(Bild: (c) 2019 by Andreas Schulz | www.leftover-visuals.de)
Noch jemand hier, der eine Tele mit Bigsby-Vibrato einfach cool findet? Die Kombination der wohl Roots-mäßigsten Brettgitarre – der Fender Telecaster – mit dem ebenfalls recht rustikal rüberkommenden Bigsby-System liegt einfach nahe.
Und dann sah ich kürzlich einige Performance- Videos von Bill Frisell: Er spielte auf einer schwarzen Tele mit Bigsby. Paradox: Obwohl er das Bigsby überhaupt nicht einsetzte, war klar, dass ich das auch mal mindestens ausprobieren wollte.
Anzeige
Sowohl die Telecaster als auch das Bigsby- Vibrato wurden Ende der 1940er-Jahre entwickelt. Leo Fender und Paul Bigsby waren beide mehrfach begabte Techniker und Entwickler und hatten damals Visionen von Gitarren und Zubehör, die heute noch beliebt sind. Aktuelle Telecaster-Modelle und Bigsby-Varianten basieren zum überwiegenden Teil immer noch auf den damaligen Konzepten. Klar, man hat sich weiterentwickelt und einige Schwachpunkte oder Kinderkrankheiten erfolgreich behoben, doch im Kern ist man noch auf dem Stand um 1950 herum geblieben.
Tele mit Bigsby: Mein persönlicher Ansatz dabei ist, dass das Ganze ohne Beeinträchtigung der Gitarre rückbaubar sein sollte. Also bitte keine Löcher in den Body bohren. Warum?
1.) Vielleicht ist die Idee ja doch nicht so toll wie gedacht und macht in der Praxis keinen Spaß; oder die Klampfe klingt und spielt sich mit Bigsby hinterher nicht mehr so gut.
2.) Ich weiß inzwischen, dass fast alle Gitarren bei mir nur Lebensabschnitts-Begleiter*innen sind – es kommt zuverlässig die Bessere oder Andere. Daher möchte ich auf einen zukünftigen Wiederverkauf vorbereitet sein und speziell die etwas teureren Äxte nicht substantiell verändern. Und ich wollte für das Bigsby-Experiment eine bereits vorliegende Tele nehmen, die für sich genommen schon passend auf mich zugeschnitten ist.
Alternativen
Bigsby-bestückte Telecasters gibt es natürlich auch fertig zu kaufen. Die aktuell günstigste Art, an so was zu kommen, ist der Gebrauchtkauf einer Squier Cabronita-Tele mit Bigsby. Die gab es vor einigen Jahren in genau dieser Ausstattung – und diese Klampfen sind gar nicht mal schlecht. Sie wurden etwa zwischen 2010 und 2013 in Indonesien hergestellt, hatten einen Fender Fidelitron-Humbucker am Hals (eine Filtertron-Pickup-Interpretation) sowie einen Tele-Style-Singlecoil am Steg. Verbaut war hier ein Bigsby-Licensed B-50-Vibrato. Heute tauchen ab und an Modelle auf den deutschen Gebrauchtbörsen oder bei eBay auf, hier muss man mit Preisen zwischen 300 und 400 Euro rechnen.
Aktuell findet man in den Läden 72er-Custom- Teles mit Bigsby „Made in Mexico“ für um die € 1.000, außerdem erscheint hin und wieder mal eine „Made in Japan“- Tele mit Bigsby auf dem deutschen Markt. Letztgenannte Gitarren sind regelmäßig richtig gut nach Vintage-Specs gebaut und absolut wertige, Profi-taugliche Instrumente. Wer ausreichend Geld zur Verfügung hat, kann auch Ausschau nach Bigsby-bestückten Teles aus dem Fender Custom-Shop halten – da gibt es herrliche Exemplare in überzeugender Relic-Optik. Schlussendlich kann man auch den kundigen Gitarrenbauer des Vertrauens beauftragen, eine Bigsby-Tele nach individuellen Specs zu erschaffen.
Bild: (c) 2019 by Andreas Schulz | www.leftover-visuals.de
Die Original Gotoh Brücke
Bild: (c) 2019 by Andreas Schulz | www.leftover-visuals.de
Die Messing-Reiter wurden entfernt.
Bild: (c) 2019 by Andreas Schulz | www.leftover-visuals.de
Die Bridge wurde abgebaut.
Bild: (c) 2019 by Andreas Schulz | www.leftover-visuals.de
Die montierte Vibramate-Bridge
Nachrüstung
Will man seine eigene Tele mit einem Bigsby nachrüsten, entdeckt man wahrscheinlich als Erstes das „Bigsby Tele Vibrato Kit B5“, das um die € 270 kostet. Hier ist ein Bigsby B5 kombiniert mit einer neuen Stegplatte, einem Steg und allen Schrauben und Zubehörteilen. Die Materialqualität ist rundum gut, allerdings ist der Einbau teilweise knifflig. Der Austausch der Stegplatte erfordert das Bohren von Löchern für ebendiese und vor allem das Setzen zweier fetter Stegführungsbuchsen; außerdem muss man sich hier um die Erdung kümmern.
Noch kniffliger ist die Positionierung und Ausrichtung des B5 selbst; dazu ist dem Set lediglich eine „Ausrichtsaite“ beigefügt. Zum endgültigen Befestigen des Bigsby B5 (wegen seiner charakteristischen Hufeisen-ähnlichen Form gern „Horseshoe“ genannt) sind dann weitere vier Löcher in die Tele zu bohren. Autsch! Nach dem Studieren der Einbauanleitung (zu finden auch in deutscher Version auf auf www.bigsby.com) und Abzählen der Bohrlöcher habe ich mich dagegen entschieden. Die Lösung mit dem Tele-Vibrato-Kit hat weitere potentielle Probleme. Nach erfolgreicher Installation ist oft der Saitendruck auf den Steg zu gering, es scheppert und klirrt, der Sound ist dünn und plärrig. Dann muss man den Halswinkel der Tele ändern, indem man einen dünnen Holzkeil (ca. 0.2 – 0.8 mm) in die Halstasche einlegt (genannt „Shim“). Die beim erwähnten Set mitgelieferte Bridge ist nicht unbedingt oberste Klasse, die sechs Reiter sind dicht geriffelt, was nicht jedem Gitarristen gefällt. Viele ersetzen dieses Teil später durch eine (teure) Mastery-Bridge (M1-Kit von www.masterybridge.com, ca. $ 190).
Eine andere DIY-Lösung wäre, die bestehende Tele-Bridge so zu modifizieren, dass sie mit einem dahinter angebrachten Bigsby kompatibel ist. Das funktioniert für Vintage-Typen mit drei Doppelsaitenreitern (nicht aber für moderne 6-Saddle- Tele-Bridges). Man muss hier an der hinteren Wand der Bridge sechs Schlitze für die Saiten feilen, sägen oder fräsen. Dann wird alles wieder montiert und es geht weiter wie oben mit der Ausrichtung des Bigsbys. Diese Lösung würde auch mit etwas günstigeren Fernost-Lizenz-Versionen wie dem B50 funktionieren.
Traut man sich diese doch rabiate Maßnahme zu und hat das nötige Werkzeug, gibt es hier einige Vorteile: Der Halswinkel kann bleiben, Saitenlage und Winkel bleiben wie zuvor, die vorhandenen Saitenreiter werden weiterverwendet, es sind nur vier Bohrlöcher für das Bigsby nötig. Komplett rückbaufähig ist aber auch diese Do-ityourself- Lösung nicht. Wer sich die Modifikation der Bridge nicht zutraut, wird übrigens bei Callaham fündig (www.callahamguitars. com), hier gibt es die „Callaham Vintage Tele Bridge Specialized for Bigsby“, die bereits für den beschriebenen Einsatz vorgefertigt ist.
Bild: (c) 2019 by Andreas Schulz | www.leftover-visuals.de
Bild: (c) 2019 by Andreas Schulz | www.leftover-visuals.de
Bild: (c) 2019 by Andreas Schulz | www.leftover-visuals.de
Vibramate
Fast hätte hier meine „Tele-plus-Bigsby- Phase“ bereits geendet. Ich wollte weder in größerem Umfang basteln noch Löcher in eine mir ans Herz gewachsene Telecaster bohren. Dann stieß ich endlich auf eine Lösung der Firma Vibramate, genauer deren Kit namens V5-TEV Stage II. Dieses besteht aus einer Ersatzstegplatte aus Edelstahl und einem hufeisenförmigen Teil, das wie ein zweckentfremdetes Tailpiece anmutet, exakt an kleine Aussparungen an die Bridge Mounting Plate passt und schließlich das Bigsby B5 (nicht B50) trägt, ohne dass eine Bohrung in die Gitarre nötig ist! Zur Stabilität wird – ähnlich wie bei einer Archtop – das Vibramate Tailpiece zusätzlich mit der Endpin- Schraube fixiert.
Dieses System gibt es für Vintage-Teles (TEV) und modifiziert auch für American Standard Teles (TEAS). Damit man variabel beim Steg-Pickup ist, sind auch Versionen für Humbucker und Filtertron- PUs im Programm, außerdem eine Shorty-Ash-Tray-Bridge und zusätzlich alle Typen mit niedriger Seitenwand als „scalloped“-Version. Genau diese (TEV-SS) habe ich für meine Tele erworben – und natürlich ein Bigsby B5.
Der Umbau ist wie versprochen einfach. Saiten abmachen, alte Bridgeplate entfernen (4 Schrauben lösen) und Saitenreiter demontieren, dabei die Position bzw. Anordnung der Bridge Saddles merken. Man kann die alten Saitenreiter weiterverwenden, allerdings ist es zusammen mit einem Bigsby empfehlenswert bis notwendig, gekerbte Saddles zu verwenden: Das String-Spacing des Bigsby ist etwas enger als das einer Fender Tele. Ohne vorgegebene Kerben, die die Saiten in das Fender- Format zwingen, würden diese sich auf den flachen Saitenreitern verschieben.
Nun den Endpin abschrauben und den Steg-Pickup von der alten zur neuen Bridgeplate umbauen – das geht in der Regel ohne dass man irgendetwas an der Verkabelung ändern oder umlöten müsste. Nun gilt es, die bestückte Vibramate-Bridge anzuschrauben und die Saddles wieder anbringen. Vibramate bietet übrigens einen Dreiersatz Brass-Saddles mit Kerben an (slotted saddle set). Die bemerkenswert praktisch denkenden Vibramate-Macher haben die Schrauben für diese Reiter so gestaltet, dass man von beiden Seiten die Intonation/Oktavreinheit einstellen kann, denn bei montiertem Bigsby kommt man kaum noch an die Rückseite der Bridge heran. Nun setzt man endlich das Tailpiece an und fixiert es mit der Endpin- Schraube.
Letzter Schritt: Das Bigsby B5 wird auf das Tailpiece geschraubt. Bei mir passte alles wie angegossen! Fertig war die Bigsby-bestückte Telecaster – der Umbau hat vielleicht 20 Minuten gedauert, alles ist ohne jede Spur an der Gitarre wieder rückgängig zu machen. Das Aufziehen der Saiten ist bei Bigsbys ein wenig umständlich – hier könnte der Vibramate String Spoiler helfen. Und jetzt gilt: Play & Enjoy! Man sollte übrigens eine nicht zu schwere Telecaster für diesen Umbau nehmen: Bigsby plus Vibramate Tailpiece wiegen zusammen 350 Gramm.
Super Sache das Vibramate System. Ich werde aber trotzdem bei der billigeren Variante bleiben und werde mich mit meiner 3Saddle Bridge spielen (ausschneiden das Werkzeug hab ich dazu) trotzdem vielen Dank für die Inspiration
Super Sache das Vibramate System. Ich werde aber trotzdem bei der billigeren Variante bleiben und werde mich mit meiner 3Saddle Bridge spielen (ausschneiden das Werkzeug hab ich dazu) trotzdem vielen Dank für die Inspiration