Schwungvoll und farbenfroh

Test: Ibanez AS63 & AS63T

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(Bild: Dieter Stork)

Vibrante = schwingend, mitreißend, leidenschaftlich. Ibanez will mit diesen auffällig bunt gestalteten Gitarren aus der neuen gleichnamigen Artcore Series offenbar junge Spieler erreichen. Die eher als traditionell gesetzt geltenden Semi-Acoustics sind jedenfalls kaum zuvor derart farbenfroh in Erscheinung getreten. Aber machen diese Knallbonbons nur viel Bohei um ihre freche Optik, oder können die auch mehr? Klingen die womöglich ebenso grell wie sie aussehen? Kriegen wir jetzt raus!

Mit den vorliegenden Modellen aus der neuen Artcore Vibrante Series bedient Ibanez den Bereich der Einsteiger mit gut spielbaren, auf das Wesentliche reduzierten und vor allem preisgünstigen Semi-Acoustics. Zu haben sind die Gitarren in den Farben Coral Pink, Mint Blue, Seafoam Green und Twilight Orange. Wir nehmen jetzt hier das mintblaue Modell ohne, und die seeschaumgrüne Variante mit Vibrato unter die Lupe.

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(Bild: Dieter Stork)

Einfache Ausstattung – alternative Hölzer

Der Double-Cutaway-Korpus mit den leicht zugespitzten Hörnern der AS63- Modelle gehört in die gängige 16″-Kategorie der semiakustischen Bauweise. Die Decke und der Boden der Gitarren wurden in leichte Wölbung gepresst und bestehen wie die Zargen aus Sapele (Mahagonifamilie). Cremefarbene Bindings schützen umlaufend die Korpuskanten, zieren aber auch die klassisch geschnittenen f-Löcher beider Semi-Acoustics.

Eine Ausspiegelung des Korpusinneren belegt, dass der massive Sustainblock, der die Mitte vom Hals bis zum Gurtpin komplett ausfüllt, bemerkenswert sauber an Decke und Boden angepasst wurde. Der Hals aus Nyatoh (Laubbaum aus Indonesien) mit gebundenem Griffbrett aus Laurel (bis zu 20 Meter astfreies Stammholz) ist jeweils in Höhe des 17. Bundes in den Korpus eingeleimt.

Aha: die traditionellen Tonhölzer werden knapp, da sucht und findet man offenbar alternative Materialien. Die 22 Bünde im Medium-Format weisen bei beiden Instrumenten gratfreie und rundum ordentliche Verarbeitung auf; Dot Inlays markieren die Lagen. Die Kopfplatten mit ihren schwarz lackierten Fronten sind über eine verstärkende Volute am Halsrücken unterhalb des Sattels aus Kunststoff abgewinkelt und wurden mit gut laufenden gekapselten Mechaniken ausgestattet.

(Bild: Dieter Stork)

Spontanen Zugang zum Halsstab finden wir am Kopf über die seitlich ausklappbare Abdeckung hinter dem Sattel.

Am Korpus laufen die Saiten der AS63 über die in Höhe und Länge justierbare ART-ST Bridge zum zugehörigen Stop Tailpiece; bei der AS63T über die ART-2 Roller Bridge zum Bigsby B-70 Vibrato. Abgesehen von diesen differierenden Bridges sind die Gitarren identisch ausgestattet.

(Bild: Dieter Stork)

Elektrik: Zwei in schwarze Rähmchen gesetzte Infinity Humbucker mit keramischen Magneten wurden jeweils in der Hals- und Stegposition auf die Decke positioniert. Mit konventioneller Schaltung lassen sie sich allein oder zusammen über den zwischen die generell arbeitenden Volume- und Tone-Regler platzierten Toggle Switch anwählen. Einfach, aber effektiv – passt!

Zu erwähnen bleiben noch die hellen Pickguards mit farblich angepasster Tortoise- Optik und die angenehm großen Gurtpins. Den AS63-Modellen kann man im Übrigen einen für ihre Preiskategorie beachtlichen Verarbeitungsstatus zugestehen.

Gute Handhabung – praxisgerechte Sounds

Was braucht der junge aufstrebende Held? Ein Instrument, das ihm den Spaß am Spiel erhält, die Spielfreude möglichst sogar fördert. In dieser Hinsicht bewegen wir uns gottlob längst auf sicherem Terrain. Kaum mehr bekommen wir auch nur ansatzweise noch so etwas, wie die früher mit Recht gefürchteten „Eierschneider“ in die Hand. Kann sich heute einfach kein Hersteller mehr leisten. Diese gute Nachricht schließt natürlich auch preisgünstige Gitarren mit ein.

Was bleibt, ist die grundsätzliche Frage nach dem Halsprofil. Einst haftete Ibanez der Ruf des Flachhalsspezialisten an, was der Firma keineswegs zum Nachteil gereichte, denn flache Hälse galten als schnell. Inzwischen hat sich die Mode in dieser Hinsicht etwas gedreht und man war gut beraten, alternativ auch kräftiger ausgeformte Halsprofile anzubieten. Tatsächlich lassen sich auch diese vermeintlichen „Knüppel“ gut bespielen, ganz abgesehen vom positiven Effekt für die Tonbildung durch mehr Masse.

Die beiden AS63-Kandidaten jedenfalls verfügen über Hälse im AS-Artcore-Format, die mit ihrem rundlichen Zuschnitt die rechte Hand mit absolut angenehmer Griffigkeit füllen und auch in höheren Lagen noch mit flach eingerichteten Saitenlagen leichten Griffbrettzugang garantieren.

Auch vom Schwingverhalten lässt sich Gutes berichten: Akkorde rollen luftig silbrig und mit ausgeglichener Stimmverteilung ans Ohr. Das Sustain ist von achtbarer Länge, auch wenn auf den Basssaiten die Primärtöne recht schnell in ihre harmonischen Obertöne wechseln. Alles in allem liegt aber ein gut gewichtetes Tonambiente von unerwartet solider Substanz vor.

Von den verbauten Infinity Humbuckern darf man nun nicht gerade die tiefgründigste Tonumsetzung erwarten, dennoch wandeln sie das akustische Potenzial der AS63-Semis durchaus kompetent in kraftvolle elektrische Sounds. Mit maßvollem Output sorgt der Hals-Pickups für klar zeichnende, leicht kühle, aber ansonsten gut aufgelöste Akkorde mit recht offensiv vorspringenden Höhen. Die Bässe reichen nicht sehr tief, sprechen aber gut an und zeigen die für Semi-Acoustics typische perkussiv herausgestellte Kontur. Keine schlechten Bedingungen also für bewegliches rythmisches Spiel im Clean- Modus.

Gehen wir in den Overdrive-Kanal, so sind Powerchords und Riffs dank der gezügelten Basstonentfaltung mit kompaktem Growl und guter Präsenz zu haben. Dem gepflegten Lead-Spiel steht ebenfalls nichts entgegen: gehaltene Noten singen beachtlich gut, zeigen Atemkraft; Linien kommen definiert und durchsetzungsstark zum Zuge, auch wenn die leicht metallischen Sounds in höheren Betriebsarten nicht ganz frei von Nebengeräuschen bleiben und die Höhen etwas ins Grätzige tendieren. Aber womit jetzt verglichen? Mit Pickups, die allein mehr kosten als eine von diesen Gitarren? Da lassen wir den Dom doch lieber in Köln, bzw. die Kirche im Dorf. Dann nämlich können wir die Klangergebnisse zu den gegebenen Bedingungen sogar richtig gut nennen.

Mit Wechsel auf den Steg-Humbucker verschärft sich das Klangbild dann noch mal deutlich. Dank nicht zu starker Kompression zeigen die Mitten einen nett drückenden Schmack, was bewegliche Aktionen bei klar eingestelltem Verstärker keineswegs ausschließt. In dieser Schaltposition bekommen wir im Bass recht knochig straffe, ansonsten höhenreich brizzelnde Klangfarben geboten, die vielfältig nutzbar scheinen. Zerrpositionen quittiert der Infinity-Pickup am Steg mit scharfer Attitüde. Das ist dann ganz schön bissig, mitunter auch schrill, aber bitte, mit etwas Abgleich über den Tone-Regler sind auch über den Steg- Pickup definitiv potente und druckvolle Sounds zu finden. Sounds, die allerdings in etwas härteren Rock-Stilistiken eher ein Zuhause finden, als im schmusigen Vintage-Bereich.

Die zusammengeschalteten Pickups geben uns dann noch eine dritte Klangvariante an die Hand, welche mit luftig abrollenden Akkorden, kehlig glasig artikulierenden Linien und insgesamt hellem Tonverhalten das überschaubare, aber grundsätzlich praxisgerecht angelegte Klangangebot stimmig komplettiert. Die preisgünstige AS63 (kaum zu glauben, was da für unter € 350 möglich ist) steht am Ende des Tages in Sachen Ansprache, Attack-Verhalten und Tonlänge sogar noch etwas besser da als die AS63T. Der Ton kommt bei ihr mit TOM-Bridge und Stoptail pointierter und insgesamt straffer zum Zuge. Mit der langen Saitenführung zwischen Bridge und Bigsby ändert sich auch das Tonambiente der Vibrato- Version leicht, zeigt durch die leicht mitschwingenden Saiten hinter dem Steg eine farblich etwas versetzte Obertonstruktur. Die Unterschiede sind allerdings marginal und nur bei direktem Vergleich mit gespitztem Ohr zu erkennen. Die Bigsby-Vibrato-Einheit selbst funktioniert wie gewohnt zufriedenstellend, solange man sich mit weich lässigem Schimmern zufrieden gibt. Heftige Dive Bombs sind seine Sache natürlich sowieso nicht. Mit dem baubedingt eingegrenzten Wirkungsgrad des immer cool anzusehenden Bigsbys muss und kann man umgehen lernen.

(Bild: Dieter Stork)

Resümee

Wer eine konventionelle Semi-Acoustic will, der findet bei Ibanez natürlich nach wie vor ein gutes Angebot in gewohnt gedeckten Farben auch im günstigen Preissegment. Die neuen AS63-Modelle der Artcore Vibrante Series sollen und können mit ihrem frechen Outfit junge Spieler locken, Spieler die sonst vielleicht eher die Nase gerümpft hätten über (böse gesprochen) Opas Gitarre. Optischer Aufriss ist die eine Sache, Substanz eine andere. Gute Nachrichten: die vorgelegten AS63-Vibrante-Versionen bieten tatsächlich beides!

Diese semiakustischen Gitarren sind wohl auf das Wesentlichste reduziert, wurden auch zum Teil aus bisher kaum bekannten Tonhölzern gefertigt, aber unter dem Strich können sie durchaus mit guten Spiel- und achtbaren Klangeigenschaften in ihrem Preisbereich überzeugen. Vor allem die AS63 bietet für nicht mal € 350 erstaunlich viel Gitarre fürs Geld! Der farbenfrohe Look mag Geschmackssache bleiben, aber falsch machen kann man als Ein- und mutmaßlich bald auch Aufsteiger mit dem Erwerb dieser Gitarren eigentlich nichts. Alles andere findet sich bei der dringend empfohlenen Anprobe!

PLUS

  • farbenfroh aufgemischtes Design
  • alternative Tonhölzer
  • Schwingverhalten
  • Infinity Pickups
  • kraftvolle Sounds
  • gut spielbarer Hals
  • Preis/Leistung
  • ordentliche Verarbeitung

(erschienen in Gitarre & Bass 08/2019)

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