Keine Angst vor Soli

The Amazons & Matt Thomson

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The Amazons(Bild: Caroline Alex Lake)

Mit ihrem selbstbetitelten Debüt entfachten The Amazons 2017 einen Hype in ihrer südenglischen Heimat und stürmten bis auf Platz 8 der Charts. Für ihren Frontmann war dieser gelungene Auftakt aber nicht mehr als ein Startschuss – das wahre Wesen der Band erkenne man erst am neuen Output namens ,Future Dust‘, ließ er uns wissen. Warum? Das erfahrt ihr hier.

interview

Matt, für ,Future Dust‘ standen einige große Namen Pate. Ihr habt euch dafür mit klassischen Acts wie Led Zeppelin, den Yardbirds oder Bob Dylan beschäftigt. Warum seid ihr so weit zurückgegangen?

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Es war eine Form der Rückverbindung – mit der Musik, die uns in unseren prägenden Jahren von unseren Eltern vorgestellt wurde. Im Internet kannst du dir den Back-Katalog dieser Bands anhören. Genauso einfach kannst du verfolgen, was diese Künstler gehört haben. Wir lieben diese Bands, also wollten wir wissen, von wem sie beeinflusst wurden. So stolperten wir über Acts wie Howlin’ Wolf, Muddy Waters, Jerry Lee Lewis oder Link Wray – all diese ergiebigen, rohen und farbenfrohen Charaktere.

Wie fand der Vibe dieser Künstler Eingang in eure Musik?

Über den Prozess des Zuhörens. Es ist das erste, was du machst, wenn du Musik erschaffen willst. Du versuchst, da möglichst viel herauszuziehen und schaust dann, was von dieser Magie hängenbleibt. Es ging uns nicht ums Nachmachen, sondern darum, den gradlinigen und leidenschaftlichen Ausdruck dieser Musiker zu verstehen. Wir  können Howlin’ Wolf hören so oft wir wollen – wir werden nie wie er klingen. Dieses Mal wollten wir uns mehr als Musiker einbringen. Das letzte Album war meiner Meinung nach in weiten Teilen vom Gesang dominiert. Bei ,Future Dust‘ hatten wir keine Angst vor längeren Instrumental-Parts oder Gitarrensoli.

Du wirst zitiert mit den Worten: „Dieses Album bedeutet so viel mehr.“ Warum?

Beim ersten Album haben wir einfach nur die Songs aufgenommen, die wir in unserem Set hatten. Wir waren dabei unsicher und wussten nicht genau, was wir eigentlich tun. Beim zweiten Album denkst du nach, worüber du reden willst. Das musst du erst mal herausfinden. Auf einmal bekommst du eine Perspektive. Du schreibst all diese Songs, testest sie aber nicht live, wie du es beim ersten Album gemacht hast. Es gibt kein Feedback des Publikums, du tappst im Dunkeln. Also musst du das tun, von dem du denkst, dass es gut ist. Dieser Prozess ist sehr viel härter, finde ich.

Es war schwer, das Album über die Linie zu bringen. Der Weg dorthin war eine sehr intensive Erfahrung und dauerte ein ganzes Jahr. Es gab viele Momente, wo es nicht gut aussah. Von daher war klar: Wenn wir das hinkriegen und eine Platte machen, auf die wir stolz sind, dann wird sie viel bedeutungsvoller als die erste. Denn dieses Mal haben wir ein Album gemacht. Das erste war nur eine Zusammenstellung von Songs.

The Amazons(Bild: The Amazons)

Nach der Tour zum Debütalbum habt ihr euch eine kleine Pause gegönnt. Wie wichtig war sie für die Arbeit?

Sehr. Wir wollten nicht gleich nach der Tour mit dem Schreiben anfangen, sondern uns erst mal für ein paar Wochen nicht sehen. In dieser Zeit gewöhnst du dich schnell daran, nichts mit der Band zu tun. Wenn du dann langsam wieder zurückkommst, merkst du, dass du den Groove nicht mehr hast. Du bist aus der Übung, das Verständnis untereinander fehlt. Da wurde mir klar, dass wir etwas tun mussten. So fuhren wir nach Three Cliffs Bay (bei Swansea in Wales, Anm. d. Verf.) und brachten den Ball dort ins Rollen. Wir haben gemeinsam viel Musik gehört und ließen uns von der Umgebung inspirieren. Viele der Songs entstanden da, auch unser Album-Cover wurde hier fotografiert.

Kannst du dich erinnern, welches der erste Song war, den ihr dort geschrieben habt?

Ich glaube, das war ,Mother‘. Das hat den Rest des Albums geprägt, mit seinen Riffs und der bisweilen apokalyptischen Art. Wir sagten uns: „Das ist die Richtung, in die wir gehen wollen.“ Der Song entstand aus Teilen, die wir schon seit einiger Zeit herumliegen hatten, und schien zu funktionieren. In diesem Moment fühlten wir, dass es losgehen kann. Also schrieben wir mehr Songs in dieser Richtung.

Es gab aber auch einen echten Schockeffekt in dieser Zeit: Euer Gitarrist Chris Alderton hatte einen Unfall, beim dem er die Kuppe des Zeigefingers seiner Greifhand verlor.

Es passierte beim Kochen. Chris hat im Studio für uns gekocht. Er hat Zwiebeln geschnitten und trennte dabei etwas von seinem linken Zeigefinger ab – genau den Teil, den du auf die Saite legst. Den konnte er damit nicht mehr benutzen. Wir machten uns natürlich Sorgen wegen der Aufnahmen, aber er sah das als Herausforderung. Er hat alle seine Parts neu gelernt. Das war ziemlich hart und er brauchte auch einige Anläufe, aber er hat die meisten Soli mit drei Fingern gespielt. Mittlerweile ist alles wieder gut.

Die Medien in eurer englischen Heimat schmeißen gerne mit Superlativen um sich. Jede Woche gibt es einen neuen „heißen Scheiß“, der die Musikwelt umkrempeln wird. Auch über euch wurde so geschrieben. Was macht das mit jungen Bands?

Das hängt von der Band ab. Wie sicher und selbstbewusst sind sie hinsichtlich ihrer Fähigkeiten? Druck wird es, wenn sie nicht wissen, was sie tun, und nicht zu 100 Prozent an sich und ihre Musik glauben. Wir fühlten uns immer gut dabei. Wir wollten die Tipps und die Publicity nutzen, um so weit wie möglich nach vorne zu kommen und eine möglichst große Fanbase aufzubauen.

Für uns war es einfach eine Chance und ein Hilfsmittel – denn du weißt, dass das Rampenlicht nicht immer auf deine Band gerichtet sein wird. Aber das macht nichts, denn was wir erreichen wollen, ist unabhängig davon, ob wir die heiße Band des Tages sind oder nicht. Es geht darum, im Studio Musik zu machen, die wir lieben und auf Tour zu gehen. Das wird nicht wirklich davon beeinflusst, ob jemand dir sagt: „Ihr werdet groß werden.“ Genau das Gleiche werden sie im nächsten Jahr jemand anderem sagen.

Kommen wir zum Handwerk: Wie teilt ihr euch die Gitarrenarbeit auf, Chris und du?

Sehr simpel. Ich spiele Rhythmusgitarre, er die Solosachen. Auf dem ersten Album habe ich noch ein paar Melodiespuren gespielt. Aber das will ich nicht mehr. Ich will mich auf das Songwriting, das Singen und die Rhythmusgitarre konzentrieren.

Auf den meisten Fotos sieht man dich mit einer schwarzen Gibson Les Paul Custom. Ist sie deine Favoritin?

Absolut. Ich habe sie vor ungefähr zwei Jahren bekommen. Es war eine Leihgabe des Vertriebs, aber sie wollten sie nie zurückhaben. Vor Kurzem bekam ich eine Nachricht, in der sie sagten: „Du kannst sie übrigens behalten.“ Die Les Paul Custom verwende ich am meisten, daneben spiele ich auch eine Flying V und eine ES-335. Sie alle klingen gut, aber die beste Allround-Gitarre ist definitiv die Les Paul. Chris liebt vor allem seine schwarze Duesenberg Caribou. Dazu kommen eine Firebird und eine schwarze SG, die er modifiziert hat. Auf ihrem Hals kann man tolle Soli spielen. Unser Bassist Elliot Briggs spielt mittlerweile ebenfalls Duesenberg. Er hat gerade einen neuen Bass bekommen.

Ihr seid also eher auf der Gibson/Humbucker-Seite zu Hause.

Ja, fett und warm.

Ich habe gelesen, dass Chris einen Vox AC-15 aus chinesischer Fertigung spielt, der früh kaputt gegangen ist und daraufhin neu aufgebaut wurde. Stimmt das?

Ich glaube ja. Neben dem Vox benutzt er auch andere Amps, darunter einen Fender. Er mischt die Signale zusammen. Auf der Seite steht auch ein Marshall Astoria, falls er ihn mal braucht.

The Amazons
Bei der Gitarren-Abnahme kommt der guitaRF Mikrofon-Halter und Übersprechschutz von sE Electronics zum Einsatz, der Halterungen für ein Shure SM57 sowie ein weiteres Mikrofon bietet. (Bild: The Amazons)

Und du?

Ich spiele über einen Marshall Bluesbreaker – groß und laut.

Erzeugst du den Riffsound mit Pedalen? Oder ist der Amp so eingestellt, dass er verzerrt?

Das mache ich mit Pedalen. Mein Haupteffekt ist ein Angry Charlie von JHS. Den nehme ich für die meisten Riffs. Dazu habe ich ein Fulltone für etwas weniger verzerrte Sounds, etwa bei Akkorden.

Welches Fulltone?

Ein schwarzes. Ich kann mich nicht an den Namen erinnern. Es hat zwei Switches und auch einen Boost eingebaut (meint wohl das Full-Drive 3, Anm. des Verf.). Das sind die Hauptgeräte. Dazu verwende ich einen Electro-Harmonix Pitch Fork für Oktavsachen, und ich mag den Electro-Harmonix Holy Grail Reverb. Das ist auch schon alles. Schön und einfach.

Ihr stammt aus Reading und spielt im August zum dritten Mal auf dem gleichnamigen Festival. Das ist doch sicher etwas ganz Besonderes für euch.

Das ist richtig. Ohne das Reading Festival wären wir vielleicht nie eine Band geworden. Reading ist eine kleine Stadt, in der nicht viele aufregende Dinge passieren. Aber für drei Tage im Jahr findet eines der größten Rockfestivals in unserer Heimat statt. Das ist etwas ganz Besonderes und hatte immer einen Effekt auf uns. Ich erinnere mich daran, wie ich dort Rage Against The Machine, Metallica, die Killers, Arcade Fire oder Green Day gesehen habe – große Acts und brillante Künstler.

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2019)

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