ich Musik nie nur so höre, ich will dabei möglichst etwas lernen. Das bedeutet, dass ich manche Sachen ziemlich intensiv höre und mich ein paar Wochen lang mit dieser Art von Musik umgebe, um da was für mich rauszuziehen. Es geht nicht ums Kopieren, es geht mir mehr um eine Klang oder Tonsprache, die ich dann quasi erst mal nachmache und so dann in meinem Spiel verinnerliche.

Stravinsky: The Rite Of Spring (Bild: Warner)

Oft höre ich die französischen Impressionisten, wie Claude Debussy und Maurice Ravel. Ich höre aber auch schon mal Igor Stravinsky und Béla Bartók. Von Stravinsky hat mich ,Le Sacre Du Printemps‘ (engl. ,The Rite Of Spring‘) sehr beeinflusst. Von Bartók gibt es ,Das Konzert Für Orchester‘, das mich auch geprägt hat. Und bei Debussy waren es hauptsächlich die Soloklavier-Sachen.

Mir geht es wie gesagt nicht um einzelne Stellen, die ich kopieren möchte, sondern darum, was die Jungs rein harmonisch anders gemacht haben als andere. Warum es mit ganz leichten Änderungen nicht mehr nach Beethoven sondern nach Debussy klingt. Und wenn ich dann an so eine Stelle komme, die mich fasziniert, dann analysiere ich das, sodass ich es danach verwenden kann.

Yamandu Costa: Mafuá (Bild: Acoustic Music Records)

Wenn ich schon mal Gitarre höre, dann ist das Yamandu Costa. Ein Brasilianer, den ich selbst hier im Studio produziert habe. Das ist einer, den ich eigentlich für den besten Gitarristen halte, von dem ich jemals gehört habe, ein ganz junger. Ich habe nur ein Album, ,Mafuá‘ (2008), mit ihm veröffentlicht. Yamandu war der Erste, der ein reines Soloalbum bei mir gemacht hat. Damals hatte ich noch mein Open Strings Festival, zu dem ich ihn eingeladen hatte, und in dem Zug habe ich dann die CD mit ihm aufgenommen. Aktuell produziere ich einen anderen Brasilianer, er heißt Toninho Horta. Er hat viel mit Pat Metheny zu tun gehabt. Ich habe mit ihm ein Soloalbum aufgenommen, es ist aber noch nicht raus, ich muss es noch abmischen. Das Spannende an den Brasilianern ist die Leichtigkeit und Lockerheit, mit der sie die Rhythmik spielen. Du hörst wie sie es spielen, findest es toll, und es ist gar nicht so kompliziert. Aber wenn du versuchst es nachzumachen, hört man den Unterschied, ob jemand damit aufgewachsen ist oder nicht.

Ich meine, wir kommen aus einer ganz anderen Tradition, die vielleicht auch mehr harmonisch als rhythmisch aufgebaut ist. Ich selber suche immer die Verbindung von beidem. Ich suche mir von allen Musikrichtungen, die mir gefallen, das raus, was ich davon für mein Spiel gebrauchen kann. So steht bei den Brasilianern eindeutig die Rhythmik im Vordergrund, die Harmonik kannst du auch im Jazz finden. Apropos: Ich habe viel Charlie Parker gehört und außerdem Philip Catherine. Es gibt oft Musik, von der ich weiß, dass sie toll ist, aber ich habe noch keinen Zugang. Und dann knie ich mich da richtig rein und höre sie ständig, bis ich es verinnerlicht habe. So habe ich mich auch lange mit dem Flamenco beschäftigt. Vicente Amigo ist sehr gut, quasi der Nachfolger von Paco de Lucía.

Ich habe früher Country-Blues rauf und runter gespielt. Ich habe ganz viel Big Bill Broonzy, Blind Blake, Reverend Gary Davis und Skip James gehört und auch nachgespielt. Diesen Blues habe ich mehr gehört als den elektrischen Blues.

Empfehlenswerte 4CD-Country-Blues-Compilaton mit Willie Browns ,Mississippi Blues‘ (Bild: Acoustic Music Records)

Was Songs betrifft fand ich z. B. ,Mississippi Blues‘ immer faszinierend. Das Stück ist von Willie Brown (1900-1952), der auch Robert Johnson Unterricht gegeben hat. Ich habe nur irgendwann entdeckt, dass Blues nicht meine Musik ist. Das ist tolle Musik, es macht auch Spaß sie zu spielen. Aber ich fand mich irgendwann auf der Bühne wieder und sang „I was born in Mississippi“ und dachte im selben Moment: Was versuchst du da eigentlich den Leuten zu erzählen? Es gibt viele andere, die das sehr gut machen, da muss ich nicht unbedingt noch meinen Senf dazugeben. Obwohl ich gerade den Blues wiederentdecke. Aber es ist für mich mehr so eine Spaßmusik, die ich gerne nebenbei mache und die vielleicht nicht diese Ernsthaftigkeit hat wie meine eigene Musik.

(erschienen in Gitarre & Bass 09/2019)

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